Brandopfer Meurer: „Die erste Woche war ein Blindflug“
Nichts, außer dem, was sie anhatte, ist Angelika Meurer geblieben. Ihr Haus im Voigtstieg ist Ende April vollständig abgebrannt.
Wernigerode l „Es ist erst einmal alles ganz unwirklich. Man steht da mit einer Reisetasche in der Hand und für alle um einen herum geht das Leben weiter. Man selbst realisiert gar nicht, was da passiert ist.“ Angelika Meurer ist immer noch der Schock anzumerken, der ihr vor knapp drei Wochen widerfahren ist. Das Haus der 55-jährigen Wernigeröderin ist in der Nacht zum 25. April abgebrannt.
Es ist Sonntag, 24. April, im Voigtstieg, einer kleinen Wohnsiedlung zwischen Wernigerode und Elbingerode. „Ich bin wie jeden anderen Abend auch ins Bett gegangen“, erinnert sich Angelika Meurer. Irgendwann wird sie wach. Es ist 2.30 Uhr. Die Katze mauzt. „Das macht sie häufiger. Aber diesmal wusste ich sofort: Etwas ist anders.“ Instinktiv sieht sie aus dem Fenster.
In der Spieglung in den Scheiben eines Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite sieht sie, dass es hell ist in ihrer Garage. Sie begreift sofort, dass es brennt. „Ich habe direkt die Feuerwehr angerufen“, sagt sie. „Dann habe ich mich angezogen und bin zu meinem Nachbarn gegangen, um ihn zu wecken. Aber er schlief tief und fest.“
Niemals, so sagt sie, habe sie zu diesem Zeitpunkt vermutet, dass die Flammen kurze Zeit später auf ihr Haus übergreifen würden. „Ich stand vor dem Haus und habe mit meiner Nachbarin auf die Feuerwehr gewartet. Ich dachte die ganze Zeit: Wann sind sie endlich da?“ Es sei zwar schnell gegangen, doch die Sekunden kamen ihr wie Stunden vor.
Nach und nach greifen die Flammen auf das Wohnhaus über. „Dann waren sie plötzlich da. Es wurden immer mehr.“ 52 Brandschützer sind im Einsatz.
Sie habe gar nicht erst versucht, noch einmal ins Haus zu gelangen. „Man hätte mich doch sowieso nicht gelassen. Ich habe mich meinem Schicksal ergeben.“ Letztlich sei sie froh, dass das Feuer nicht auf die Nachbarhäuser übergegriffen ist.
Fast 30 Jahre hat Angelika Meurer in dem jahrhundertealten Fachwerkhaus gewohnt. Einst stand dort eine Marmormühle und -schleiferei. Mit den Nachbarn bildet sie eine eingeschworene Gemeinschaft. Alle kennen sich, sind befreundet. „Meine Nachbarin hat mir nachts noch ein paar Sachen zusammengepackt.“ Nichts, außer dem, was sie am Körper trägt, und ihre Katze bleiben der Sachbearbeiterin, die in der Nationalparkverwaltung arbeitet. „Die erste Woche war ein Blindflug“, sagt sie rückblickend. Es sind vor allem Behördengänge und Telefonate, die dringend erledigt werden müssen. „Ich musste Wasser, Strom und Gas abmelden und die Versicherungen kontaktieren“, erklärt sie.
Ihre Tochter Anne, bei der sie derzeit noch wohnt, habe sie sehr dabei unterstützt. In der Nacht des Feuers kommt Anne Meurer dazu, als das Wohnhaus bereits in Flammen steht. „Das war ein Schock für sie. Ich hatte ja die Entwicklung vom Garagenbrand zum Großbrand miterlebt. Aber sie kam dazu, als es richtig brannte.“ Wenig später ist klar: Alles ist verloren.
Das Haus wird von der Versicherung als „Totalschaden“ eingestuft. Es muss abgerissen und entsorgt werden. Die Versicherung habe schnell und unkompliziert reagiert – trotz Feiertagen. Wahrscheinlich werde sie es wieder aufbauen. Die Alternative, wegzuziehen, habe sie mittlerweile verworfen. „Ich bin Wernigeröderin durch und durch und kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben.“
Dankbar sei sie für all die Unterstützung, die ihr angeboten werde - ob im Bekanntenkreis, im Büro des Nationalparks oder in der Familie. „Was mich wirklich positiv überrascht hat, war, wie viele Leute Anteilnahme gezeigt haben“, sagt sie. „Viele haben geschrieben und angerufen, wollten ihre Hilfe anbieten. Das tut gut, auch wenn erstmal keiner helfen kann.“
Ein Brandursachenermittler hat mittlerweile den Brandherd ausgemacht. Es ist ein Kabel an der Autobatterie, das zu dem Feuer geführt hat.
Es sind die alltäglichen Dinge, die jetzt vor allem ersetzt werden müssen. Von der Kaffeemaschine, über den Geschirrspüler bis hin zum Trockner, der erst einige Wochen alt war, ist alles durch das Löschwasser zerstört worden. Besonders ihre Bücher und ihre Bilder fehlen ihr. „Mein ganzes Leben habe ich gesammelt. Das Haus war mein Zuhause, es hatte eine Seele. Die hat ein neues Haus nicht, so schön es auch sein mag.“ Nicht nur ihr gesamtes Hab und Gut, auch die Sachen ihres Sohnes, der gerade sein Studium in Dresden beendet hat, seien bei dem Feuer zerstört worden.
Freunde von ihr haben ein Spendenkonto eingerichtet, das für die nötigsten Sachen genutzt wird. Die Organisatoren sind Peter und Birgit Kniep und Jens und Kerstin Kautschur. Das Spendenkonto läuft über Birgit Kniep: Harzsparkasse, IBAN DE50810520001901314517, BIC NOLADE21HRZ.