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Musik und Geschichte Tangermünde sorgt mit einer Seltenheit für Furore

Eröffnung der Festivalwoche in Tangermünde mit Nachfahren von Zucker-Meyer.

Von Anke Hoffmeister 22.07.2024, 10:26
Diese Organisten eröffneten die Festwoche: Dietrich Kollmannspergeer (von links), Olga Minkina, David Boos und Christoph Lehmann.
Diese Organisten eröffneten die Festwoche: Dietrich Kollmannspergeer (von links), Olga Minkina, David Boos und Christoph Lehmann. Foto: Anke Hoffmeister

Tangermünde. - Die Schererorgel in Tangermünde klingt. Und das nicht nur die vergangenen 400 Jahre. Seit Freitagabend erklingt das historische Instrument beinahe in Dauerschleife. Der Grund ist ein ganz besonderer.

Die Kaiser- und Hansestadt an der Elbe erlebt derzeit in ihrer großen evangelischen St. Stephanskirche etwas bisher Einmaliges. In der Kirche wird Geburtstag gefeiert. Zehn Tage lang locken Musik- und Kunstangebote für Jung und Alt an genau diesen Ort. Das Orgelfestival, inszeniert und organisiert von Kantorin und Organistin Olga Minkini sowie deren Mann und Organisten David Boos, bietet eine Vielzahl an Veranstaltungen, die facettenreicher zu diesem Anlass nicht hätten sein können.

Programm für jedermann

Am Freitagabend begrüßte die Kantorin im Gotteshaus, einem kühlen Ort an jenem heißen Julitag, gut 100 Besucher zur Eröffnung der Festivalwoche. Eine lange Aufzählung von Menschen und Institutionen nahm sie vor, um all denen zu danken. Denn sie alle hatten mit ihrer persönlichen oder auch finanziellen Unterstützung möglich gemacht, dass Tangermünder und Musikfreunde ein vielseitiges Programm anlässlich der 400-jährigen Geschichte der Schererorgel erleben können.

Pfarrer Otto-Fabian Voigtländer machte in seinem Grußwort an die Gäste darauf aufmerksam, dass in Vorbereitung auf die Festwoche in Tangermünde vor allem in den vergangenen Nächten die Klänge der Orgel bis weit nach Mitternacht zu hören waren. Es wurde geprobt, um dieses besondere Instrument bestens präsentieren zu können.

Auch wenn es deutschlandweit noch mehrere Orgeln gibt, die einst von Scherer gebaut wurden, so ist die in Tangermünde doch jene, die den meisten Originalbestand aufweist – eine Tatsache, die vor allem Organisten und Orgelbauer immer wieder begeistert.

„Ich bin fasziniert von den Menschen am Spieltisch“, erklärte der Pfarrer. „Sie drücken nicht nur die Tasten und fertig“, sagte er weiter. Sie hätten viele weitere Möglichkeiten, um mit Ventilen und zahlreichen anderen „Stellschrauben“ das besondere Instrument zum Klingen zu bringen.

Zertus sucht Zeitzeugen

Zu den Gästen dieser Eröffnungsveranstaltung gehörte unter anderem auch Malte Herwig, ein Nachfahre des Firmengründers der Zuckerraffinerie Tangermünde, Theodor Friedrich Meyer. Als Mitglied des Aufsichtsrates der Zertus GmbH mit Sitz in Hamburg (hervorgegangen aus der Meyerschen Firma) sprach er zu den Besuchern. (Zertus ist ebenfalls eine Förderin des Orgelfestivals). Herwigs Mutter Christine war 1937 in der Kirchstraße 31 geboren und zehn Jahre später in St. Stephan getauft worden. Sie hatte ihren Sohn nach Tangermünde begleitet und trotz ihrer erst zehn Tage jungen, neuen Herzklappe darauf bestanden, „die 40 Stufen zur Orgel raufzugehen“. Unbeschadet, wie Malte Herwig versicherte.

Seinen Besuch in Tangermünde nutzte er, um als Mitglied einer „Familie und Firma mit tiefen Tangermünder Wurzeln“ einen Aufruf zu starten. 2026 feiert Zertus den 200. Firmengeburtstag. Menschen, die sich noch an Zuckermeyer-Zeiten in der Stadt erinnern können, Zeitzeugen kennen, werden gesucht und können sich „bei mir melden“.

In einem Gespräch mit der Kantorin hatte Malte Herwig unter anderem erfahren: „Die alten Teile der Orgel halten meist am längsten.“ Seine Schlussfolgerung daraus: „Menschen und Orgeln in der Altmark sind unverwüstlich und beständig.“