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Am 3. Dezember vor 50 Jahren hat "unfassbares Ereignis" die Wernigeröder erschüttert Erinnerung an tragischen Unfall bleibt wach

Von Ivonne Sielaff 03.12.2013, 02:19

Auf den Tag genau vor 50 Jahren hat ein tragischer Unfall, bei dem sechs Mitarbeiter des Elektromotorenwerkes starben, Wernigerode erschüttert. Für Rosemarie Dellnitz ein schicksalhafter Tag. Am 3. Dezember 1963 lag sie in den Wehen. Und das rettete ihrem Mann vermutlich das Leben.

Wernigerode l Nadelbäume umsäumen die Grabanlage auf dem Zentralfriedhof in Hasserode. Drei Gräber links und drei Gräber rechts, ein riesiger Findling in der Mitte. "Ruhm und Ehre" steht groß auf ihm geschrieben.

Vor genau 50 Jahren erschütterte ein tragisches Unglück die Wernigeröder. In der Volksstimme hieß es damals: "Am 3. Dezember 1963, gegen 18.30 Uhr, ereignete sich am Ortsausgang Königshütte ein folgenschwerer Verkehrsunfall. An einem unbeschrankten Bahnübergang stieß ein mit Kampfgruppen besetzter Mannschaftstransportwagen mit einer Lokomotive der Reichsbahn zusammen. Es handelt sich um Belegschaftsmitglieder des Elektromotorenwerkes Wernigerode. Bei diesem Unfall wurden 6 Personen getötet. 9 weitere Personen wurden verletzt ..." Die Trauerfeier fand vier Tage später im Saal des "Stadtgartens" statt. Hunderte bekundeten ihr Beileid. Viele Bürger der Harzstadt kannten die verunglückten Männer.

"Ein unfassbares Ereignis", erinnert sich die heute 76-jährige Rosemarie Dellnitz. Auch ihr Mann Reinhold arbeitete im Elmo, sollte damals mit im Transportwagen der Kampfgruppe sitzen. "Doch ich war hochschwanger. Zufall oder Schicksal, ich weiß es nicht - aber mein Mann brachte mich an jenem Abend in die Frauenklinik und sagte den Einsatz ab."

Lange hatte das Ehepaar versucht, ein Kind zu bekommen. "Als ich 26 war, ging unser Wunsch endlich in Erfüllung. Ich war für die damalige Zeit schon fast eine Spätgebärende. Aber wir waren unendlich glücklich über die Schwangerschaft." Die neun Monate verliefen nicht ohne Komplikationen. Mehrere Wochen musste Rosemarie Dellnitz im Krankenhaus liegen, wurde dann wieder nach Hause geschickt. "Ich hatte schon im Sommer einen riesigen Bauch. Die Ärzte sagten damals: Der Kleine kommt bestimmt im Oktober, spätestens im November." Aber erst am 3. Dezember setzten die Wehen ein.

Fast 24 Stunden lag Rosemarie Dellnitz im Kreißsaal. Das Baby wog zehn Pfund und wollte einfach nicht auf die Welt kommen. Am Ende half nur die Saugglocke. "Noch benebelt von der Narkose hörte ich, wie die Schwestern von einem Unfall sprachen", sagt Rosemarie Dellnitz. Später habe sie nach der Zeitung verlangt. Doch niemand wollte sie ihr geben. "Mein Mann hat es mir einige Tage danach schonend beigebracht."

Die ersten Tage und Wochen nach dem Unglück waren schwer. Viele Wernigeröder trauerten - um Freunde, Kollegen, Nachbarn, Familienangehörige. Auch Familie Dellnitz ließen die Erinnerungen an das Unglück nicht los. "Jedes Jahr im Dezember, wenn wir den Geburtstag unseres Sohnes feierten, kam die ganze Geschichte wieder hoch und wir haben über den schrecklichen Unfall geredet." Ihr Junge sei damit aufgewachsen. "Du bist mein Lebensretter, hat mein Mann immer zu ihm gesagt."

50 Jahre später denkt kaum jemand mehr an die tragische Nacht vom 3. Dezember 1963 zurück. Nur noch zwei Grabsteine stehen auf der gemeinsamen Ruhestätte in Hasserode und erinnern an die Toten. Viele Hinterbliebene sind inzwischen selbst verstorben. "Ein Grund mehr, um heute der Verunglückten zu gedenken", sagt Rosemarie Dellnitz.