Bauprojekt Millioneninvestition im Zeitplan
Auf der Baustelle der neuen Dampflokwerkstatt der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) in Wernigerode ist Richtfest gefeiert worden.
Wernigerode l Der Hubsteiger trägt Thomas Preiß und Uwe John nach oben. Knapp unterhalb des Daches der künftigen Dampflokwerkstatt der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) verlesen sie den Richtspruch, stoßen an und treiben die symbolische letzte Schraube in den Stahlbetonträger – dann fahren der Bauleiter und der HSB-Abteilungsleiter für Infrastruktur wieder hinunter. Die Gäste des Richtfestes applaudieren, während die Richtkrone am Kran über ihnen schwebt.
Auf dem Gelände am Ochsenteich hat sich seit dem offiziellen Startschuss für die Bauarbeiten im Herbst vergangenen Jahres viel getan. Unter den Augen zahlreicher Wernigeröder und Gäste wächst die neue Lokwerkstatt sichtbar in die Höhe. Dort sollen die historischen Dampfloks der Schmalspurbahn gewartet werden – unter den Augen der Besucher, die dann von einer Tribüne aus das Geschehen in der Halle beobachten können.
Es ist nicht nur die größte Baustelle in der Stadt, sondern auch das größte Bauprojekt in der Geschichte der HSB, wie das Unternehmen stolz verkündet. Rund 14,5 Millionen Euro investieren die HSB in ihre neue Werkstatt, in der künftig die Dampflokomotiven der historischen Schmalspurbahn gewartet werden sollen.
Mit dem Richtfest habe man einen weiteren „Meilenstein gesetzt“, sagte HSB-Geschäftsführer Matthias Wagener auf der Baustelle. Trotz Corona-Krise liege man im Zeitplan. Das wäre ohne die Hilfe zahlreicher Partner nicht möglich gewesen, betonte der HSB-Chef besonders mit Blick auf die Vertreter Sachsen-Anhalts und Thüringens. „Ohne die Unterstützung der beiden Bundesländer würden wir heute nicht hier stehen“, so Wagener.
Diese sei den HSB auch künftig sicher, betonte Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel (CDU). Derzeit werde der neue Verkehrsvertrag bis 2030 mit dem Bahnunternehmen verhandelt. „Das Land ist bereit, sein finanzielles Engagement für die HSB deutlich zu erhöhen und auf langfristige Füße zu stellen“, kündigte Webel an.
Auch Thüringen werde seinen Beitrag leisten, versicherte Torsten Weil, Staatsekretär im Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft. „Der Freistaat wird sich weiter zu seiner Verantwortung bekennen“, sagte Weil – schon deshalb, weil die HSB in Nordhausen Teil des Öffentlichen Nahverkehrs seien.
Wirtschaftlich und touristisch sei das Projekt „eine gelungene Kombination“, sagte Thomas Webel. Damit könnten die HSB langfristig Kosten senken, unabhängiger werden und eine neue Attraktion schaffen. Er persönlich freue sich auf den Besuch in der „gläsernen Werkstatt“, so der Minister.
Der Harz sei „das touristische Kraftzentrum des Landes“, betonte Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD). Das Land wolle den Harz weiter zur führenden Tourismusregion im Osten wie auch bundesweit ausbauen. „Dazu bekennen wir uns als Landesregierung.“ Die HSB seien ein „technisches Denkmal“, das sich „ungebrochener Attraktivität“ für Jung und Alt erfreue – und ein Symbol für die Region schlechthin.
Wie Schloss, Brocken undt Rahaus stünden die HSB für Wernigerode und den Harz, unterstrich auch Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos), der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens ist. Es habe lange gedauert, bis auf dem zentrumsnahen „Filetstück“ gebaut werden konnte. Für die Stadt sei es ein weiterer Schritt in ihrer guten Entwicklung – Gaffert verwies darauf, dass Wernigerode eine der touristisch erfolgreichsten deutschen Städte sei (die Volksstimme berichtete). Die Schmalspurbahn sei ein „Herzstück der touristischen Entwicklung im Harz und damit in Sachsen-Anhalt“.
Daher müssten die historischen Fahrzeuge so instandgehalten werden, dass sie hunderttausende Passagiere pro Jahr sicher befördern können. „Wir brauchen diese Werkstatt dringend“, so Gaffert. Das bestätigt HSB-Sprecher Dirk Bahnsen. Seit Jahren zeichne sich ab, dass die spätestens alle acht Jahre fällige Rundumuntersuchung der historischen Zugmaschinen immer teurer und zeitintensiver werde.
Klar sei aber, dass das Erbe erhalten werden solle, so Bahnsen. „Wir wollen auch in zehn, 15 und 20 Jahren Dampflok fahren.“ Es gehe daher darum, unabhängiger von externen Dienstleistern zu werden – auch wenn man etwa mit dem Dampflokwerk Meiningen weiter zusammenarbeite.
Die regelmäßige Wartung solle jedoch künftig auf dem rund 25 000 Quadratmeter großen Gelände erledigt werden. Zwei Loks sollen zugleich unter die Lupe genommen werden können, erklärt HSB-Abteilungsleiter Uwe John. Diese können dann über drei Gleise in die Halle einfahren. Auf einem Montagegleis werde die Lok in ihre mehr als 4000 Einzelteile zerlegt. Diese würden gereinigt, untersucht und nach Bedarf repariert oder ersetzt. Auf einem der beiden anderen Gleise werde die Maschine dann von unten nach oben neu aufgebaut, erläutert John.
Der Rohbau ist bereits weitgediehen. Die rund 70 Meter lange, 35 Meter breite und 13.70 Meter hohe Halle wird von Stahlbetonpfeilern getragen. „Ende August soll das Dach geschlossen werden“, so John. Im September sollen die Seitenwände eingesetzt werden. Sie bestehen aus Glaselementen, die in das Stahlkorsett hineingestapelt werden. In die Halle hineinsehen kann man dann nicht mehr: Durch die getönten Scheiben könne man allenfalls Hell-Dunkel-Kontraste wahrnehmen, so der Abteilungsleiter. Vor die Gleise werden fünf Meter hohe Rolltore gesetzt.
Ab Herbst folgen laut Plan der Innenausbau, die technische Ausstattung und die Außenanlagen. Laut John werde zum Jahresende der große Portalkran erwartet, der Lasten von bis zu 60 Tonnen heben könne. Die Besuchergalerie im zweiten Obergeschoss steht bereits. Über ein separates Treppenhaus gelangen Gäste dann nach oben, um die Arbeiten an den Loks zu verfolgen.
Neben der Halle entstehen weitere Werkstätten, und eine Reinigungs- und Lackierkabine für Fahrzeugteile. Im ersten Obergeschoss sind Büro- und Sozialräume für die Mitarbeiter vorgesehen, deren Zahl in der Abteilung Fahrzeugtechnik von 45 auf 54 gestiegen ist. Es soll weiter eingestellt werden.
Im Frühjahr 2021 soll das Gebäude soweit fertig gestellt sein, dass der Betrieb anlaufen kann. HSB-Sprecher Bahnsen schätzt, dass es etwa ein Jahr dauern wird, bis die ersten Dampfloks, die zwischen 1897 und 1956 gebaut wurden, untersucht werden können. „Für uns ist das eine Premiere“, sagte Bahnsen. Derzeit absolvieren HSB-Mitarbeiter Schulungen, um sich auf die neue Aufgabe vorzubereiten.