Entscheidung über zusätzliche Rettungslandeplätze im Brockengebiet lässt weiter auf sich warten CDU-Politiker wollen Hubschrauber jetzt aus der Warteschleife holen
Bereits im April beim Brockenstammtisch stand das Thema Luftrettung auf der Tagesordnung. Der Wirrwarr um zusätzliche Landeplätze sorgte für erregte Debatten (wir berichteten). Getan hat sich seither aber offensichtlich nichts. Die Arbeitsgruppe für Soziales der CDU-Fraktion im Landtag will den Prozess jetzt in Bewegung bringen.
Von Ingmar Mehlhose
Schierke. "Wir sind hier, weil wir wissen wollen, wie es aussieht mit der Bergrettung." Markus Kurze ist Sprecher der Arbeitsgruppe für Soziales der CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag. Der Burger war jetzt mit seinen Kollegen Kurt Brumme (Dessau-Roßlau), Eduard Jantos (Halle), Peter Rotter (Wanzleben) und Wigbert Schwenke (Magdeburg) einer Einladung ihrer Harzer Kollegin Angela Gorr gefolgt.
In der "Schierker Baude" hatten sich alle Partner eingefunden, die in dieses Metier involviert sind. So auch Michael Werner. Der Leiter des Eigenbetriebs Rettungsdienst der Kreisverwaltung Harz: "Wenn alles gut geht, dann sind wir mit dem Rettungswagen in einer halben Stunde ab Wernigerode hier." Allerdings gilt dies nur für das Brockenplateau und die Brockenstraße. Ein paar Meter weg davon im Wald "beginnen schon die Probleme". Eine reibungslose Zusammenarbeit setzt u. a. ortskundiges Personal in der Einsatzleitstelle voraus. Der erste Bruch war 2007 mit der Kreisgebietsreform zu spüren. Werner: "Wir haben Leute, die wohnen in Braunschweig." Schon deshalb sind die Fachleute strikt gegen eine weitere Zentralisierung.
Das will auch die CDU-Fraktion im Landtag nicht, betonte Markus Kurze. Der Arbeitsgruppenchef: "Wir wollen andere Probleme lösen, wie die unsicheren Ausschreibungen, die Notarztsituation und Kostenfragen." Und: "Es gab Einsparungen. Dabei muss es bleiben." Stattdessen geht es um das schnelle vor Ort sein der Retter. Kurze: "Wir favorisieren die Integrierte Leitstelle."
Werden die Helfer dort alarmiert, dann muss in manchen Fällen auch ein Rettungshubschrauber abheben. Michael Hetzer von der Luftrettung Wolfenbüttel steuert solch einen Helikopter. Hetzer: "Das Aufkommen hat sich erhöht. Die Berührungsangst, uns zu holen, ist gefallen." Knapp zehn Prozent aller Einsätze werden aus der Luft begleitet. Zuletzt waren es 140 im gesamten Land Sachsen-Anhalt.
"Schilder, damit Familie X dort nicht ihren Picknickkorb auspackt"
Zumindest auf und um den Brocken bedarf es dafür zusätzlicher Landeplätze. Und für die muss irgendwer die Verantwortung tragen, sekundierte Michael Werner. Seine Kritik: "Mit unserem Konzept sind wir nicht viel weiter gekommen."
Dabei herrscht im kleinen Kreis bereits seit langem Konsens, betonte Olaf Eggert. Der Revierförster im Nationalpark Harz: "Wenn ich das möchte, finde ich aus dem Stegreif 50 Plätze." Diese müssen aber mit einem Schild entsprechend gekennzeichnet sein. Eggert: "Damit Familie X nicht dort ihren Picknickkorb auspackt." Zuerst soll allerdings eine Aufstellung her, wo die meisten Einsätze stattfinden.
"Wir sind uns einig vor Ort. Aber die Zusammenarbeit auf ministerieller Ebene fehlt uns", bekräftigte Michael Werner. Und: "Was uns ärgert, ist die öffentliche Streiterei zwischen Ministerien um Zuständigkeiten." Es geht darum, dies zu ordnen, damit klar ist, wer als Ansprechpartner für die Retter fungiert.
Erich Goedecke führt den Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Wernigerode als Geschäftsführer und ist eigenem Bekunden nach seit 40 Jahren bei der Bergwacht engagiert. 25 davon hat er als Bereitschaftsleiter abgeleistet. Goedecke: "Wir sind das erste Glied in der Rettungskette, gerade an Wochenenden und Feiertagen." Derzeit agieren drei Gruppen in Wernigerode, Hasselfelde und Schierke mit rund 40 fachlich qualifizierten Kameraden. Die Technik wird mit Ausnahme eines 15 Jahre alten Motorschlittens vom DRK bereitgestellt. Das Revier hat einen Höhenunterschied von etwa 900 Metern. 2009 mussten 47 Einsätze abgesichert werden, in diesem Jahr bislang 16.
Erstes Problem dabei, so Goedecke: Wenn Touristen verunglücken, melden sie oder ihre Begleiter sich zwar per Telefon bei der Bergwacht. Der Kreischef: "Die Informationen sind aber meist wirr und dehnbar. Wir müssen erst recherchieren, wo sie sich tatsächlich befinden." Zudem sind die Karten oft ungenau. Auf diese Weise geht sehr viel Zeit verloren. Erich Goedecke: "Ich erwarte, dass wir Beachtung finden im Rettungsdienstgesetz." Und: "Bergrettung ist nicht die Aufgabe des DRK, aber wir übernehmen sie natürlich gern." Das Rote Kreuz ist zudem keineswegs verpflichtet, Rettungspunkte festzulegen, "denn wir haben kein GPS".
"Ohne Pieper kann die Bergwacht Brieftauben schicken"
"Herr Goedecke ist wie ein Bettler. Immer Bittsteller", bestätigte Michael Werner das Dilemma. Die Retter haben "keine Möglichkeit, jemanden ans Schlawittchen zu kriegen". Der Betriebsleiter: "Wenn wir keine digitalen Pieper erhalten, kann die Bergwacht Brieftauben schicken."
Laut Markus Kurze haben die Politiker erst zu Beginn dieses Jahres von den geschilderten Sorgen erfahren. Auf die Frage, warum die Betroffenen sich nicht schon früher gemeldet hätten, hieß es: Die Minister wissen das schon länger. Im dritten Quartal soll den Politikern von ihnen dazu Bericht erstattet werden. Der Sprecher: "Das dauert uns zu lange. Deshalb arbeiten wir parallel." Noch in diesem Jahr muss eine kleine Gesetzesnovelle vorliegen, 2011 dann die große.
Nach gut einer Stunde verabschiedete sich die Arbeitsgruppe in Richtung Brocken. Um sich "vor Ort die Gegebenheiten anzuschauen", wie Angela Gorr es formulierte.