Zukunft Altmark Altes Getreide neu entdeckt
Bio-Bauer Christian Warnke aus Cobbel sieht noch großen Änderungsbedarf im Ökolandbau. Er hat sich auf Buchweizen spezialisiert.
Cobbel l So mancher gestandene Bauer stellt sich angesichts des weißblühenden Feldes am Dorfrand von Cobbel in der Einheitsgemeinde Tangerhütte die Frage nach dem Namen der Kultur und deren Nutzen. „Buchweizen“, antwortet Christian Wanke und kommt ins Schwärmen. Die Körner sind glutenfrei, können zu Graupen, Grütze, Grieß oder Mehl verarbeitet werden, sind auch von Müsliherstellern gefragt. Die Wurzeln verdrängen das Unkraut, die Pflanzen machen für nachfolgende Kulturen Phosphor verfügbar. „Die Imker stehen bei uns Schlange“, macht der diplomierte Landwirt auf die Bedeutung als Bienenweide aufmerksam.
Warnke gibt aber zu, dass er bis vor wenigen Jahren Buchweizen auch nur aus den Überlieferungen der Altvorderen kannte. Bevor er Landwirtschaft studierte, hatte er bereits die Abschlüsse aus Physiker und Historiker in der Tasche. In Ackerbau und Viehwirtschaft lässt er diese Professionen mit einfließen. Als Historiker hinterfragt er, wie es einst, als das Ökosystem noch funktionierte, auf dem Acker in der Region ausgesehen hatte, was angebaut wurde, welche Erfahrungen Bauerngenerationen vor ihm mit den Kulturen sammelten. Als Naturwissenschaftler interessieren ihn die Wechselwirkungen der verschiedenen Kulturen in der Fruchtfolge.
Platz, um sich zu versuchen hat Warnke genug. Er bewirtschaftet rund 1900 Hektar in sieben Gemarkungen ökologisch, damit dürfte er den größten Biobetrieb Sachsen-Anhalts leiten. Entsprechend fällt auch sein erstes Fazit aus: „Die Unternehmensgröße lässt keine Schlüsse darauf zu, ob der Bauer ein guter oder schlechter Naturschützer ist.“
Entscheidend sei die Größe der Schläge. Eine Kultur sollte nicht auf mehr als zwölf zusammenhängenden Hektar stehen. Wird geerntet, können Wildtiere immer noch auf angrenzenden Flächen Sicherheit und Nahrung finden. Die Vielfalt ist also in der Ackerlandschaft gefragt.
Entsprechende Strukturen halten teilweise auch konventionell wirtschaftende Kollegen vor, nicht unbedingt alle Biobauern. Die EU-Öko-Verordnung, der kleinste gemeinsame Nenner der europäische Mitgliedsstaaten bezüglich der biologischen Wirtschaftsweise, untersagt beispielsweise keine Monokulturen. In den Richtlinien steht nichts über die Schlaggröße. Deshalb Warnkes zweites Fazit: „Ich unterscheide nicht vorrangig zwischen konventionellen und Biobauern, für mich gibt es weitere Kriterien für gute und schlechte Bauern.“
Sein drittes Fazit: „Ein guter Landwirtschaftsbetrieb braucht die Vieh-Haltung.“ Auch hier kann Warnke positive konventionelle Beispiele aus der Nachbarschaft nennen, dagegen auch Öko-Betriebe, die allein auf Ackerbau spezialisiert sind. Stallmist ist für den Humusgehalt im Boden aber genau so wichtig wie eine gute Fruchtfolge. Warnke setzt mit neun Jahren auf eine mindestens doppelt so lange Fruchtfolge wie üblich, hat aktuell 15 Kulturen im Anbau und zum Betrieb gehören Milch- und Mutterkühe sowie Schafe.
Gern würde er auch noch Schweine halten. Hier stellte er sich wiederum die Frage: Wie viel Borstenvieh gab es früher in einem Durchschnittsdorf in der Tangerregion? „Nicht mehr als 300 Stück“, so seine Antwort. Sofern ein Landwirt nicht gerade Direktvermarkter ist, kann er heute mit diesen Größenordnungen aber selbst mit finanziellen Anreizen für Biofleisch kein Geld mehr verdienen. Da muss in Tausenden gerechnet werden. Ein Beispiel dafür, dass auch Öko den Zwängen des Marktes unterworfen ist.
Die idealistischen Bio-Pioniere der 60er, 70er und 80er Jahre mussten schwere Anpassungsprozesse an die Marktzwänge durchstehen oder blieben auf der Strecke. Entsprechend fällt auch das vierte Fazit Warnkes aus: „Die europäische Agrarpolitik muss sich ändern.“ Diese sei zu stark exportorientiert, „der freie Markt fällt uns auf die Füße.“ Statt „per Gießkanne“ müsse der Mehrwert gefördert werden und dieser bleibe im Idealfall in der Region.
Um Cobbel gibt es einen Mehrwert, der sich für Warnke nicht unbedingt zwischen Daumen und Zeigefinger bemerkbar macht. Die Jäger melden ihm, dass in der Gemarkung wieder mehr Hasen hoppeln, man wieder mehr Fasane sieht und auch das Rebhuhn zurückkommt. Man hört die Feldlerche, auch ohne dass viel gepriesene und geförderte Lerchenfenster angelegt wurden. Aktionismus zum Schutz einer oder weniger Tierarten bringt nichts. „Wir müssen das Ökosystem als Gesamtheit betrachten“, so das fünfte Fazit Warnkes.