Besorgte Leserin Heide Ahrends sucht nach einem Mittel gegen die Nesträuber-Plage Elster-Alarm in Wernigerode: Immer mehr diebische Vögel fliegen durch die Gärten
Sie sind ungewöhnlich schlau, fressen Jungvögel und vermehren sich rasch: Die Elster ist für viele Naturfreunde zum Problem geworden. Sie fordern den Abschuss. Andere glauben an eine natürliche Lösung.
Wernigerode l Es ist ein sommerlicher Tag im Juni. Heide Ahrends sitzt in ihrem Garten im Charlottenring in Wernigerode, genießt das Wetter und hört die Amsel-Jungen munter aus dem Nest im Busch zwitschern. "Plötzlich kam eine Elster angeflogen und holte eines der Vögelchen weg", erinnert sie sich. "Einen Tag später war das Nest leer." Mehrmals habe sie beobachtet, wie Amsel-Jungen, aber auch seltene Seidenschwänze von den Rabenvögeln mit dem langen, gestuften Schwanz geraubt wurden.
Besonders in den vergangenen Monaten, glaubt sie, sind immer mehr, der in der Mythologie als Unheilsboten geltenden Nesträuber, in der Charlottenlust unterwegs. "Ich finde, gegen diese Plage sollte dringend etwas unternommen werden, bevor es gar keine Singvögel mehr gibt", sagt sie.
Dietrich Kramer war von 1992 bis Februar dieses Jahres Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Sachsen-Anhalt. "Zu DDR-Zeiten durften Elstern und Krähen ganzjährig erlegt werden", sagt der Wernigeröder. "Nach der Wende stand die Elster, weil sie ein Singvogel ist, dann bundesweit unter Schutz." Erst 2001 wurde der Vogel wieder in den Katalog der bejagbaren Arten in Sachsen-Anhalt aufgenommen - auch unter Drängen Dietrich Kramers.
"Wir hatten arge Mühe, Raben und Elstern auf diese Liste setzen zu lassen, haben uns aber durchgesetzt. Vom 16. Juli bis Ende Februar dürfen sie erlegt werden", so Kramer. "Allerdings nur im Jagdrevier und natürlich nicht in Wohnbezirken wie der Charlottenlust." Bestimmte Wildarten wie Füchse, Waschbären und Marder dürfen dagegen in den sogenannten "befriedeten" Gebieten gefangen und getötet werden. Dazu zählt aber nicht der Vogel mit dem metallischen Farbspiel im Gefieder. Kramer: "Es ist uns damals nicht gelungen, dass Elstern auch im eigenen Garten erlegt werden dürfen." Vogelfang ist nach wie vor verboten.
Jäger Erik Lembke kann die Aufregung um die Federtiere nicht verstehen. "Auch mir ist aufgefallen, dass es derzeit sehr viele gibt", so der Forstwissenschaftler. "Aber es ist ganz normal, dass in manchen Jahren die Population einer Art besonders stark ist. Die Natur regelt das früher oder später durch Mechanismen wie zum Beispiel Wildkrankheiten. Dann wird es auch wieder weniger Elstern geben." Dass die Rabenvögel aktiv bejagt werden sollen, lehnt er entschieden ab. Er hatte selbst vor einigen Jahren eine zahme Rabenkrähe aufgezogen und weiß, wie schlau die Tiere, die ihr Futter immer wieder an verschiedenen Stellen verstecken, sind. "Mein Vogel hat Nüsse auf die Straße gelegt, gewartet bis ein Auto darüber gefahren ist und dann die geknackten Nüsse gefressen", erzählt er.
Falkner will Tiere auf Beutezug im Wohngebiet schicken
Falls die Population aus dem Ruder laufen sollte, hat Erik Lembke einen sanften Lösungsvorschlag für das Elster-Problem in der Charlottenlust parat: "Ich würde es begrüßen, wenn sie auf natürliche Weise gejagt werden, zum Beispiel von einem Falkner."
Mit Horst Krause und Rudolf Lagatz gibt es zwei aktive Falkner in Wernigerode. Seit 48 Jahren geht Rudolf Lagatz, der auch den Wildpark Christianental gegründet hat, diesem Beruf nach. "Mir ist sehr wohl bekannt, dass es in der Charlottenlust, aber auch im Stadtfeld sehr viele Elstern gibt", sagt das Ehrenmitglied im Verband deutscher Falkner. Selbst in seinem eigenen Garten hat er schon beobachtet, wie die Vögel zugeschlagen haben. "Es ist durchaus möglich, mit den Falken gezielt Elstern zu jagen", sagt er. Einfach sei das aber nicht. "Sie sind sehr gewitzt und verstecken sich in Bäumen und Büschen, wo ein Falke nicht zuschlagen kann. Der kriegt sie nur im Flug."
Momentan befinden sich seine zwei Falken ohnehin in der Mauser, wechseln also ihr Gefieder. "Das dauert bis Ende August an. Bis dahin können sie nicht richtig fliegen und balzen", so der Experte. "Ich werde sie aber nach der Mauser ganz bewusst in der Charlottenlust einsetzen", verspricht er.