Brauerei-Konzern Der geheimnisvolle Käufer von Hasseröder
Daniel Deistler, Finanzinvestor aus Hessen, ist der neue Eigentümer der Hasseröder Brauerei in Wernigerode. Wer ist der Käufer wirklich?
Wernigerode l Es ist eine Woche her, dass Daniel Deistler für eine gewisse Aufbruchstimmung in der Belegschaft der Hasseröder Brauerei gesorgt hat. „Alles wird gut“, war vielfach zu hören. Der Mann, der vom weltgrößten Brauereikonzern Anheuser-Bush Inbev und von der Deutschen Bank in London als Käufer der Marken Hasseröder und Diebels auserwählt wurde, hat sichtlich Sympathien gewonnen. Nebensächlich, dass der Chef der Carl Kliem Corporate Finance GmbH (CKCF) aus dem hessischen Kronberg in der Bierbranche völlig unbekannt ist.
Mit dem Kauf der Traditionsmarke vom belgischen Bierriesen versichert der Inhaber eines Familienunternehmens aus dem Taunus, dass die Verträge aller rund 260 Mitarbeiter übernommen und bis zu 60 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Ebenso, dass in den Standort Wernigerode mit der europaweit modernsten Brauerei investiert werde, „um dem etwas verstaubten Bierjuwel neuen Glanz zu verleihen“. Worte, die vor allem bei den Älteren in der Belegschaft, sehr wohltuend wirken.
Das Hasseröder Pils, schon zu DDR-Zeiten ein Renner, katapultierte nach der Wende regelrecht auf den ostdeutschen Markt. Vor allem auf den Ostdeutschen Markt, wo die 1872 gegründete Biermarke heute noch Bedeutung hat. Fast hätte Hasseröder den Jahresabsatz von 300.000 Hektoliter geknackt.
Wenn der Biermulti die Harzer nicht hätte regelrecht verhungern lassen. Seit der Übernahme 2003 ging es stetig bergab, der Absatz soll nach Volksstimme-Informationen im Vorjahr unter 200.000 Hektoliter gesunken sein. Das bedeutet einen Verlust von zehn Prozent.
Hinzu kommt die gnadenlose Ausgliederung von Marketing, kaufmännischer Abteilung und Vertriebsleitung hin zum AB Inbev-Sitz Deutschland in der Hansestadt Bremen. Der Auerhahn, das Markenzeichen von Hasseröder, hat mächtig lahme Flügel bekommen. Die Euphorie, als Hasseröder bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika bei Spielen der deutschen National-Elf als Bandenwerbung zu sehen war, längst Vergangenheit.
Das will nun Daniel Deistler ändern. „Der Auerhahn wird wieder fliegen“, versichert der 47-jährige Unternehmersberater, als er mit seinem „starken Team“, wie er betont, am 19. Januar vor dem Besucherpavillon bei Hasseröder für ein Pressefoto posiert. Der Investor verbreitet ein „Wir-Gefühl“. Er lobt das Know-how der übernommenen Inbev-Crew an seiner Seite und versichert, das nötige Geld bis zum Transferabschluss bei der für die Kaufabwicklung verantwortlichen Deutschen Bank in London auf den Tisch zu legen.
Wieviel? Darüber ist striktes Stillschweigen vereinbart worden. Spekuliert wird, dass es um eine Verkaufssumme in Höhe von 200 Millionen Euro geht. Woher das Geld kommt? Daniel Deistler lässt sich nicht in die Karten schauen.
Die Geheimnistuerei ist nicht unüblich bei solch einem großen Geschäft, das nach seinem Bekunden die Erfüllung eines „Herzenswunsches“ ist. Nur, die CKCF und damit Daniel Deistler, der keine Angestellten hat und nur freie Mitarbeiter beschäftigt, ist bislang als Berater bei Transfers im Hintergrund aufgetreten und nicht als Frontmann. Darauf angesprochen, schmeichelt es dem Banker und er lässt sich zur Aussage hinreißen, bisher alles richtig gemacht zu haben.
Ist der Hesse, von dem behauptet wird, als Absolvent der Frankfurter Hochschule für Bankwirtschaft anschließend eine Musterkarriere hingelegt zu haben, nur ein Strohmann? Belege lassen sich nicht finden. Dafür Hinweise im Internet über mangelnde Finanzkraft, überklebte Firmennamen an Briefkästen seines Einfamilienhauses in Kronberg und Geschäftsverstrickungen. Rege geteilt werden auf Facebook Pressebeiträge unter Wernigerödern, die sich sorgen. Das Eigenkapital der CKFC steht bei Null, die Frankfurter Neue Presse (FNP) berichtet von Schulden, beispielsweise von einem Fehlbetrag im Abschluss für 2015 von rund 560.000 Euro. Für 2016/17 liegen noch keine Zahlen der CK Corporate Finance vor. Verpflichtet ist Daniel Deistler nicht, sie preis zu geben. Sie könnten jedoch das Geheimnis über seine finanzielle Schlagkraft lüften.
