Halter werfen ihre Haustiere nachts ins Streichelgehege im Wernigeröder Christianental Ausgesetzte Meerschweinchen werden im Wildpark an Raubvögel verfüttert
Wildpark-Praktikantin Anja Paul hat wieder zwei ausgesetzte Meerschweinchen im Streichelgehege im Wernigeröder "Christianental" gefunden. Die Nager erwartet ein trauriges Schicksal: Sie werden an die Raubtiere verfüttert.
Von Julia Angelov
Wernigerode l Sie kommen mitten in der Nacht in den Wildpark, entsorgen ihre Haustiere im Gehege und fahren heimlich und unbemerkt davon: dreiste Halter, die keine Lust mehr haben, sich um ihre Heimtiere zu kümmern. Als Praktikantin Anja Paul im Wernige-röder Wildpark "Christianental" vor wenigen Tagen einen Blick in das Streichelgehege wirft, kann sie es nicht fassen. "Schon wieder haben Fremde heimlich Kleintiere in den abgezäunten Bereich geworfen", sagt sie empört. Diesmal sind es zwei Meerschweinchen, die lieblos ausgesetzt wurden.
Die traurige Liste der ungeliebten Haustiere wird von Woche zu Woche länger. "Fast jede Woche werden Tiere bei uns ausgesetzt", sagt Wildpark-Mitarbeiterin Jennifer Wetzig-Mänz. Wahrscheinlich vermuten die Halter, dass ihre Haustiere im Christianental ein friedliches Leben unter Artgenossen führen können.
Manche würden laut Frank Lüddecke, dem Wildpark-Vize, auch vorher bei ihm anrufen. "Sie fragen dann ganz beschämt, ob wir ihre Hamster, ihre Kaninchen oder Meerschweinchen aufnehmen", sagt er. "Meistens behaupten die Leute, dass ihre Wohnung plötzlich zu klein geworden ist oder ihr Kind aus dem Nichts heraus eine Allergie gegen Tierhaare bekommen hat." Mit einer Spende und einem Futterpaket würde er die Tiere sogar in Ausnahmefällen aufnehmen. Lüddecke: "Das ist der elegantere Weg, den aber die wenigsten Menschen wählen."
Die ausgesetzten Tiere erwartet im Park kein rosiges Schicksal, denn die bestehende Gruppe im Streichelgehege akzeptiert die fremden Nager in den meisten Fällen nicht. Es folgen blutige Rangordnungskämpfe. Aus diesem Grund müssen die Tiere von den Mitarbeitern isoliert und selektiert werden.
Dann folgt das, was viele angebliche Tierfreunde, die ihre Haustiere im Wildpark aussetzen, oft nicht wahrhaben wollen: "Die Meerschweinchen und andere Nager werden als Futter für die Wildkatzen und Raubvögel verwendet", sagt Frank Lüddecke und erklärt: "Beim Wildpark handelt es sich nicht um ein Tierheim." Das Christianental habe weder finanziell noch räumlich die Kapazitäten, so viele Kaninchen und Meerschweinchen aufzunehmen. "Außerdem können die Tiere Krankheiten übertragen", warnt er. Nicht selten stecken die fremden Nager ihre Artgenossen an. Oder aber sie sind nicht kastriert, und Frank Lüddecke und sein Team müssen sich später noch um den zahlreichen Nachwuchs kümmern.
Falsch verstandene Tierliebe zeigt sich in den Herbstmonaten auch an der Futterflut, die Besucher in die Gehege werfen. "So viele Kastanien, Nüsse und Eicheln schafft nicht mal Hirsch Heinrich", erklärt Lüddecke. "Aber wir brauchen das Futter für die Wintermonate und lagern es gerne ein, wenn es Besucher bei uns am Wirtschaftsgebäude abgeben."