Wahlbetrug Ex-CDU-Kreischef bricht Schweigen
Im juristischen Nachspiel des Wahlbetrugs von 2014 im Landkreis Stendal fordert die Hansestadt Schadensersatz.
Stendal l Nach fünf Stunden wird die Verhandlung abgebrochen. Die zweite Zeugin muss unverrichteter Dinge das Landgericht Stendal verlassen. Das sei ungewöhnlich - „nach einer so langen Wartezeit“, gab die Vorsitzende Richterin Haide Sonnenberg zu. Doch die gestattete Verlängerung im juristischen Nachspiel des Wahlbetrugs von 2014 im Landkreis Stendal bis maximal 18 Uhr war abgelaufen. So wird es einen zweiten Verhandlungstag in der Schadensersatzklage der Stadt Stendal gegen zwei ehemalige CDU-Mitglieder geben müssen. Und dieser wird mit Sicherheit wie der gestrige von Brisanz sein.
Mit Spannung wurde erwartet, wie sich der frühere CDU-Kreisvorsitzende Wolfgang Kühnel diesmal verhalten wird. Der heute 66-Jährige schwieg bislang hartnäckig. Doch diesmal brach Kühnel sein Schweigen. Erstmals äußerte er sich zum Wahlbetrug am 25. Mai 2014. Warum erst jetzt? Dafür führte Kühnel den damaligen Rat eines Anwalts an, eine Aussage zu verweigern, um sich nicht selbst zu belasten.
In dem Zivilprozess belastete ihn nun die Stadt Stendal als Klägerin. Sie wirft ihm vor, vorsätzlich rechtswidrig gehandelt zu haben und so eine Mitschuld am Schaden für die Kommune zu tragen.
Wegen der Manipulation von Briefwahlunterlagen vor sechs Jahren musste die Stadt Stendal am 9. November 2014 die Briefwahl und am 21. Juni 2015 die Stadtratswahl wiederholen. 49.000 Euro an Schadenersatz stehen zur Debatte.
Sich das Geld nur vom 2017 wegen der Wahlfälschung verurteilten Ex-CDU-Stadtrat Holger Gebhardt zu holen, „genügt uns nicht“, sagte Rechtsamtsleiter Rüdiger Hell gegenüber der Volksstimme. Er und der beauftragte Rechtsanwalt Hennig von Katte von Lucke hätten große Zweifel, dass allein der zu zweieinhalb Jahren verurteilte Gebhardt den Betrug begangen hat. Sie sehen im Parteifreund und Kreischef einen Mittäter.
Während Kühnel bei den Anschuldigungen, die Gebhardt gestern wie schon 2018 vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags vortrug, vielfach lächelte, bezog er dann bei seiner Anhörung klar Position. So habe er weder den Auftrag zur Manipulation erteilt, noch Gebhardt erpresst. Er stritt jegliche Beteiligung am Wahlbetrug ab und begründete die „Dienste“, Wahlunterlagen auf Vorlage von Vollmachten im Rathaus abzuholen, mit „Verantwortung gegenüber den Mitgliedern“. „Ich war ihr Vertrauensmann bei der Wahl“, so Kühnel.
Dass die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ von Gebhardt so missbraucht wurde, habe Kühnel enttäuscht. Von noch einer tieferen Enttäuschung, „der bislang schwersten meines Lebens“, sprach Hardy Peter Güssau. Der Landtagsabgeordente war als Zeuge geladen, um die Mittäterschaft von Kühnel aufzuklären. Güssau bekräftigte, nichts von dem Betrug gewusst zu haben. Bis zur Aufdeckung des Skandals im November 2014 habe er zu „seinem Freund“ gehalten.