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Harz Von Hilferuf zu Hilferuf

Bürgermeister und Landrat fordern vom Land Öffnungsperspektiven für Tourismus, Gastronomie und Handel - wieder einmal.

Von Dennis Lotzmann 20.02.2021, 11:00

Harzkreis l Der Harz: Zuhauf Anziehungspunkte, die viele Touristen anlocken, dazu volle Innenstädte und in den Sommermonaten gut gefüllte Cafés: So kennt man die Tourismusregion Nummer eins im Land. Seit Monaten sind coronabedingt Wirtschaft, Handel, Gastronomie und Tourismus heruntergefahren. Was bei den Betroffenen immer lauter die Frage nach dem Wohin aufwirft: Wann können wir wieder öffnen, wie können wir planen? Fragen, die Landrat Thomas Balcerowski und die Bürgermeister der 14 Harzer Kommunen in einem offenen Brief an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) weitergereicht haben.

In dem zweiseitigen Schreiben, das der Volksstimme vorliegt, wird einerseits die Sorge, ohne Planbarkeit und konkret absehbaren Öffnungsperspektiven einer ungewissen Zukunft entgegenzugehen, deutlich gemacht. Andererseits signalisieren die Unterzeichner ihre Unterstützung, die anstehenden Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Sie machen in dem Papier, das nach interner Abstimmung aus der Feder des Quedlinburger OB Frank Ruch (CDU) stammt, den Ernst der Lage deutlich: „Die kommenden Wochen werden in vielen Betrieben aus Tourismus, Gastronomie und Handel über das Überleben entscheiden und damit die Zukunft unserer Innenstädte prägen“, heißt es unter anderem.

Das Schreiben ist nach Balcerowskis Worten in der wöchentlichen Telefonkonferenz mit den 14 hauptamtlichen Bürgermeistern angeregt und inhaltlich diskutiert worden. Anschließend sei der von Ruch formulierte Entwurf abgestimmt und im Umlaufverfahren abgezeichnet worden.

Peinlicher Schönheitsfehler dabei: Die Unterschriften der Stadt- und Gemeindeoberhäupter von Halberstadt, Osterwieck sowie Huy und Nordharz fehlen. Das sei allein zeitlichen und logistischen Gründen geschuldet, weil das Schreiben schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden sollte, entschuldigt Balcerowski.

Sowohl der Halberstädter OB Daniel Szarata (CDU) als auch sein Parteifreund Thomas Krüger (Huy) und die parteilosen Bürgermeister Ingeborg Wagenführ (Osterwieck) und Gerald Fröhlich (Nordharz) bestätigen das gegenüber der Volksstimme: Der Inhalt des Briefs sei bekannt, sie stünden voll dahinter, heißt es unisono.

Das Schreiben kann quasi als Fortsetzung eines am 21. Januar Richtung Magdeburg formulierten Briefs gewertet werden. Damals hatten sich Landrat Balcerowski und Marcus Weise (CDU) als Kreischef des Städte- und Gemeindebunds an Ministerpäsident Reiner Haseloff (CDU) und Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) gewandt und eine finanzielle Kompensation für entgangene Kurtaxeinnahmen angeregt.

Auslöser war der Einbruch bei den Übernachtungszahlen. Im vergangenen Jahr seien wegen der coronabedingten Einschränkungen im Tourismussektor im Harzkreis im Vergleich zu 2019 rund 30 Prozent weniger Übernachtungen registriert worden, schreiben Balcerowski und Weise. Wurden laut Harzer Städte- und Gemeindebund 2019 noch 2,9 Millionen Übernachtungen registriert, waren es 2020 nur 2,1 Millionen. Damit, so die beiden Kommunalpolitiker, sei ein Einbruch bei den Kurtaxeinnahmen verbunden. Die Erlöse seien 2020 im Vergleich zu 2019 kreisweit um knapp 1,5 Millionen Euro eingebrochen. Geld, das einerseits in den Kassen der Städte und Gemeinden fehle, während die Kommunen andererseits die touristische Basis- und Infrastruktur auch ohne Besucher aufrecht erhalten müssten. Andernfalls drohe der touristische Niedergang, weil die fehlenden Kurtax-Einnahmen auch nicht mit steuerlichen Mitteln kompensiert werden könnten, da auch hier coronabedingt massive Einnahmeeinbrüche zu verzeichnen seien.

