Namensänderung Kita in Sachsen-Anhalt soll nicht mehr „Anne Frank“ heißen
Das Kuratorium der Kita „Anne Frank“ in Tangerhütte will die Einrichtung künftig nicht mehr nach dem jüdischem Mädchen benennen. Bürgermeister und Leiterin erklären die Beweggründe.
Tangerhütte - In Zeiten des Krieges in Nahost und massivem Antisemitismus auch in Deutschland, soll die Kindertagesstätte „Anne Frank“ in Tangerhütte einen neuen Namen bekommen. Dafür hat sich das Kuratorium der städtischen Einrichtung ausgesprochen.
Künftig soll die Kita den Namen „Weltentdecker“ tragen. Eine Mutter aus Tangerhütte (Name der Redaktion bekannt) ist entsetzt über die Pläne und wandte sich an die Volksstimme. Die Kita bekam ihren Namen Anfang der 1970er Jahre mit dem Bau des Objekts. Schon ihre eigene Mutter sei als Kind in der „Anne Frank“ betreut worden, erzählt die Tangerhütterin. Dass der Name jetzt verschwinden soll, das ärgere ihre ganze Familie. Auch weil so das Andenken an das jüdische Mädchen, deren Geschichte durch ihr Tagebuch weltberühmt wurde, ein Stück weit verloren gehe.
Update vom 6. November: "Weltentdecker" statt "Anne Frank"? Aktuelle Entwicklung aus Tangerhütte
Namensänderung der Kita „Anne Frank“: Weltpolitik zweitrangig?
Der Wunsch, den Namen zu ändern, kommt laut Stadtverwaltung von Eltern und Mitarbeitern der Kita. Leiterin Linda Schichor spricht auf Volksstimme-Nachfrage von einem Veränderungsprozess, der seit dem Sommer laufe. Der Kinderrat der Einrichtung habe einen Namen gewählt, der kindgerechter sei. Die Geschichte der Anne Frank sei laut Leiterin gerade für kleine Kinder schwer fassbar. Auch Eltern mit Migrationshintergrund könnten mit dem Namen oft nichts anfangen. „Wir wollten etwas ohne politische Hintergründe“, sagt Schichor. Aktuell laufe auch eine Unterschriftensammlung für den neuen Namen unter den Eltern.
Die Namensänderung gehe laut Andreas Brohm (parteilos), Bürgermeister von Tangerhütte, mit einem neuen Konzept einher. So sei die Kita heute offener als früher und fördere viel stärker die Selbstbestimmtheit und Vielfältigkeit der Kinder. „Der Einrichtung ist es wichtig, diese konzeptionelle Veränderung auch nach außen sichtbar zu machen“, sagt Brohm. Er sieht angesichts des Krieges in Nahost keine Notwendigkeit, neu über den Namen zu diskutieren: „Wenn Eltern und Mitarbeiter einen Namen möchten, der das neue Konzept besser abbildet, hat das gegenüber der weltpolitischen Lage mehr Gewicht.“
Wer war Anne Frank?
- 1929 in Frankfurt als Kind jüdischer Eltern geboren, flüchtete Anne Frank mit ihrer Familie vor den Nazis nach Amsterdam.
- Sie lebten ab 1942 versteckt in einem Hinterhaus, bis sie 1944 verraten und deportiert wurden.
- Anne Frank starb mit 15 Jahren im KZ Bergen-Belsen.
- Ihr Tagebuch ist eines der meistgelesenen Bücher der Welt und eine Mahnung vor Rassismus, Antisemitismus und Völkermord.
Ähnlicher Fall in Thüringen: Kita verzichtete auf Namensänderung
Wolfgang Schneiß, der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus, äußerte sich zu der Namensänderung differenziert: „Ich verstehe den positiv gemeinten Impuls, aber bedauere, dass dadurch ein Ort wegfällt, der an Anne Frank erinnert.“
Als ein Kindergarten in Thüringen vor zwei Jahren den Namen des Mädchens ablegen wollte, reagierte die Jüdische Landesgemeinde empört. Schon damals argumentierte man mit dem aufkeimenden Antisemitismus. Der dortige Bürgermeister ruderte daraufhin zurück.
In Tangerhütte müsse letztlich der Stadtrat entscheiden, sagt Bürgermeister Andreas Brohm. Bei der Umbenennung gebe es aber noch keinen Zeitplan und auch keinen Zeitdruck.