Volksstimme-Serie "Hinter alten Inschriften" / Heute: Das Schlobach-Haus in der Hohen Bude Wo Altmärker ihre Wäsche waschen ließen
In unserer Serie "Hinter alten Inschriften" schauen wir hinter die Fassaden historischer Gebäude in Stendal. Wir spüren die Menschen hinter diesen Schriftzügen auf und lassen sie ihre Geschichte erzählen. Heute: Das Schlobach-Haus an der Hohen Bude.
Stendal l Schwach sind die Erinnerungen. Doch nach etwas Nachdenken fällt ihr etwas ein. Aufregend sei ihr erster Gang in die Wäscherei gewesen. "Große Maschinen und Trockner standen dort. Vor allem aber war es laut. Nicht so wie die Maschinen heute", erzählt Margarethe Weißenborn. Als ganz junges Mädchen betrat sie erstmals das Gebäude Hohe Bude 12. Dort, wo heute regionale Speisen und Getränke angeboten werden, wurde bis zur Wende dreckige Wäsche gewaschen - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Annahmestellen in der gesamten Altmark
1909 pachtete Paul Schlobach das Gebäude von Fritz Müller, wenige Jahre später kaufte er es. Seitdem prangt auf der Hauswand weithin sichtbar der Schriftzug "Geschwister Schlobach". Und noch mehr steht dort: "Erste Stendaler Dampfwäscherei, Kunstfärberei, Chemische Reinigungs-Anstalt und Plisseebrennerei". Schon diese Aufzählung belegt: Schlobachs waren erfolgreiche Geschäftsleute. Doch sie waren nicht die Ersten. Aufgebaut wurde die Wäscherei von Fritz Müller. Eben dieser kam auch auf die Idee, das heiße Wasser, das zum Waschen benötigt wurde, auch für ein Bad zu verwenden. So entstand das neben der Wäscherei gelegene Victoriabad.
Aber richtig groß wurde die Wäscherei erst unter Paul Schlobach und ab dessen Tod 1918 durch den Sohn Fritz. "Das war bei weitem die größte Wäscherei am Platz", erinnert sich Margarethe Weißenborn. Als Kind wurde sie regelmäßig von ihrer Mutter zu Schlobachs geschickt, um Wäsche zu bringen und abzuholen.
Die Stendaler Wäscherei wurde schnell so etwas wie der Hauptsitz eines Unternehmens. Mit ihren Fahrzeugen fuhren Schlobachs und ihre Mitarbeiter etwa 90 Annahmestellen in der gesamten Altmark an. "Es sah jedenfalls immer nach Arbeit aus", berichtet Margarethe Weißenborn. Etwa 50 Wäscherinnen, Fahrer und Handwerker waren in den 1930er und 1940er Jahren im Dienste der sauberen Wäsche bei Schlobachs angestellt. Aber wie so oft veränderte auch hier der Krieg vieles. Die sowjetische Armee übernahm nach Kriegsende die Wäscherei. Doch Fritz Schlobachs Wissen wurde weiter gebraucht. Bis zu seinem Tod 1968 führte er als Letzter seiner Familie die Wäscherei.
Endgültiges Ende kam 1993
Was blieb, war der Name. Bis zur Wende nutzte das Sowjetmilitär die Wäscherei für die Uniformen der Soldaten. Dem Volk war der Zugang verwehrt. Nur Plissees wurden dort für die Stendaler Bürger gewaschen. 1993 schließlich wurde die Wäscherei endgültig geschlossen. Wie so viele Gebäude geriet das Schlobach-Haus in Vergessenheit. Thomas Richter-Mendau war es, der dem Ensemble wieder Leben einhauchte. Mit seiner Firma baute er das Gebäude um und renovierte es. Mit Erfolg: Heute leben neben Margarethe Weißenborn noch weitere Senioren in barrierefreien Wohnungen. Seit Kurzem kann man im "Bistro Regional" speisen. Und auch der Name Schlobach ist wieder präsent. Denn die Inschriften an der Fassade wurden erneuert und bezeugen ein Stück Stendaler Geschichte.