Corona-Pandemie Gastronomen und Touristiker im Landkreis Harz warten sehnsüchtig auf Öffnung
An vielen Orten Sachsen-Anhalt öffnen Pfingsten Gastronomie, Hotellerie und Tourismus wieder. Die Ostharzer müssen dagegen notgedrungen in Stagnation verharren.

Landkreis Harz - dl/ii/je/ue
Die Botschaft ist bitter: Am Pfingstwochenende geht im Harzkreis faktisch kaum etwas: Hotels, Restaurants und touristische Einrichtungen müssen weiter geschlossen bleiben. Das sorgt in der touristischen Hochburg Sachsen-Anhalts nicht nur für Frust, sondern mit Blick in andere Landesteile oder hinüber nach Niedersachsen auch für Neid.
Und wurmt auch Landrat Thomas Balcerowski mächtig. Der CDU-Politiker hat jüngst die täglich vom Robert-Koch-Institut vermeldeten Inzidenz-Werke im Blick gehabt. Das Ärgernis: Während der Harzkreis in der Vergangenheit mit Modellprojekten und Ideen oft eine Vorreiterrolle übernommen hatte, trägt er bei den Infektionszahlen nun schon seit Tagen im landesweiten Vergleich die rote Laterne. „Folglich greift bei uns aktuell leider noch die Bundesnotbremse“, so der 49-Jährige.
Woher kamen die gehäuften Infektionen?
Die Ursache? Gehäufte Ausbrüche, punktuell konzentriert in Gemeinschaftsunterkünften, weiß der Landrat, der hinsichtlich der Örtlichkeiten aber nicht näher ins Detail gehen mag. Nach Recherchen der Volksstimme soll es unter anderem in der Diakonie-Krankenhaus Harz GmbH in Elbingerode eine Häufung gegeben haben.
Was der dortige Geschäftsführer Martin Montowski bestätigt: Es habe in der vorletzten Woche insgesamt 23 Infektionen im Reha-Bereich gegeben. „Wobei völlig unklar ist, wie und wodurch die Infektion ins Haus getragen worden ist.“ Und: Montowski weiß auch von gehäuften Infektionen in Oberharzer Kitas.
Die Folgen: Bis die Inzidenzwerte in der Oberharzer Gemeinde sinken, dauert es einige Tage. Am Donnerstag, 20. Mai, lag der Oberharz bei 254, Freitag waren es noch 195. Andere Orte wie Huy, Vorharz oder Ballenstedt liegen aktuell zwischen 28 und 22. Wobei alle Werte Momentaufnahmen sind und sehr schnell kippen können. So lag Harzgerode lange bei einer Null-Inzidenz, aktuell werden 116 vermeldet.
Amtsärztin ist gedämpft optimistisch
Deshalb bleibt Amtsärztin Dr. Heike Christiansen gedämpft optimistisch. Die Infektionszahlen im Harz waren im Landesvergleich lange Zeit hoch, nun gebe es Folgefälle – „es dauert, bis das runtergeht“. In vielen Einrichtungen geben sich Bewohner und Verantwortliche Mühe – gerade in Kitas und Grundschulen könnten Hygienekonzepte naturgemäß nicht optimal umgesetzt werden.
Deshalb die kreisweit überdurchschnittlich hohen Werte, daher weiter die Wirkung der Bundesnotbremse, weil die magische 100 erstmals am Freitag, 21. Mai, kreisweit unterschritten worden ist.
„Es ist natürlich bitter, dass wir das Pfingstwochenende nicht nutzen können, um den Tourismus zu starten“, sagt Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos). Auch Wernigerodes Tourismuschef Andreas Meling ist frustriert: „Die Region, die es am allermeisten brauchen würde, kann nicht öffnen. Das ist schon traurig. Dabei hätte das Pfingstgeschäft dem Harzkreis als Ausflugsziel nach dem langen Lockdown wirklich gutgetan.“
Kritik an starrer Notbremse des Bundes
Meling rechnet aber damit, dass über Pfingsten zumindest Tagesgäste den Weg nach Wernigerode und in den Harz finden. „Wandern ist ja trotz der Schließungen ein Thema.“ Zudem hätten einige Ausflugsgaststätten ihren Außenausschank geöffnet. Meling, gleichzeitig Chef des Wernigeroder Bürgerparks, weist zudem noch auf die beliebte Parkanlage am Dornbergsweg hin. „Der Park hat für Besucher mit einem negativen Corona-Testergebnis geöffnet.“ Das Testzentrum befinde sich direkt vorm Eingang. Der Außenausschank der Gaststätte sei geöffnet.
Auch Michael Wiecker, Vizepräsident des Deutschen Konditorenbundes, kritisiert die „starre Bundesnotbremse“. „Die heutige Inzidenz von 90 im Harzkreis gibt der Tourismusbranche zwar Hoffnung, aber für eine Öffnung zu Pfingsten – so wie in den benachbarten Kreisen im Westharz oder in vielen Kreisen und Städten in Sachsen-Anhalt - kommt die Entwicklung zu spät“, so der Gastronom.
Wernigerode liege aktuell bei einer Inzidenz von 49, der Oberharz aber bei 195, was nur am Ausbruch in einer dortigen medizinischen Einrichtung liege. Daher wäre „eine gesonderte Einzelfall-Betrachtung, ohne dass die ganze Branche im Landkreis leiden muss, der richtige Weg gewesen“, so Wiecker. Allein: Bei der Bundesnotbremse gilt stets der Inzidenzwert des gesamten Landkreises. „Nach sieben Monaten Schließung kritisiere ich den politischen Umgang mit der Situation ohne Fingerspitzengefühl für die ganze so wichtige Branche des Harzkreises“, schimpft Wiecker.
