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Nahverkehr Idylle in Drei Annen trügt

Das Jugendwaldheim Drei Annen bei Wernigerode erfreut sich großer Beliebtheit. Zunehmend gibt es Beschwerden, weil die Bushaltestelle fehlt.

Von Regina Urbat 22.11.2018, 00:01

Wernigerode l Eine Woche ohne Handyempfang - „kein Problem“. Den Unterricht von der Schulbank in die freie Natur zu verlegen - „echt cool“. Die Neuntklässler aus Köthen sind wie jährlich rund 700 Mädchen und Jungen zu Gast im Jugendwaldheim Drei Annen und wissen die Idylle zu schätzen. Also alles bestens? „Na ja“, lenkt Christine Stock ein. Die Lehrerin gehört seit Jahren zu den Stammgästen mit ihren Schulklassen und legt den Finger in eine Wunde: „Die alte Bushaltestelle fehlt echt.“

Bis vor einem Jahr befand sich diese direkt vor der Haustür. Bequem und sicher konnten Jugendliche anreisen, in ihrer Freizeit nach Wernigerode oder zu anderen Orten fahren. „Nun stampfen wir durch den Wald, oft auf matschigen Pfaden, zum mehr als einen Kilometer entfernten Haltepunkt in Drei Annen Hohne“, sagt die Pädagogin. Entlang der Landesstraße 100, die von Wernigerode nach Schierke führt, gibt es keinen Fußweg. „Es wäre auch viel zu gefährlich, dort langzugehen“, so die Köthenerin. Sie sei sicher, dass sich viele Kollegen diesen Aufwand nicht mehr antun und deshalb Drei Annen für das Geografisch-Geologische Praktikum ihrer Schüler nicht auswählen. „Es gibt genügend Alternativen, die Konkurrenz schläft nicht“, fügt Christine Stock hinzu. Sie sei nicht die einzige, die sich beschwert. „Fast jeder spricht das Thema fehlende Haltestelle an“, weiß Hubert Hellwig. Für den Jugendwaldheim-Leiter zunehmend keine gute Werbung, zumal vom Träger - das Landeszentrum Wald - gerade viel Geld in die Modernisierung der Herberge gesteckt werde.

In regelmäßigen Abständen erreicht das Problem das Wernigeröder Rathaus, wie Pressesprecher Tobias Kascha bestätigt. Neben den Jugendlichen wurde die Haltestelle nämlich auch gern von Wandertouristen genutzt, ob für Touren zum Hüttestieg, zur Zillierbachtalsperre, Plessenburg, Steinernen Renne oder zum Ottofelsen.

Wie Tobias Kascha weiter mitteilt, sei die Angelegenheit mit dem Eigentümer, der das Grundstück bei einer Versteigerung vom Land erworben hat, abgeschlossen. Grenzmarken sind gesetzt, die Haltestelle ist samt der asphaltierten Einfahrt zurückgebaut worden. Der Eigentümer, ein Geschäftsmann und Imker aus Neumünster, kann dort eine Bienenzucht aufbauen, wie er gegenüber der Volksstimme angekündig hatte.

Was den Bau einer neuen Haltestelle betrifft, gibt es bislang nur eine Prüfung der Kosten. Sie belaufen sich laut Tobias Kascha auf rund 180.000 Euro für den Bau und etwa 15.000 Euro für die Planung. Wegen der angespannten Haushaltssituation der Stadt Wernigerode dürfte eine Realisierung in absehbarer Zeit nicht möglich sein.

Die Landesstraßenbaubehörde in Halberstadt „will sich aktuell an den Kosten nicht beteiligen, Gespräche könnten avisiert werden“, fügt Tobias Kascha hinzu. Das Landeszentrum Wald sieht sich auch außen vor, obwohl die Jugendwaldheim-Gäste am meisten von einer neuen Bushaltestelle profitieren würden. Zumindest könnte dafür ein landeseigene Fläche abgegeben werden, hieß es auf Volksstimme-Nachfrage.

Die Harzer Verkehrsbetriebe (HVB) bauen selbst keine Bushaltestellen, sie bedienen sie nur. „Wir hängen immer noch in der Warteschleife“, sagt Norbert Claus. Der HVB-Verkehrsplaner bedauere sehr, dass die vor einem Jahr geäußerte Hoffnung, Drei Annen spätestens zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember anfahren zu können, aufgegeben werden muss. „Wir sagten ja auch, wenn alles gut geht“.