Forstwirtschaft Landesforst pflanzt neues Leben im Harzer Wald
Im Oberharzer Stadtgebiet werden laufend kranke Bäume gefällt. Und was kommt danach? Ganz klar: Der Wald soll wieder wachsen. Der Landesforstbetrieb Oberharz zieht nach der Frühjahrspflanzung eine Zwischenbilanz.
Elbingerode/Trautenstein - Jan Kindervater ist zufrieden. „Das sieht sehr gut aus“, sagt der Bereichsleiter Produktion beim Landesforstbetrieb Oberharz. Die jungen Ahornpflanzen, deren Blätter aus dem Land-Reitgras lugen, sind Zeichen für einen Neuanfang im sterbenden Harzwald. Wo die Natur nicht von selbst zurückkehrt, hilft in vielen Fällen der Landesforstbetrieb nach – so wie auf dem Gelände zwischen Drei Annen Hohne und Elbingerode.
Während überall im Harz Bäume gefällt und aus dem Wald gebracht werden, wird dort, wo bereits Kahlschlag herrscht, wieder aufgeforstet. „Für das Frühjahr sind wir durch“, sagt Eberhard Reckleben, Chef des Landesforstbetriebs in Trautenstein, über die diesjährige Pflanzaktion.
1,2 Millionen Pflanzen seien von Anfang April bis Mitte Mai in die Erde gebracht worden, und das auf einer Fläche von 330 Hektar. Das klingt ehrgeizig, wenn man bedenkt, dass unter normalen Bedingungen nur rund 80 Hektar pro Jahr aufgeforstet werden, so Reckleben. Doch der Landesforstbetrieb hat derzeit rund 8000 Hektar Kahlflächen vorzuweisen. Das entspreche 40 Prozent der gesamten Fläche des Oberharzer Landesforstbetriebs und 60 Prozent der zuvor mit Fichten bestandenen Flächen.
Mehr Tempo beim Pflanzen
All dies wieder zu bepflanzen, sei eine Herkulesaufgabe. „Wenn wir so weitermachen, brauchen wir 20 bis 30 Jahre“, sagt Reckleben. Daher soll künftig das Tempo anziehen – spätestens dann, wenn die Borkenkäfer-Kalamität ein Ende hat, so der Betriebsleiter.
Sein Bereichsleiter nennt Zahlen: Künftig wolle man pro Jahr 500 bis 600 Hektar neu bepflanzen, sagt Jan Kindervater. Doch schon die diesjährige Frühjahrspflanzaktion stellte eine Herausforderung dar, sagt Reckleben – auch was das Personal angeht. Rund 100 Mitarbeiter von zehn externen Firmen waren zehn Wochen lang im Einsatz: „Das sind fast ausschließlich Forstleute aus Osteuropa“, so Reckleben. Hinzu kamen die eigenen Mitarbeiter, die überwiegend mit Kontrollen beschäftigt waren.
Die meisten Setzlinge seien manuell gepflanzt worden. „Ein guter Pflanzer schafft zirka 500 Pflanzen pro Tag“, so Reckleben. In den Revieren Benneckenstein und Stiege habe man auf Maschinen zurückgegriffen, die rund 50.000 Pflanzen in die Erde gebracht hätten, ergänzt Stellvertreter Kindervater. Für Königshütte wurde dies ebenfalls erwogen, doch waren dort die Bedingungen nicht günstig.
Bagger mit Pflanzaggregat
Im Tanner Revier seien teilweise Kurzheckbagger mit Pflanzaggregat im Einsatz gewesen. „Das hat den Vorteil, dass man die Maschine auch auf bisher nicht beräumten Flächen einsetzen kann“, so Jan Kindervater.
Sechs Baumschulen lieferten dazu die Setzlinge. Bei der Frage, was in die Erde gesetzt werden soll, gibt es klare Vorgaben. „Wir dürfen im Harz nur pflanzen, was für die Region zugelassen ist“, so Reckleben. Das bedeute, dass zum Beispiel nicht jede beliebige Buche oder Eiche gepflanzt werden dürfe, sondern nur ganz bestimmte Sorten.
