Ukraine-Krieg Ukrainischer Botschafter verteidigt in Stendal den Standpunkt seiner Regierung
Am 1.000. Tag des Krieges der Russen gegen die Ukraine reist der ukrainische Botschafter von Berlin nach Stendal. Die Diskussionsrunde unterstreicht, wie sich vor allem in Ostdeutschland die Sicht auf ukrainische Flüchtlinge gewandelt hat.
Stendal/Berlin. - Besonderer Besuch an einem besonderen Termin. Genau 1.000 Tage nach dem russischen Angriff auf sein Heimatland war der Botschafter der Ukraine, Oleksii Makeiev, von Berlin nach Stendal gekommen. Auf Einladung der beiden altmärkischen Bundestagsabgeordneten, Herbert Wollmann (SPD) und Marcus Faber (FDP). Es war auch der Tag einer neuen Eskalationsstufe in diesem Krieg.
Während draußen ein eiskalter Wind blies und der Regen den passenden Hintergrundsound lieferte, herrschte drinnen eine durchaus warme Atmosphäre. Keiner der rund 50 geladenen Gäste aus Politik, Wirtschaft, Sport und gesellschaftlichem Leben verteidigte in Stendal die russische Aggression. Kritische Fragen gab es dennoch.
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Ukrainer schildert Situation in seinem Land und das Leiden der Menschen
Mit Charme, Witz und Selbstironie, aber hart und kompromisslos in der Sache, vertrat der Diplomat seinen Standpunkt und den seiner Regierung. Sein Credo: „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen, und wir müssen selbst entscheiden, mit welchen Mitteln.“ Mit teils sehr persönlichen Worten schilderte Makeiev die Situation in seinem Land und das Leiden der Menschen. Er halte engen Kontakt zu seiner Mutter in Kiew, die ihm berichtet hat, dass in der Nacht zuvor 300 Meter von ihrer Wohnung entfernt Raketen eingeschlagen hätten. Es gebe keine sicheren Orte in der Ukraine, wandte er sich gegen eine verbreitete Meinung.
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Die Sicht vom Ukraine-Krieg und den ukrainischen Flüchtlingen habe sich insbesondere in Ostdeutschland gewandelt, sagte Hans-Jürgen Kaschade, der sich in Stendal in der Flüchtlingsbetreuung engagiert. Anfangs sei aus Empörung über den Angriff die Unterstützung groß gewesen. Inzwischen würden Neid und Misstrauen wachsen. Tenor: „Die haben alle ein Handy und fahren dicke Autos.“ Und: „Die geflüchteten Männer drücken sich vor der Front.“ Die wollen nicht arbeiten und leben alle auf unsere Kosten.“
Ukrainische Botschafter nimmt Kritikern den Wind aus den Segeln
„Jeder Deutsche kennt mindestens einen undankbaren Ukrainer“, so der Botschafter, der ebenso solche undankbaren Landsleute kenne. Bei einer Million Ukrainer, die hier Schutz suchen, sei das aber ein verschwindend geringer Anteil, nahm der Diplomat solchen Kritikern den Wind aus den Segeln und verteilte bei der Gelegenheit einen ironischen Seitenhieb an seinen umstrittenen Vorgänger: „Sie mögen vielleicht sogar einen undankbaren ukrainischen Botschafter kennen.“
Auch gegen die anderen Vorwürfe brachte er Argumente vor. Ein Problem bei der Arbeitsaufnahme sei zum Beispiel neben der Sprache die Qualifikation. Die meisten ukrainischen Flüchtlinge seien gut ausgebildet, viele mit Hochschulabschluss. Ihnen würden hier oft nur Tätigkeiten als Hilfskräfte oder Putzfrauen angeboten. Makeiev bedankte sich ausdrücklich bei allen Deutschen und der Bundesregierung für die Unterstützung. Grundsätzlich unterschiedliche Sichtweisen auf den Ukraine-Krieg in Ost und West nehme er nicht wahr.
Trotz möglichem Regierungswechsel in Deutschland setzt Diplomat auf Kontinuität in der Ukraine-Politik
Kritische Fragen gebe es überall. So auch in Stendal. Etwa als Unternehmer Ricardo Henkelmann auf die nuklearen Drohungen Russlands anspielte und fragte, wie die Ukraine angesichts dessen den Krieg gewinnen will. Eine nukleare Eskalation sei nicht zu befürchten, hielt Verteidigungspolitiker Faber dagegen. Die wachsende Angst vor einem Atomkrieg sei politisch gesteuert, warf Wollmann ein.
Der Wahlkampf und ein möglicher Regierungswechsel in Deutschland bereite ihm kein Kopfzerbrechen, sagte der Botschafter im Pressegespräch. Er setze auf Kontinuität in der Ukraine-Politik und hoffe darauf, dass es ein Thema der Gemeinsamkeiten aller demokratischen Parteien und nicht der kontroversen Auseinandersetzungen wird. Ein politisches Ziel seiner Regierung verpackte er scheinbar nebensächlich in einen Scherz: „Wenn die Ukraine in der EU ist, werden wir der Deutschen Bahn einen Manager schicken. Dann werden auch hier die Züge wieder pünktlich fahren.“