Motiviert zu ihrem Hilferuf nach Magdeburg sehen sich die beiden Lokalpolitiker vom Beispiel Niedersachsen. Im Nachbarland würden den betroffenen Kommunen für entgangene Kurtax-Einnahmen zumindest pauschale Kompensationszahlungen von einem Euro pro entgangener Übernachtung gezahlt, schreiben Balcerowski und Weise.

Was im Kern korrekt ist, wie eine Sprecherin des dortigen Wirtschaftsministeriums auf Anfrage bestätigt. Von der Pandemie betroffene Tourismusorganisationen erhielten tatsächlich eine Unterstützung. Eine seit September 2020 geltende Richtlinie sei hinsichtlich der Antragstellung bis Ende Februar verlängert worden. Und: „Auf Grundlage der Richtlinie wurden bisher an 27 Empfänger etwas mehr als zehn Millionen Euro bewilligt und ausgezahlt.“

Hier setzen Balcerowski und Weise an. „Alles wird auf Geheiß des Landes dicht gemacht, aber finanziell geholfen wird uns nicht. Außerdem wird nicht über Öffnungen geredet“, erinnert der Landrat. Je länger das dauere, desto größer sei die Gefahr, dass vieles auf Dauer wegbreche. „Hier brauchen Tourismus, Handel und Gewerbe – und auch die Kommunen – endlich klare Perspektiven.“ Zumal die touristischen Angebote bei Einhaltung aller Vorgaben keine Corona-Hotspots seien. Und das betreffe auch die finanzielle Unterstützung. Warum werde das Hilfsmodell in Niedersachsen nicht übernommen werden, fragt Balcerowski.

Der CDU-Mann ist zudem sauer, dass sein Schreiben vom 21. Januar bislang faktisch unbeantwortet geblieben sei. „Allein Wirtschaftsminister Willingmann hat geantwortet,teilt unsere Ansichten, erklärt sich aber für nicht zuständig. Von Ministerpräsident Haseloff gab es keine Reaktion.“

Weil auch der sich mit Blick auf die Ressortzuschnitte nicht zuständig sieht, wie Regierungssprecher Matthias Schuppe auf Anfrage erklärt. Der MP habe das Schreiben zur Kenntnis genommen und gebeten, dass zuständigkeitshalber in den Ministerien für Finanzen und Wirtschaft geprüft wird, ob und welche Lösungen möglich seien, so Schuppe am Freitag.

Pikant dabei: Im Finanzministerium liege ein solches Schreiben bislang nicht vor, so eine Sprecherin am Freitag. Man habe aber einen entsprechenden Hinweis aus dem für Tourismus zuständigen Wirtschaftsministerium bekommen, dass es offenbar solche Überlegungen gibt. Das Finanzministerium werde prüfen, ob sich ein entsprechender Handlungsbedarf ergebe, sobald dort entsprechende Forderungen angemeldet würden. Zugleich wird darauf verwiesen, dass bereits Hilfszahlungen zur Kompensation von Gewerbesteuerausfällen in Höhe von 162 Millionen Euro an Städte und Gemeinden geleistet worden seien.

Genau darum, kontert Balcerowski, gehe es aber nicht. Kompensationen für Steuerausfälle seien eine Kategorie, die Ausfälle bei Kurtaxeinnahmen eine andere. Weise und er hätten mit ihrem Schreiben anregen wollen, eine an das Modell Niedersachsen angelehnte grundsätzliche Lösung auch für Sachsen-Anhalt zu finden. „Das Problem ist, dass sich das Land wieder mal wegducken will – Haushaltskonsolidierung und Pandemiebekämpfung passen nun mal nicht zusammen“, kritisiert der Landrat.

Wie auch immer. Der Frust, dass zumindest das erste Schrei-ben binnen Monatsfrist weitgehend ohne Reaktion blieb, ist unverkennbar groß. Und damit ist auch mit Blick auf das zweite Schreiben zu rechnen. Offene Briefe würden in aller Regel zur Kenntnis genommen und nicht beantwortet, so Schuppe. Dabei bieten die Bürgermeister ausdrücklich den Schulterschluss an: Die „konstruktiv-solidarische Einstellung sollte aus unserer Sicht das Handeln auf den politischen Ebenen jetzt prägen. Dazu sichern wir unsere uneingeschränkte Unterstützung zu und werden jeden erdenklichen Beitrag beisteuern, zu dem der Landkreis Harz sowie die Kommunen des Landkreises in der Lage sind.“ Und mehr noch: „Mit diesen Signalen des Zusammenhalts und des Aufbruchs möchten wir unserer Landesregierung den Rücken für den Weg aus der Krise stärken.“