Als zu starr und unverhältnismäßig wird die Regelung von vielen Menschen kritisiert, weiß Wernigerodes Stadtratsmitglied Christian Härtel (Linke) aus zahlreichen Gesprächen und Zuschriften aus der Bürgerschaft zu berichten.
Camopingplatz soll Anfang Juni starten
Auch Sebastian Otto wartet ungeduldig darauf, dass er seinen Campingplatz am Halberstädter See endlich wieder für Gäste öffnen darf. Die siebenmonatige Zwangspause habe alle finanziellen Reserven aufgefressen. „Die neuesten Inzidenz-Zahlen im Land und im Landkreis Harz machen aber Hoffnung. Ich möchte am 1. Juni meinen Platz öffnen. Bislang ist aber noch völlig unklar, welche Rahmenbedingungen dann zählen“, sagt Otto. Sein Telefon stehe seit Tagen nicht mehr still. „Die Leute wollen wissen, ab wann sie wieder anreisen können.“
Auch Halberstadts Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) freut sich, dass die Pandemie-Welle nun auch endlich im Harzkreis gebrochen zu sein scheint. „Die Zahlen sind Gott sei dank rückläufig. Allerdings müssen wir erst mal fünf Werktage unter der Inzidenz von 100 bleiben. Ich hoffe, dass sich alle Bürger vernünftig verhalten, damit die Infektionen nicht wieder ansteigen. Das wäre der Todesstoß für viele Gastronomen und Tourismus-Betriebe.“
Die magische Marke von 100 hat der benachbarte Landkreis Goslar schon längst unterschritten. Zuversicht und gute Stimmung seien daher in der Kaiserstadt spürbar, so Goslars Oberbürgermeister Oliver Junk (CDU). „Die Tage werden heller“, freut er sich für die niedersächsische Kreisstadt und meint damit nicht nur den länger werdenden Zeitraum zwischen Sonnenauf- und – untergang.
Pandemie in Niedersachsen strenger bekämpft?
Dass die Inzidenzzahlen in den beiden Harz-Landkreisen so weit auseinanderklaffen, liegt aus Sicht von Oliver Junk daran, dass die Corona-Pandemie in Niedersachsen strenger bekämpft wurde. „Schade, dass die Grenze, die vor mehr als 30 Jahren eingerissen wurde, so jetzt wieder sichtbar wird,“ bedauert der Goslarer OB. Dass im Föderalismus jedes Bundesland seine eigenen Regeln aufstellen könne, habe sich hier als schlecht erwiesen.
Das Szenario, auf das wohl alle im Landkreis Harz hoffen, skizziert Landrat Balcerowski so: Beginnend am gestrigen Freitag, dürfte - bei konstanten Werten unter 100 – am nächsten Donnerstag Tag fünf erreicht sein. „Dann können kommenden Samstag auch wir starten.“ Und dann soll es richtig zur Sache gehen, weiß der CDU-Politiker. Hotels, Tourismus, Gastronomie. Zwar lagen die genauen Eckdaten, die das Land per neuer Verordnung festschreiben will, am gestrigen Freitag noch nicht schriftlich vor – erste Details, die durchgesickert sind, machen aber Hoffnung.
Auch Wernigerodes Verwaltungschef Peter Gaffert blickt optimistisch auf die kommenden Tage. „Wir sind auf einem guten Weg, die Zahlen sinken kontinuierlich und auch in Wernigerode wird bald wieder mehr möglich sein.“ Die bunte Stadt am Harz sei mit den Testzentren gut vorbereitet, das habe sich im Modellprojekt Anfang April schon gezeigt. Auch das Impfen gehe voran.
Unternehmer stehen in den Startlöchern
Laut Balcerowski stünden viele Unternehmer längst in den Startlöchern. So wolle etwa Wolfgang Hagenberger am 15. Juni die Westernstadt Pullman-City in Hasselfelde wieder öffnen. An der Rappbodetalsperre warten die Berke-Brüder auf die Verordnung, um letzte Details zu klären. Sehr wahrscheinlich wollen die Macher von Harzdrenalin vor Ort eine Teststation einrichten, um Besuchern der Mega-Hängebrücke Tests zu ermöglichen. „In jedem Fall sind die drei G – Genesen, Geimpft oder Getestet – Voraussetzung für einen Besuch“, betont Maik Berke. In den vergangenen sieben Monaten Stagnation seien die Umsätze gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 97 Prozent eingebrochen. „Die restlichen drei sind positive Enthusiasten, die online Gutscheine geordert haben – auch, um uns bewusst zu unterstützen.“
Optimistisch blickt auch Landrat Balcerowski nach vorn. Auch im vorigen Frühjahr sei der Lockdown nach Pfingsten gelockert worden. „Danach hatten wir im Harz ein richtig gutes zweites Halbjahr.“ Und damit rechne er erneut. So plane das Harzer Bergtheater trotz aktuell laufenden Umbaus in den Sommermonaten Aufführungen.
„Bei den Thalenser Seilbahnen werden voller Vorfreude bereits die Gondeln geputzt. Und dass auch die Hotels bald wieder öffnen dürfen, ist ein Verdienst von Wirtschaftsminister Armin Willingmann, dem ich dafür im Namen unserer Hoteliers dankbar bin“, so der CDU-Landrat mit Blick auf den Minister mit SPD-Parteibuch. „Ich bin mir sicher, dass der Harz ganz bald ganz stark zurückkommen wird.“