Eishockey Für Puck-Jäger beginnt neue Zeitrechnung
Mit der Eröffnung der Feuerstein Arena am 15. Dezember 2017 erlebt der Eishockeysport in und um Schierke eine Wiedergeburt.
Schierke l Wie im Taubenschlag geht es im Stöbereck zu. In dem kleinen Souvenirgeschäft in der Brockenstraße in Schierke geben sich gestandene Kufen-Cracks die Klinke in die Hand. „Bernd, ich bin dabei. Wann treffen wir uns“, fragt Helmut König. Er holt sich die Infos für das erste Eishockeyspiel in der neuen Eisarena und schwirrt wieder ab. Eine Oldie-Auswahl des ESV Schierke tritt am Sonnabend, 15. Dezember, um 17 Uhr gegen die All-Stars der Eisbären Berlin an.
Bernd Riemenschneider ist trotz Vorbereitstungsstress die Ruhe selbst und nimmt sich Zeit für das Pressegespräch – so wie man den Tausendsassa und Vorsitzenden des Eishockey-Sport-Vereins Schierke aus seiner langjährigen Tätigkeit kennt. Nur, er selbst hatte nicht mehr daran geglaubt, dass er noch einmal so gefordert wird, wie es die Eröffnung der Feuerstein Arena samt der sportlichen Höhepunkte nun einmal verlangt.
„Da muss man 70 Jahre alt werden, bis endlich ein Traum von einem Eisstadion in Erfüllung geht“, sagt Riemenschneider und lächelt. Dann fügt er überzeugt hinzu: „Für den Eishockeysport in Schierke beginnt eine neue Zeitrechnung.“ Dem Eröffnungsspiel folgt im Februar und März die Ausrichtung der Deutschen Meisterschaft im Pondhockey (Kleinfeld-Eishockey) mit dem Finale in Schierke, berichtet Bernd Riemenschneider voller Stolz.
Schon als Kind schnürte er die Schlittschuh, spielte erfolgreich bis zur DDR-Liga bei Dynamo Schierke. „Mann, waren das Zeiten“, sagt der Verteidiger, der die Rückennummer 4 trug und sie später an seinen Sohn Lars „vererbte“. Nun wird sie sein 18-jähriger Enkel Tim tragen. Enkeltochter Luci, 22, unterstützt den Großvater bei der Vereinsarbeit im Marketing. „Immerhin studiert sie das ja in Wernigerode.“
Die Riemenschneiders halten seit Generationen dem Eishockey die Treue. Vater Bernd engagierte sich als Übungsleiter und gewann 1987 mit dem Schülerteam bei der DDR-Bestenermittlung die Silbermedaille. Die damals 14- bis 16-Jährigen, mit dabei Sohn Lars, erlebten zur Wende noch einmal eine Sternstunde: im Eisstadion im niedersächsischen Altenau am 18. Februar 1990 im Duell gegen den EHC Osterode. Denkbar knapp verloren die Schierker, doch sie wurden wie Helden gefeiert. Neben den Dynamos aus Berlin und Weißwasser, Monsator Berlin und Einheit Crimmitschau erhielten damals auch die Schierker von der Internationalen Eishockey-Förderation mit Sitz in der Schweiz eine Auslandsspielgenehmigung.
Noch 1990 wurde aus Dynamo der Eishockey-Sport-Verein (ESV) Schierke, der im Herbst in Niedersachsen in den Punktspielbetrieb der Landesliga einzog. Die „bunte Truppe“ aus Schierkern und „geborgten“ Spielern aus dem Westharz wurde klassisch „durchgereicht“. Sie verlor alle Partien zweistellig, gewann am Saisonende dennoch einen Pokal. Bernd Riemenschneider zeigt eine der Trophäen in der Vitrine seines Besucherzimmers und sagt: „Da steht’s, wir waren die Fairsten.“
Später belächelte keiner mehr das ESV-Team. Die Hartgummischeibe landete zu Hauf im Tor des Gegners. Schierke wurde 1993 und im Jahr darauf Meister, stieg sogar eine Klasse höher auf. Doch hatte leider keine Spielstätte. Training und Wettkämpfe fanden im Eisstadion im benachbarten Braunlage statt. Dennoch: Legendär war die Stimmung der mitgereisten Fans und der Einsatz der zahlreichen Familienangehörigen, ob als Kartenabreißer, Strafbankhelfer, Zeitnehmer oder Versorger mit Heißgetränken wie Ehefrau Inge Riemenschneider, die 2010 verstarb, und Tochter Susanne.
Nur hin und wieder wurde im Natureisstadion in Schierke ein Freundschaftsspiel ausgetragen, meistens gegen Berliner Mannschaften. Diese Tradition wird bis heute gepflegt. Waren es doch die Hauptstädter, die den Schierkern nach dem Bau des Eisplatzes an der Kalten Bode und der Gründung ihres Eishockey- und Skeleton-Clubs im November 1910 immer wieder Schützenhilfe gaben. So konnte der ESV Schierke für die Entwicklung des Eishockeysports mehrfach Pionierarbeit leisten, was 2010 – zur 100-Jahr-Feier des Vereins – gewürdigt wurde.
Gefeiert aber wurden nur Erinnerungen. Aus finanziellen Gründen hatte der ESV im Herbst 2000 den Punktspielbetrieb einstellen müssen. Vor allem dem Fakt geschuldet, dass der Bundesligist Braunlage die Segel streichen und sportlich ganz unten anfangen musste. Die „ausgeborgten“ Puck-Jäger wurden zurückgeholt, andere gute Kufenflitzer zogen hinterher. Eiszeiten zum Training in Braunlage wurden nur noch ab 21 Uhr angeboten. Selbst an Nachwuchsförderung war nicht mehr zu denken. Dabei hatte Bernd Riemenschneider Ausrüstung für eine komplette Jugendmannschaft besorgt und zwei Trainer ausbilden lassen. Eine eigene Eisporthalle im Ort hätte dem ESV diesen Rückschritt wohl erspart.
Der Eishockey-Enthusiast winkt ab, will nach vorn schauen. Die Schierker Feuerstein Arena wird am Freitag, 15. Dezember, eröffnet, was schon im Vorfeld einen Boom auslöste, sagt Bernd Riemenschneider. Ehemalige Mitglieder haben sich zurückgemeldet, neue sind hinzugekommen. „36 sind wir.“ Das Hauptaugenmerk soll auf die Nachwuchsarbeit gelegt werden. Zweimal in der Woche Training mit Kindern aus Wernigerode, Ilsenburg, der Stadt Oberharz und aus Schierke. Das sei der Plan.
Unterstützung erhofft sich der ESV vom Deutschen Eishockey-Bund und dessen Nachwuchsförderverein. Der ESV selbst kassiert beim Spiel am Sonnabend drei Euro Eintritt, „als Spende für die Jugend“. Gern hätte Riemenschneider bei der Erfüllung seines Traums Jens Baxmann dabei gehabt. Der 32-Jährige Vertreidiger begann seine Laufbahn in Schierke, wechselte 2001 zu den Eisbären Berlin und spielt dort erfolgreich im Team der Deutschen Eishockey-Liga.