Die Skepsis wächst, weil die FNP ehemalige Mitstreiter von Deistler zitiert, die vor seinem „unseriösen Geschäftsgebaren“ warnen und raten, dreimal hinzugucken, bevor man ihm was verkauft“. Die Spur früherer Transfers, an denen Deistler mitgewirkt hat, führt auch nach Sachsen-Anhalt. In Oebisfelde war eine Niederlassung des Baukonzerns Eurovia, eine Ex-Tochter des französischen Vinci-Konzerns, ansässig. Sie ist mitsamt anderer Straßenbau-Sparten von Bilfinger (Betam) Pleite gegangen, was Hunderten den Job gekostet hat.
Im Fall Betam ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs, das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Deistler ist derweil mit dem Transfer von Hasseröder und Diebels samt der Immobilien und Gastronomie-Verträgen beider Marken beschäftigt. Dieser soll, „vorbehaltlich noch zu erfüllender Voraussetzungen, spätestens Mitte 2018 vollzogen sein“, teilt der Konzern AB Inbev mit, ohne Details nennen zu wollen.
Darüber hinaus garantiert der Konzern, den neuen Eigentümer im Innendienst, bei IT und Einkauf für weitere zwölf Monate zu unterstützen – „damit der Geschäftsbetrieb der Brauerei ungestört weiter laufen kann“. Das hört sich gut an. Insider sehen das anders. „Wenn noch so viel Zeit bis zum Abschluss ist, warum tritt Herr Deistler jetzt schon öffentlich in Erscheinung?“ Diese Fragen stellt sich Walter Schmidt, der nach der Wende Hasseröder aufbaute und bis 2003 erfolgreich leitete. Die ganze Geheimnistuerei wirke auf den Wernigeröder wie ein „Kasperletheater“.
Was dem 65-Jährigen „ernste Sorgen“ bereite, ist die von der FNP beschriebene Verstrickung von Deistler mit einem gewissen Roland Müller. In der Brauerei-Szene gilt der Betam-Ko-Investor als unseriöser „Biersammler“, der beispielsweise Brauereien in Erfurt und Eisenach in die Pleite geritten hat. „Da wird mir schwarz vor Augen“, sagt Walter Schmidt und wirkt enttäuscht, auch weil er im Herbst vergangenen Jahres mit zwei anderen Wernigerödern den Vorstoß unternommen hatte, in die Verkaufsverhandlungen um Hasseröder zu treten. „Wir sind leider nicht zum Zug gekommen.“
Das Gleiche gilt für die SüdBG mit Sitz in Stuttgart. Die Beteiligungsgesellschaft gehört zu den führenden in der Bundesrepublik und ist eine 100-prozentige Tochter der Landesbank Baden-Württemberg. Sie unterstützt mittelständische Unternehmen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz und war bestrebt, im November 2017 in London mitzubieten. Zu spät. „Der Verkaufsprozess war schon zu fortgeschritten, wurde uns von der Deutschen Bank mitgeteilt“, sagt ein Aufsichtsratsmitglied gegenüber der Volksstimme. Am Deal mit Daniel Deistler merkwürdig findet der ehemalige Manager, der selbst eine Übernahme durch einen Weltkonzern leitete, dass sich der Prozess über einen so langen Zeitraum hinziehen soll. „Normal sind bei einem seriösen Geschäft eineinhalb Monate.“ Was Deistler verspricht, sei hingegen Trend. „Er übernimmt das Management von AB Inbev, der Konzern spart die Abfindung.“
Deistler sichert zudem Investitionen und neue Arbeitsplätze gleichermaßen bei Hasseröder in Wernigerode und bei Diebels in Issum am Niederrhein zu. Interessant ist, auf welches Bier er mehr setzt, auf das Premium-Pils oder das Altbier. Oder auf ein neues Alkoholfreies? „Das muss heutzutage sein“ und passe zu seinem Hobby – dem Polospiel, wie er dem Fernsehteam vor rund einer Woche in Wernigerode verraten hat.
Und das Geld? Der SüdBG-Aufsichtsrat lüftet aus seiner Sicht das Geheimnis: „Es ist zurzeit soviel Geld im Markt und dementsprechend groß das Interesse, Firmen zu kaufen.“ Aber Inbev hält nach eigenem Bekunden an Deistler fest. Der Bier-Riese hat ihm den Vorzug gegenüber einem Mitbieter gegeben, der nach Volksstimme-Informationen aus China kommt. Und wenn der Deal mit dem geheimnisvollen Käufer platzen sollte, bleibt den Wernigerödern immer noch die Zuversicht, dass bei Hasseröder alles so weiter läuft wie bisher.