Urteil 2 Jahre 10 Monate für brutale Vergewaltigung
Ein 20-Jähriger hatte seine 44-jährige Nachbarin brutal vergewaltigt. Nun wurde er nach Jugendrecht verurteilt.
Stendal l Das Landgericht in Stendal hat am Mittwoch einen 20-Jährigen nach Jugendrecht wegen Vergewaltigung seiner 44 Jahre alten Nachbarin in einem Mehrgeschosser im Wohngebiet Stendal-Stadtsee zu zwei Jahren und zehn Monaten Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt. „Das ist die unterste Grenze des Machbaren, eigentlich wäre eine andere Dimension tat- und schuldangemessen“, hieß es im Urteil, mit dem die Richter der Staatsanwaltschaft gefolgt waren.
Das Gericht habe „keinen Zweifel, dass sich das Geschehen wie angeklagt abgespielt hat“. Die Jugendkammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler sah am Ende des dritten Prozesstages die von „außerordentlicher Brutalität“ geprägte Tat als erwiesen an. Die Richter stützen ihr Urteil auf das Geständnis des Angeklagten und auf die Aussagen des Opfers sowie mehrerer Polizistinnen, die die 44-jährige Frau vernommen hatten.
Zudem fußt das Urteil auf weiteren „Sachbeweisen“, wie Richter Galler anführte, als da sind: DNA-Gutachten, rechtsmedizinisches Gutachten sowie Fotos von den Verletzungen des Opfers und den Kampfverletzungen des Täters.
Immer wieder sprach Richter Galler in der Urteilsbegründung von einem „massiven Gewaltexzess“, wie er ihn in seiner Tätigkeit in Stendal „in so einer Brutalität selten bis gar nicht erlebt“ habe. Als er das erste Mal die Fotos in der Akte sah, habe er „sechs bis sieben Jahre im Hinterkopf gehabt“, sagte Richter Galler.
Der Angeklagte verfolgte mit gesenktem Kopf die von einem Dolmetscher übersetzte Urteilsbegründung. Keine schuldmindernde Rolle spielte es für das Gericht, dass der 20-Jährige bei der Tatbegehung leicht alkoholisiert war und im minimalen Umfang in seinem Blut der Konsum von Rauschgift nachgewiesen werden konnte.
Der in der elterlichen Wohnung lebende Syrer fiel am späten Abend des 24. Januar über die Nachbarin her. Nichtsahnend öffnete das spätere Opfer in Erwartung eines Bekannten nach 23.30 Uhr die Wohnungstür, als der ihr flüchtig bekannte 20-Jährige hereinstürmte und sie sofort und über einen längeren Zeitraum sexuell attackierte.
Er riss ihr die Kleider vom Leib und fiel über sie her. Von Zerren, Greifen, Kneifen und sogar einem Biss sprach Rechtsmedizinerin Jachau. Sie hatte etliche große, rot bis blau-violett verfärbte Schwellungen insbesondere an den Gliedmaßen sowie am Gesäß des Opfers festgestellt, „einfaches Anfassen reicht dafür nicht aus.“
Beim Angeklagten fand die Rechtsmedizinerin Verletzungen, die sie dem Abwehrkampf zurechnete. Wie Richter Galler aus deren polizeilichen Aussage zitierte, fühlte sich die Frau „wie ein Stück Vieh hingeworfen“.
Sie sei „vom Mensch zur Sache degradiert worden“, noch dazu in einer „absoluten Schutzzone“, ihrer Wohnung, aus der sie zwischenzeitlich ausgezogen ist, hieß es weiter. Immerhin gelang es ihr im Kampf, mit dem Handy Hilfe zu rufen. Sie wurde ärztlich versorgt und der Angeklagte noch am Tatort festgenommen.
Seitdem sitzt er in U-Haft. Das Landgericht hielt den am 25. Januar verhängten Haftbefehl „aus den Gründen seines Ausspruchs“ aufrecht. Die spannende Frage sei gewesen, wie der 20-Jährige zu bestrafen ist, nach Erwachsenenstrafrecht oder nach milderem Jugendrecht, sagte Richter Galler.
Man sei schließlich der Jugendgerichtshilfe des Landkreises gefolgt, die in ihrer Stellungnahme Entwicklungsdefizite beim Angeklagten ausgemacht und sich für eine Jugendstrafe als erzieherisch wirkende Sanktion ausgesprochen hatte.
Laut Jugendgerichtshilfe lebt der 20-Jährige bei seinen Eltern in Stendal. Seine Mutter sei 2015 im Zuge der Kriegswirren mit einem ihrer Kinder aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Ihr Ehemann folgte zusammen mit dem Sohn im Mai vorigen Jahres im Rahmen der Familienzusammenführung.
Der 20-Jährige sei scheu, in sich gekehrt und habe keinen Kontakt zu Gleichaltrigen. So hätten die Eltern ihren Sohn beschrieben, führte die Vertreterin der Jugendbehörde aus. Sie bezweifelte, dass die aus geordneten Verhältnissen stammenden Eltern überhaupt wüssten, was ihr Sohn getan hat. Wie Richter Galler sagte, wartet auf den Angeklagten nach Verbüßung der Jugendstrafe wahrscheinlich die Abschiebung aus Deutschland.