Ehemalige Klosterwerke Einstiger Nazi-Bunker bei Blankenburg im Harz vor dem Verfüllen dreidimensional vermessen
Während große Teile der ehemaligen Klosterwerke in Blankenburg mit Beton verfüllt werden, haben Vermessungsspezialisten die Reste der einstigen, durch NS-Zwangsarbeiter in den Berg getrieben Stollen in einem speziellen Verfahren gescannt.
Blankenburg. Dieser Auftrag kam nicht nur überraschend, sondern auch im letzten Moment. Nur wenige Tage, bevor in die verbliebenen Hallen der einstigen Klosterwerke unter dem Blankenburger Eichenberg Tausende Kubikmeter Beton gepumpt werden sollten, haben sich zwei Mitarbeiter einer Spezialfirma daran gemacht, die dann unwiederbringlich verfüllten Hohlräume virtuell für die Nachwelt zu erhalten. „Es war der ausdrückliche Wunsch, vor der Verfüllung eine Dokumentation zu erstellen“, so Alexander Fleer von der DMT-Gruppe aus Essen. DMT ist ein breit aufgestelltes Unternehmen, das sich auf Spezialvermessungen im Bergbau, im Tunnelbau, aber auch im Altbergbau und der Archäologie spezialisiert hat.
NS-Zwangsarbeiter trieben Stollen in den Berg
Aufgabe in Blankenburg war es, die noch unverfüllten Reste der Anlage, die zwischen 1944 und 1945 von NS-Zwangsarbeitern in den Berg getrieben worden war, genau zu vermessen und ein dreidimensionales Abbild zu erstellen. „Dazu hatten wir ein klassisches Tachymeter im Einsatz. Das ist quasi die Allzweckwaffe eines Vermessers“, erläutert Alexander Fleer. Mit dem Tachymeter werden präzise Einzelpunkte erfasst, die dann in ein übergeordnetes Koordinatensystem übertragen werden. Darüber hinaus setzte er einen 3D-Laserscanner ein: „Damit erhalten wir viele Millionen Einzelpunkte und können damit die gesamte Bunkeranlage dreidimensional darstellen.“
Wie Fleer weiter erläutert, erzeugt dieser Scanner sogenannte Punktwolken. Diese sind zunächst generell in Grauwerten gehalten und spiegeln nicht nur die genauen Koordinaten wieder, sondern auch die sogenannte Reflektivität der aufgenommenen Objekte. Dadurch kann in der Nachbereitung ein farbidentisches Bild erzeugt werden. Dabei helfen außerdem Panorama-Fotos, die ebenfalls zusammengefügt werden.
An 85 Einzelstandpunkten gescannt
„Durch die Dunkelheit waren wir zwar sehr eingeschränkt, aber im Nahbereich war alles recht gut ausgeleuchtet“, schätzt Alexander Fleer ein. Insgesamt wurde der Scanner an 85 Einzelstandpunkten unter Tage eingesetzt. Drei Tage lang war Fleer mit einem Vermessungstechniker vor Ort. Unterbrochen wurde ihre Arbeit nur kurz von einem spontanen Besuch einiger Stadtratsmitglieder. Auf Anregung von Bürgermeister Heiko Breithaupt (CDU) hatten sie sich nicht nur über die Vermessung und anstehenden Verfüllarbeiten informiert, sondern auch über Lage und Zustand jenes 50 Meter langen, unter Denkmalschutz stehenden Teilstücks der Anlage, das wohl nun doch unverfüllt bleiben soll: als letztes authentisches Zeugnis dieses riesigen unterirdischen Komplexes.
Zu Gesamtbild zusammengefügt
Die von Alexander Fleer und seinem Kollegen erfassten Daten – immerhin rund 85 Gigabyte – sind inzwischen aufbereitet worden. Allein die Basis-Auswertung habe drei Tage in Anspruch genommen. Dabei wurden die einzelnen Punktwolken zu einer Gesamt-Punktwolke zusammengefügt – zu einem großen dreidimensionalen Abbild der Anlage.
„Mit diesen Daten kann man sehr viel machen“, blickt Fleer voraus. So sei es beispielsweise möglich, virtuelle Rundgänge zu entwerfen, um die Anlage künftig der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Entweder über sogenannte VR-Brillen oder über Medientische. In der Schnelle der Zeit, so der Experte, sei vorerst allerdings nur die Basisdokumentation erstellt worden.
Spannender Auftrag für Vermesser
Obwohl solche Arbeiten für Alexander Fleer Alltag sind, war der Auftrag im Harz etwas Besonderes: „Da meine Frau Historikerin ist, war der Scan solch einer Bunkeranlage für uns beide sehr spannend“, bekennt der Vermessungs-Ingenieur. Aber nicht nur das. Unlängst hatte er einen 850 Meter tiefen Schacht in Australien scannen müssen: „Da waren die Klosterwerke eine willkommene Abwechslung, mal wieder etwas Ebenes zu machen.“
Dokumentation als Säule für künftige Erinnerungsstätte
Demnächst wird DTM die Arbeitsergebnisse in einer Videokonferenz präsentieren. „Wir werden uns zunächst das Rohmaterial anschauen. Danach müssen wir sehen, wie wir es weiterentwickeln können“, blickt Heiko Breithaupt voraus, der diese Dokumentation als ein Standbein einer künftigen Erinnerungsstätte zur NS-Vergangenheit sieht. Aktuell sei die Stadtverwaltung dabei, weitere Partner für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. In der kommenden Woche soll es dazu eine Video-Konferenz mit dem Bergverein zu Hüttenrode geben, der bereits seine fachliche Unterstützung signalisiert hat. Ebenso werde das Gespräch mit Umweltministerin Claudia Dalbert (Bündnis 90/Die Grünen) gesucht, die demnächst auch in Blankenburg erwartet wird.
Tafeln für künftige Albert-van-Hoey-Straße
Parallel dazu werde an einem Straßen-Zusatzschild und einer Tafel gearbeitet, die im Industriegebiet in der Oesig aufgestellt werden sollen. „Der Text wird in enger Abstimmung und unter der fachlichen Begleitung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erstellt“, so Breithaupt.
Nach einem Stadtratsbeschluss soll die noch namenlose Erschließungsstraße künftig den Namen Albert van Hoeys (1924-2019) tragen. Der Belgier war einer von mehreren Hundert KZ-Häftlingen, die in der Oesig interniert waren und als Zwangsarbeiter in den Klosterwerken schuften mussten.