Das erschwere die Beschaffung zusätzlich, die wegen der großen Nachfrage ohnehin nicht einfach sei. Erhebliche Versorgungsprobleme habe es zum Beispiel beim Ahorn gegeben, so Reckleben. „Wir haben nur 50.000 Stück bekommen. Das ist insofern bitter, als dass dies die klassische Mischbaumart ist.“
Harmonische Kombinationen
Denn nicht jeder Baum harmoniere mit jedem anderen, wer Arten miteinander kombiniere, müsse dies mit Bedacht tun. Die Buche zum Beispiel habe die Tendenz, andere Gewächse in ihrer Umgebung zu unterdrücken. Wie die Weißtanne gedeiht sie am besten im Schatten. Auf Kahlflächen, die ungeschützt der Sonne ausgesetzt sind, kämen sie daher nur schlecht zurecht.
Anders sieht es aus, wenn dort bereits andere Pflanzen einen Schutzschirm bilden. In den Überlegungen der Forstleute spielt der Vorwald eine wichtige Rolle. Dieser besteht aus Bäumen, die schnell wachsen und die Vorhut für andere bilden. Der Vorwald soll die negativen Effekte, welche die Freiflächen haben, verringern: Er binde Wasser und Nährstoffe und verhindere Erosion.
Bei den Bäumen, die künftig auf Landesgrund wachsen sollen, setze man auf Vielfalt. Eine „breite Mischung“ von Arten und Sorten solle den Wald von morgen stärker und weniger anfällig gegen Schädlinge machen. Zwei Drittel der Pflanzungen entfallen auf Nadelbäume, „mit deutlichem Schwerpunkt auf der Lärche“, so Reckleben. Die Art habe viele Vorzüge, sei „extrem kulturhart“ und vertrage Trockenheit. Weiterhin werden Douglasien und Tannen gepflanzt.
Fichten in geringen Anteilen
Eine alte Bekannte werde man weiterhin im Harzwald antreffen: „Wir pflanzen auch Fichten, aber nur in Mischungen und geringen Anteilen“, so der Forstbetriebschef. Rund zehn Prozent betrage der Anteil der einst dominierenden Art unter den neuen Pflanzen.
Eine weitere Frage, die die Forstleute in puncto Aufforstung beantworten müssen, ist die nach dem Ort. Laut Eberhard Reckleben ist klar: „Wir fangen da an, wo keine natürliche Sukzession ist“ – also dort, wo das Grün nicht von selbst sprießt. In den Revieren Elbingerode und Wernigerode zum Beispiel helfe sich die Natur sehr gut selbst – dort gebe es eine „intensive Naturverjüngung“, sagt der Forstfachmann. Unter den Flächen, die Starthilfe für den Neubeginn brauchen, würden gut zugängliche Standorte ohne Steilhänge bevorzugt.
Mit den Ergebnissen der Frühjahrspflanzung ist Reckleben einstweilen zufrieden. Die Setzlinge seien überwiegend gut angewachsen. „Von der Wasserverfügbarkeit her sieht es gar nicht so schlecht aus“, sagt er. Der Boden sei jedoch in den unteren Schichten weiter trocken und der Borkenkäfer wieder in Massen unterwegs. „Anfang Juni ging es los, dann aber mit einer Vehemenz, die schon erschreckend ist.“
Fällen statt stehen lassen
Daher sei damit zu rechnen, dass dem weiterhin Bäume in Größenordnungen zum Opfer fallen. Der Umgang damit sei nicht leicht, sagt Reckleben. „Es ist wirklich die Frage: Was macht man mit den abgestorbenen Wäldern?“ Sie stehen zu lassen, sei in vielen Fällen keine gute Option. „Dann kommt man nicht mehr an die Flächen heran.“ Wo Bäume zusammenzubrechen drohen, könne man keine neuen anpflanzen. Zudem müsse man Wanderer und Pilzsammler aus dem Wald verbannen, um sie vor herabstürzenden Stämmen und Ästen zu schützen.
Das nächste Zeitfenster für neue Pflanzungen werde sich wahrscheinlich erst im kommenden Frühjahr öffnen. „Wir können im Herbst gar nicht aufforsten, weil wir uns darauf einstellen, dass wir weiter Bäume herausnehmen müssen“, so der Forstbetriebsleiter.