Corona-Lockdown Blankenburger Unternehmer fordern Perspektive
Sachsen-Anhalt-weit protestieren Friseure und Kosmetiker gegen Zwangsschließungen wegen Corona, darunter zwei Blankenburger Unternehmer.
Blankenburg l „Früher haben wir die Jalousie im Schaufenster heruntergelassen als Zeichen für unsere Kunden, dass wir Urlaub haben“, erzählt Uhrmacher Holger Löhr. In diesen Tagen verdunkelt erneut die Jalousie die breite Auslage seines Fachgeschäftes in der Blankenburger Mauerstraße – allerdings nicht wegen Urlaub, sondern als Zeichen des Protestes. Löhr beteiligt sich ganz bewusst an einer Aktion, zu der die Handwerkskammer Magdeburg mit ihren Mitgliedsbetrieben aufgerufen hat. Initiiert ursprünglich von den Friseur-, Kosmetiker- und Fußpflegeunternehmen. Doch deren Sorgen sind auch Holger Löhrs Sorgen: „Die Politik verspricht Milliarden-Hilfen, wer aber eine Soforthilfe benötigt, muss zehn Wochen warten, bis er sie bekommt. Da erschließt sich mir schon nicht der Sinn des Wortes ,sofort‘“, sagt der Diplom-Ingenieur für Feinwerktechnik, der 2014 das Geschäft von seinem Vater, Uhrmachermeister Helmut Löhr, übernommen hat.
Auch er ist vom neuerlichen Lockdown betroffen, wenn auch nicht ganz so hart wie andere Branchen. Zwar hat er sein Ladengeschäft schließen müssen, in seiner Werkstatt darf er aber weiterhin Uhren und Schmuck reparieren. Zum Abholen müssen die Kunden an der Ladentür klingeln. Bedient werden sie mit Maske vor der Tür. Steht nur der Wechsel einer Uhrenbatterie an, erledigt das Holger Löhr sofort. Die Kunden müssen dann aber einige Minuten in der Kälte stehen. „Ich stelle aber auch schon mal einen Stuhl raus“, erzählt der 64-Jährige.
Für ihn ist es durchaus nachvollziehbar, dass alles Mögliche unternommen werden müsse, um die „Chinesische Grippe“, wie er die Covid-19-Erkrankung nennt, in den Griff zu bekommen. Allerdings vermisse er eine breitgestreute soziale Unterstützung: „Wichtig ist doch, dass nicht nur grüppchenweise geholfen wird, sondern der Masse“, so Holger Löhr, der besonders an die Hoteliers denkt, an Gastronomen, Veranstalter und eben an die Friseure.
Er selbst zahle als Soloselbstständiger beispielsweise in die Arbeitslosen-Versicherung ein. „Damit finanziere ich quasi das Kurzarbeitergeld für Angestellte mit“, erläutert er. Er selbst bekomme dagegen keinerlei finanzielle Hilfe von der Arbeitsagentur. Ganz im Gegenteil: „Da bekommt man die Antwort, dass man ja Arbeitslosengeld beantragen könne, wenn das Geschäft ganz zu ist. Und man könne auch zum Sozialamt gehen.“ Für den Unternehmer ein Schlag ins Gesicht. „Deshalb muss sich die Politik Gedanken machen für gleichberechtigte Hilfen über die gesamte Gesellschaft hinweg und nicht nur punktuell. Deshalb unterstütze ich auch voll und ganz die Forderung der Friseure. Und deshalb habe ich auch die Schilder am Schaufenster angebracht.“
„Wenn Ihr weiter nur die Großen rettet, könnte es HIER bald SO aussehen! WIR BRAUCHEN EINE PERSPEKTIVE!“ steht in großen Lettern auch in den Schaufenstern und an der Tür des Kosmetik- und Fußpflege-Salons von Andreas Grabe in der Blankenburger Mühlenstraße. Der Unternehmer, der vor knapp einem Jahr das Studio von seiner Frau übernommen hat, steht ebenfalls voll hinter dieser Aktion der Handwerkerschaft. „Genau darum geht es: Wir brauchen eine Perspektive, damit wir planen können“, sagt Andreas Grabe, der verlässliche politische Aussagen vermisst. Dabei gehe es nicht nur darum, dass Unternehmer Geld erwirtschaften müssen, um ihre Mitarbeiter bezahlen zu können. „Wir zahlen auch Steuern, von denen letztlich die Stadt und der Staat leben. Wenn immer mehr Betriebe diese Steuern nicht mehr zahlen können, richtet das noch viel größeren Schaden an“, macht er deutlich. Zudem kritisiert er die angekündigten Staatshilfen: „Es gibt Handwerksbetriebe, die warten seit November. Wer aber dringend auf das Geld angewiesen ist, braucht es doch jetzt und nicht erst Monate später.“
Darüber hinaus ärgern ihn nicht nachvollziehbare Entscheidungen im Umgang mit den Unternehmen. So habe er beispielsweise die Genehmigung des Kreis-Gesundheitsamtes, dass seine beiden Mitarbeiterinnen medizinische Fußpflegen ausführen dürfen. Die jüngste Landesverordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie bestimme aber, dass diese Arbeit derzeit ausschließlich von Podologen übernommen werden dürfe. Für Andreas Grabe ein gelenkter Eingriff in den Wettbewerb. „Meine Frau hat drei Jahre lang an der medizinischen Fachschule in Magdeburg ihre Facharbeiterausbildung absolviert. Wir halten sämtliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen ein, haben eine Genehmigung und dann darf sie das alles plötzlich nicht mehr machen?“
Andreas Grabe tun aber vor allem die Menschen Leid, die auf diese Dienstleistungen dringend angewiesen sind. „Uns haben Kunden weinend angerufen, weil sie eine solche Behandlung benötigen, weil sie eben selbst nicht mehr an ihre Füße herankommen“, so der Unternehmer, der sich im Vorfeld gewünscht hätte, dass die Politik sich mit der Handwerkskammer bestimmte Entscheidungen bespricht.
Und das sehen nicht nur die beiden Unternehmer so, die gestern in Blankenburg dem Aufruf der Handwerkskammer Magdeburg gefolgt waren. In Osterwieck machten beispielsweise gleich 19 Friseurinnen aus fünf Filialen auf ihre existenzbedrohende Lage aufmerksam. Denn, so warnt auch Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, steige die Gefahr einer Schattenwirtschaft: „Sollten die Geschäfte nicht öffnen dürfen, wird etwa zum Haareschneiden auf die heimische Küche ausgewichen. Und dort gibt es weder Mindestabstände noch Masken oder Kontaktdaten-Dokumentation.“