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Diskussion im Dom Volksstimme-Chefredakteur Marc Rath in Stendal: „Wird es ernst, ist Journalismus gefragt“

Um „Deutsch-deutsche Dissonanzen“ ging es bei einer Diskussion im Stendaler Dom mit Volksstimme-Chefredakteur Marc Rath. Er beantwortetet Fragen nach Wahrheit im Journalismus.

Von Andreas König 03.11.2023, 12:27
Volksstimme-Chefredakteur Marc Rath (links) erhält vom Stendaler Dompfarrer Markus Schütte einen Kalender nach der der Diskussionsveranstaltung im Dom in Stendal mit
Volksstimme-Chefredakteur Marc Rath (links) erhält vom Stendaler Dompfarrer Markus Schütte einen Kalender nach der der Diskussionsveranstaltung im Dom in Stendal mit Foto: Andreas König

Stendal - Sechs Prozent. Das ist auf den ersten Blick keine besonders beeindruckende Zahl. Sie markiert den Ost-West-Unterschied beim Vertrauen in die Tageszeitung als Medium. Marc Rath, Chefredakteur sowohl der Volksstimme als auch der Mitteldeutschen Zeitung aus Halle, nennt sie im Dom in Stendal. Das Thema des Abends lautet „Deutsch-deutsche Dissonanzen“. Es geht um Ver- und Misstrauen in Medien, Wahrheit und Objektivität und die Deutungshoheit.

Chefredakteur mit „Ostkompetenz“

Marc Rath, Jahrgang 1966, geboren in Solingen, nimmt für sich in Anspruch, eine große „Ostkompetenz“ zu besitzen. Er weiß, wonach das Café „Frösi“ an der Hochschule in Magdeburg benannt ist (die DDR-Zeitschrift Fröhlich sein und Singen) und was gemeint ist, wenn man sagt: „Es entwickelt sich, das Flugwesen“ (Zitat des sowjetischen Satirikers Michail Sostschenko, in dem sich dieser über ungeschickte Agitationsversuche lustig macht).

Doch gibt es überhaupt noch den Osten und den Westen? In der Darstellung vorrangig westsozialisierter Medien, wie Spiegel, Zeit oder der Zeitung mit den vier Buchstaben, sicher. Bei den Wahlergebnissen, vor allem denen rechtspopulistischer Parteien, nähern sich Ost und West an, bei den Gehältern ist eine derartige Entwicklung noch nicht zu erkennen.

Chefredakteur Marc Rath  sprach im Dom in Stendal über  „Deutsch-deutsche Dissonanzen“ anhand des Spiegel-Titels „So isser, der Ossi.“
Chefredakteur Marc Rath sprach im Dom in Stendal über „Deutsch-deutsche Dissonanzen“ anhand des Spiegel-Titels „So isser, der Ossi.“
Foto: Andreas König

Bei dem Vertrauen in Medien liegen die Ostdeutschen um die eingangs erwähnten sechs Prozent unter dem Wert der befragten Westdeutschen. Dabei behauptet Ost-Autor Dirk Oschmann sehr erfolgreich, dass „Der Osten – eine westdeutsche Erfindung“ sei.

Spiegel-Titel als Beispiel für Macht- und Medienmissbrauch

Medialer Kronzeuge ist das Hamburger Magazin Der Spiegel, das 2019 mit der Titelzeile „So isser, der Ossi“ aufmachte, illustriert mit dem schwarz-rot-goldenen Anglerhut eines Pegida-Sympathisanten aus Dresden. Spiegel-Mitarbeiter erklärten diesen Titel später zur Satire, Oschmann zum Beispiel für „Macht- und Medienmissbrauch“. Der Anteil der ostdeutschen Leserschaft der erwähnten Blätter liege bei unter fünf Prozent, sagte Marc Rath.

Doch dem Publikum ging es gar nicht so sehr um deutsch-deutsche Dissonanzen. Ein Herr wollte wissen, wieso er der Volksstimme glauben soll, wo er doch in „alternativen Medien“ recherchiere. Ein anderer fragte Marc Rath, wie er es finde, dass die Zahl derjenigen, die „Lügenpresse“ rufen, „exponentiell zugenommen“ habe.

Aufforderung an die Leser: „Reden Sie mit uns“

Der Chefredakteur entgegnete, dass Medien wie die Volksstimme recherchieren, versuchen, Zusammenhänge einzuordnen und im besten Fall nicht nur Probleme zu benennen, sondern Lösungswege aufzuzeigen („Konstruktiver Journalismus“). Allem Misstrauen zum Trotz zeige sich: „Wenn es ernst wird, etwa beim Hochwasser 2013, ist Journalismus gefragt“.

Im Falle des Tunnelhäuschens in Stendal ist auch dank der Beiträge in der Volksstimme etwas Konstruktives entstanden. Allerdings, bemerkten Diskussionsteilnehmer, würden sie sich einen stärkeren Dialog zwischen Zeitungslesern und -machern wünschen. „Reden Sie mit uns“, ermunterte sie Marc Rath.