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Weltoffenheit Halberstadt ist „laut & bunt“

Rund 6000 Besucher haben auf dem Domplatz in Halberstadt Johannes Oerding und Band gefeiert.

Von Ingmar Mehlhose 28.09.2015, 01:01

Halberstadt l Sonnabend, 17.20 Uhr: Auf dem Domplatz ist noch viel Platz für Gäste. Nur Minuten später sieht das schon anders aus. Gegen 20 Uhr betritt Johannes Oerding mit seiner Band die Bühne. Die Leute drängeln sich dicht zusammen, so weit das Auge reicht.

Rund 6000 Besucher sind es nach Angaben von Radio SAW. Der Privatsender präsentiert das Open-Air-Konzert für Toleranz und Weltoffenheit. Als Moderatoren führen Warren Green, geboren im englischen Wimbledon, und der gebürtige Leipziger Jan Seifert durch das Programm. Gemeinsame Ausrichter der Veranstaltung sind die Halberstädter Stadtverwaltung, die Landeszentrale für politische Bildung und das sachsen-anhaltische Innenministerium.

Unterstützung gewähren die Friedrich Christian Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz, Lotto Sachsen-Anhalt, Harzsparkasse und Halberstadtwerke. Die Volksstimme fungiert als Medienpartner.

Der Innenminister ist selbst angereist. Holger Stahlknecht lobt die Harzer. Sie würden „die Situation wunderbar meistern“, sagt der Christdemokrat. Stahlknecht fordert zudem, die Flüchtlinge „so zu behandeln, wie wir als Menschen behandelt werden möchten“.

Ihm zur Seite steht Andreas Henke. Halberstadts Oberbürgermeister (Linke) zeigt sich sehr froh darüber, dass das Konzert in der Domstadt ausgerichtet wird. Es sei kein Geheimnis, dass hier Rechtsextreme versuchen würden, ihre Ideologie unter das Volk zu bringen. Dagegen werde mit viel bürgerschaftlichem Engagement vorgegangen und müsse auch künftig konsequent Flagge gezeigt werden. So wie mit diesem Open-Air.

Maik Reichel als Direktor der Landeszentrale für politische Bildung wirbt sodann für eine hohe Beteiligung an den Landtagswahlen im März 2016. Wer eine Idee habe, wie dieses Ziel erreicht werden kann, solle sich bei ihm melden.

Klare Worte findet auch Nina Przyborowski. Die Sängerin der Magdeburger Band Infant King: „Es ist toll, dass Ihr ein Zeichen setzt gegen Intoleranz.“ Wilkommenskultur sei keine Sache der Politik, sondern von jedem einzelnen selbst. Nachdem Yiriba zu Beginn bereits für einen mitreißenden afrikanischen Trommelwirbel gesorgt hatte, rockt Infant King die Bühne mit selbst komponierten Songs und satten Bässen. Nina Przyborowski, stimmgewaltig, erinnert an Suzi Quatro.

Der Abend bleibt laut, bunt und emotional. Angelika Zädow, Bürgerbündnis gewaltfreies Halberstadt, findet in Bezug auf die Zentrale Anlaufstelle (ZASt), die Bewohner vor Ort würden hervorragend damit umgehen. Die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Halberstadt nennt das „hammercool“. Sie sagt: „Handlungsbedarf gibt es immer. So für die Schaffung von Räumen, wo sich Menschen begegnen können.“ Sie lade dazu ein, auch am 31. Oktober Gesicht gegen Rechts zu zeigen, wenn Nazis in der Domstadt aufmaschieren wollen.

„Friedlich leben geht nur, wenn wir uns gegenseitig respektieren“, bekräftigt Ute Gabriel, die gleichfalls dem Bürgerbündnis angehört. Sie fordert die Besucher ebenso auf, den Extremisten am Reformationstag „etwas entgegenzusetzen“.

Christine Brehmer (Initiative Nienhagen-Rechtsrockfrei) schließlich erinnert an die Situation bei den Konzerten in dem Dorf. Auf einen Nienhagener kämen drei Rechtsrockorientierte zuzüglich Polizei. Sie sagt: „Ich wünsche mir mehr ehrenamtliche Zivilcourage.“

Dann ist er da. Johannes Oerding. Handy-Kameras klicken. Die Fans klatschen und kreischen. Der Wahl-Hamburger singt seinen ersten Song. Und es ist tatsächlich so: „Alles brennt!“