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Zukunft Altmark Los, wir legen zusammen!

Für einen Reiseführer über die Altmark sucht eine Stendalerin Startkapital über das Internet. Crowdfunding heißt das Geschäftsmodell.

Von Barbara Hallmann 15.03.2018, 11:04

Stendal l Bauernhof-Ausbau, Reiseführer oder das erste eigene Studioalbum: Nicht jedes Projekt in der Altmark lässt sich mal eben so aus der eigenen Portokasse bezahlen – und wer auf öffentliche Förderung setzt, braucht einen extrem langen Atem. Deshalb greifen hiesige Initiatoren jetzt zunehmend auf ein Prinzip zurück, das sich vor etwas mehr als fünf Jahren in vielen Ländern etabliert hat: Die Geldbeschaffung aus der Gemeinschaft via Internet.

Diese Idee nennt sich Crowdfunding, was sich aus den englischen Begriffen für „Menschenmenge“ und „Finanzierung“ zusammensetzt. Das Prinzip besteht in den allermeisten Fällen darin, dass man sein Vorhaben so gut wie möglich vorstellt – unter anderem über ein Video – und im Gegenzug für jede Finanzspritze eine entsprechende Leistung oder ein Dankeschön anbietet, zum Beispiel ein handsigniertes Exemplar des fertigen Buches, eine Einladung zur VIP-Eröffnungsfeier oder eine Erwähnung des jeweiligen Sponsors auf der Internetseite des Projektes.

So sammeln zum Beispiel Josephine Zöllner und Roland Kühe aus Ladekath bei Arendsee Geld für den Ausbau ihres Landgutes zum Ferienhof, unter anderem für Yogakurse. Sie wollen eine vollbiologische Kläranlage einrichten und einen ehemaligen Rinderstall zum Seminarhaus umbauen. Schon den Kauf ihres Hofes finanzierten sie über Crowdfunding. Und sie sind nicht das einzige erfolgreiche Projekt: Die Band „Elephants on Tape“, deren Sängerin Lisa Zwinzscher in Werben aufwuchs, konnte für die finalen Produktionsschritte ihres ersten Albums mehr als 7000 Euro einsammeln. Und das auch dank der Unterstützung aus dem Kavaliershaus Krumke. Als Gegenleistung und Dankeschön für das finanzielle Engagement von Eigentümerin Annegret Spillner wird dort am 23. Juni ein Konzert stattfinden.

„Aber es gab auch viele andere Finanzierer aus der Altmark“, erzählt Lisa Zwinzscher. Der Vorteil einer solchen Sammelaktion: Man ist dank Internet nicht an einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit gebunden, das Geld kann im Prinzip während der Laufzeit der Sammelaktion aus der ganzen Welt kommen. Doch das alles funktioniert trotzdem nur, wenn man gut vernetzt ist und ordentlich die Werbetrommel rührt.

Und genau das ist harte Arbeit und kann leicht zum Vollzeitjob werden, sagt auch Sibylle Sperling. Die Autorin aus Stendal arbeitet an einem Buch mit dem Titel „Sommer in der Altmark“. Auf die Idee brachte sie auch der Mangel an Reiseführern, die sich nur der Region widmen. Stattdessen sah sie sich nach dem Besuch der hiesigen Touristinformationen stets mit einem unübersichtlichen Paket an Flyern und Broschüren konfrontiert. Seit mehr als einem Jahr arbeitet sie nun an der Umsetzung ihrer Idee und schaltet in diesen Tagen gemeinsam mit einem Berliner Verlag ihre Crowdfundingaktion online: „Wir haben ein Video gedreht und werden vielerorts auf die Aktion aufmerksam machen – in der Altmark und in Großstädten wie Hamburg oder Berlin gleichermaßen“, berichtet sie. Die Altmark empfänden die Großstädter als wohltuenden Ausgleich zum Stadtstress. „Sie übernachten im Zelt, machen eine Kanufahrt auf der Biese, feiern Geburtstag in der Heuherberge oder knattern mit der Schwalbe über die Dörfer – und finden das total cool.“ Die Gegend gelte derzeit – im Gegensatz beispielsweise zur Uckermark – als Geheimtipp.

Dennoch: In der Verlagsbranche fehlt das Geld für derlei Projekte, die zwar liebenswert sind, aber keine Chance haben, die Bestsellerlisten anzuführen. Vorerst ist für den Reiseführer „Sommern in der Altmark“ eine Auflage von 1000 Stück angedacht. Rund die Hälfte des Netto-Verkaufspreises jedes einzelnen Exemplars bekommt der Buchhandel. Aber Großhändler wie Amazon verlangen oft mehr; andernfalls streichen sie den Titel aus ihrem Sortiment. Will man den Verkaufspreis nicht ins Unermessliche treiben, bleiben für die gesamte Produktion und den Vertrieb eines solchen Buches oft nur wenige Euro übrig. Und so arbeiteten Sibylle Sperling, alle ihre Gastautoren sowie der Fotograf und die Illustratorin bisher ohne jede Bezahlung.

Doch das ist – genau genommen – schon die luxuriöse Variante: Nicht selten müssen Autoren, die kleine Buchprojekte verwirklichen wollen, dem Verlag sogar eine gewisse Summe zahlen. Damit das nicht passiert, gehen Sibylle Sperling und ihr Berliner Verleger jetzt den Weg des Crowdfunding und bieten für eine Finanzspritze zum Beispiel kostenlose Exemplare des fertigen Buches oder Erlebnisgutscheine für die Region an.

Und sie ist optimistisch: „Auch andere Buchprojekte mit einem gewissen Anspruch sind diesen Weg erfolgreich gegangen, zum Beispiel ein Pilger-Reiseführer für’s Havelland.“ Gelingt die Finanzierung über Startnext soll der besondere Reiseführer im Sommer in Druck gehen. Und schon kurze Zeit später könnte das fertige Buch dazu führen, dass auch die Altmärker – seien es nun alteingesessene oder später dazugekommene – ihre Heimat mit neuen Augen sehen und Orte entdecken, die sie bisher noch nicht kannten.

Mehr Infos im Internet: www.startnext.com/in-the-middle-of-nuescht