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Neue Fassaden – Alte Geschichten (Teil 14) Breite Straße 61: Hier leben vier Generationen unter einem Dach

Von Ivonne Sielaff 07.07.2010, 15:12

In der Serie "Neue Fassaden - alte Geschichten" stellt die Harzer Volksstimme historisch interessante Häuser in Wernigerode vor. Mit diesem Thema haben sich Heimatforscher und Mitarbeiter der Oskar Kämmer Schule, unterstützt von der KoBa, befasst. Ihre Erforschung fließt in die Beschreibungen mit ein. Der Rundgang führt zur Breiten Straße 61, die Bewohner haben sich bei der Volksstimme dafür beworben.

Wernigerode. Schon fast ihr ganzes Leben lang wohnt Inge Bauer in der Breiten Straße 61. Ihr Vater Benno Lübcke kaufte das Fachwerkhaus 1936 von den Erben Lehmann. Damals war Inge Bauer 16 Jahre alt. Seither ist das Gebäude in Familienbesitz. Benno Lübcke, der eigentlich aus Hamburg stammte, eröffnete in Wernigerode bereits 1933 die Firma Belü. Das Geschäft befand sich zuerst in dem Gebäude, in dem heute Korbeichel ist. Im Sortiment: Geschenkartikel, Spielwaren und Haushaltswaren. Drei Jahre später zogen die Familie und das Geschäft schließlich in die Breite Straße 61 um.

Das Haus habe zu der Zeit ganz anders ausgesehen. "Es hatte über dem zweiten Obergeschoss noch einen Dacherker, der die benachbarten Häuser an Höhe überragte", erinnert sich die 89-Jährige. Bis zum Zweiten Weltkrieg. Am 22. Februar 1944 gegen 13.45 Uhr sei eine Bombe in unmittelbarer Nachbarschaft eingeschlagen. Durch den Druck der Explosion wurde das Haus, zu dem auch noch ein angrenzender Gebäudeteil in der Johannisstraße gehört, fast völlig zerstört.

Schon kurz darauf baute Familie Lübke ihr Haus wieder auf, das Geschäft sollte so schnell wie möglich öffnen. "Die Balken fürs Fachwerk haben wir uns damals aus anderen völlig zertrümmerten Gebäuden gezogen", sagt Inge Bauer. Viele hätten beim Wiederaufbau mitgeholfen. "Mittags zur Pause gab es immer Griesbrei." Der Laden öffnete bereits im Dezember 1944 wieder seine Pforten. Die Arbeiten am ersten Obergeschoss und am provisorischen Flachdach waren bald danach abgeschlossen. Für die zweite Etage erhielt die Familie lange keine Genehmigung. So konnte erst im Juli 1976 aufgestockt werden. Die Volksstimme schrieb damals: "Interessiert verfolgten die vielen Passanten den Fortgang der Arbeiten. Schon um 9.45 Uhr standen die ersten Bauteile für das Fachwerk, um 13.45 wurde bereits der vierte Dachbinder hochgezogen, und um 19 Uhr war das Dach schon fast eingedeckt."

Keller mit Gewölbe aus dem 17. Jahrhundert

Seither hat das Gebäude noch mehrere Ausbesserungen und Erweiterungen erlebt. So wurden zum Beispiel 1992 das Ladengeschäft vergrößert und modernisiert sowie 2004 der Dachstuhl stabilisiert, das Dach neu eingedeckt und die Fassade frisch gestrichen.

Inge Bauer fühlt sich in der Breiten Straße 61 noch immer wohl. Schließlich hat sie ihre Familie um sich. Vier Generationen leben derzeit unter einem Dach. Neben der 89-Jährigen auch Tochter Christine Schwertner (61), die das Familiengeschäft 1983 von Inge Bauer übernommen hatte – sie selbst hatte den Laden seit 1953 geführt. Außerdem wohnt auch Enkelin Anja (39) mit Ehemann Thomas Storm und Tochter Franziska (15) in dem Gebäude. "Ich kenne es nicht anders", sagt Anja Storm. "Ich selbst bin mit mehreren Generationen in einem Haus aufgewachsen."

Ein Haus, dessen Geschichte die Großfamilie noch immer interessiert und fasziniert. So hängen im Flur mehrere Rahmen mit historischen Fotos – die Breite Straße 61 im Wandel der Jahre. Und wie alt ist das Gebäude tatsächlich? "Schwer zu sagen", so Thomas Storm. In alten Dokumenten seien dessen Besitzer bis zurück zum Jahr 1656 verzeichnet. Der Keller mit seinen Gewölbedecken stamme auch aus dieser Zeit. "Aber vielleicht ist das Gebäude noch viel älter."