Wirtschaft Mit Tradition in die Zukunft: Harzer Baufirma Stratie bereitet Generations-Wechsel vor
Blankenburg (jü). „Da kommen wir her“, sagt Andreas Ebert, Geschäftsführer der Blankenburger Stratie Bau GmbH , und zeigt voller Stolz auf das Foto einer acht Meter tiefen Baugrube, in die ein riesiges Betonrohr verlegt wird. Doch aus dem einstigen DDR-Wasserwirtschaftsbetrieb ist seit langem ein breit aufgestelltes Bauunternehmen geworden. Ob Straßenbau, Kanalbau, Neu- und Umbau bis hin zur Erschließung von Wohngebieten.
Erfolgsgeschichte im „Spiegel“
Den Grundstein für diese Erfolgsgeschichte hatte einst Andreas Eberts Vater Otto gelegt, der fast auf den Tag genau vor 30 Jahren mit mehreren Partnern in einem sogenannten Management Buy Out seinen ehemaligen Kombinats-Betrieb von der Treuhandgesellschaft gekauft hatte - Zu dieser Zeit die größte Privatisierung in Sachsen-Anhalt, der das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im Mai 1991 sogar einen mehrseitigen Beitrag widmete.
Vom DDR-Kombinatsbetrieb zur GmbH
„Besonders stolz sind wir darauf, dass es uns als einer der wenigen Betriebe mit einer Belegschaft von mehr als 100 Beschäftigten gelungen ist, den Weg von der Plan- in die Marktwirtschaft zu gehen“, blickt Andreas Ebert zurück. Viele der großen Firmen in und um Blankenburg wechselten nach der Wende die Geschäftsführer am laufenden Band, entließen hunderte Mitarbeiter. „Wir sind nahtlos vom VEB in einen neuen Betrieb übergegangen - ohne Entlassungen“, erinnert sich Senior Otto Ebert (88), der es immer noch als besonders wertvoll erachtet, den Kollegen einen sicheren Job ermöglicht zu haben. Und vor allem in der Region. „Unsere Mitarbeiter sind jeden Abend zu Haus. 30 Jahre lang haben wir pünktlich Lohn und Gehalt gezahlt“, ergänzt sein Sohn Andreas, der im April 1998 die Geschäftsführung übernommen hatte.
Geschäftsführer zieht sich zurück
Nun kündigt sich am Firmensitz an der Neuen Halberstädter Straße der nächste Generationswechsel an: Sven Schulze wird ab 2023 die Geschicke der Stratie Bau GmbH leiten, Andreas Ebert sich in das Tochterunternehmen Stratie Bauträger- und Immobilien GmbH zurückziehen. Mit 63 Jahren, so Ebert, sei es an der Zeit, die Firma in jüngere Hände zu legen. Sven Schulze ist 41 Jahre alt und in Wernigerode geboren. Der Vater zweier Töchter ist Bau-Ingenieur und bereits seit 2014 bei Stratie.
Somit hat er bereits ein gutes Stück des Weges der Baufirma mit gestaltet, die sich in den ersten Jahren nur auf die Altkreise Wernigerode und Halberstadt konzentriert hatte. So gab es wohl kaum ein Wohn- und Gewerbegebiet in der Region, das nicht von Stratie gebaut wurde: ob in der Lerchenbreite in Blankenburg, die Revitalisierung des Elmo-Geländes in Wernigerode, das Industriegebiet Ost und der Sülzegraben in Halberstadt.
Gewerbegebiete erschlossen
„Der Start wurde uns leicht gemacht“, blickt Otto Ebert zurück. Denn die ersten Aufträge – vor allem das Schaffen von Infrastruktur mit Wegen und Parkflächen - ähnelten denen aus DDR-Zeiten. „Technisch konnten wir uns schnell darauf einstellen – mit besseren und mehr Maschinen“, so Otto Ebert. Die Belegschaft war gut ausgebildet. Hinzu kam die Euphorie der Anfangsjahre. Ein weiteres Plus: Die Baubranche war nach Wende eine echte Konjunktur-Lokomotive. „Bis Ende der 90-er Jahre war unsere Branche das Zugpferd.“
Konjunktur-Lokomotive Baubranche
Trotzdem denkt er immer noch an nicht wenige schlaflose Nächte zurück, nachdem der Deal mit der Treuhand abgeschlossen war: Die scheinbar guten Konjunkturaussichten hatten den Kaufpreis in die Höhe getrieben. Darüber hinaus musste das junge Unternehmen fünf Jahre lang 500.000 D-Mark extra abführen. Zudem galt es, Arbeit für knapp 275 Mitarbeiter zu akquirieren – und das Tag für Tag. Auch 30 Jahre später mag er kaum glauben, dass die Treuhand-Manager mit ihrer Bewertung Recht behalten sollten: „Aber das war kein Selbstläufer.“
Nordharzautobahn als Meilenstein
Einen Meilenstein in der Firmengeschichte bildete der Bau der neuen Bundesstraße 6 – die heutige Autobahn 36. In Kooperation mit der Firma Oevermann wurde die Trasse von der Landesgrenze zu Niedersachsen bei Stapelburg bis fast vor die Haustür – der Abfahrt Blankenburg Zentrum – von Stratie gebaut. „Die Autobahn war für unsere ganze Region die wichtigste Investition. Wir hätten lange nicht so viele Touristen und Ansiedlungen hier ohne die A36“, ist Andreas Ebert überzeugt. Ein weiterer Vorteil: „Wir haben uns quasi eine eigene Trasse für neue Auftragsakquisen selbst gebaut“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Denn benötigten Autofahrer Anfang der 1990-er Jahre noch knapp zweieinhalb Stunden nach Braunschweig, waren es nun nur noch 45 Minuten. Mit dem Effekt, dass Stratie auch im angrenzenden Niedersachsen aktiv wurde: „Seit 2002 haben wir eine Oberbauleitung in Goslar und allein in der Stadt Braunschweig 65 Straßen grundhaft ausgebaut.“
140 Mitarbeiter und 15 Lehrlinge
„Wir wollen auch der nächsten Generation eine Perspektive für einen sicheren Arbeitsplatz am Bau geben“, betont Andreas Ebert. Davon zeugen nicht nur 15 Lehrlinge. Vier Auszubildende absolvieren aktuell ein Duales Studium. „Diese Art der Ausbildung hat sich sehr gut bewährt“, weiß der Firmenchef.
Aufträge für 750 Millionen Euro
In den vergangenen 30 Jahre habe die kleine Blankenburger Firma mit ihren aktuell 140 Mitarbeitern Bauleistungen von 750 Millionen Euro erbracht. Und selbst die Corona-Pandemie hat dieser Erfolgsgeschichte keinen Abbruch getan: „Wir gehören wohl neben Behörden und Kliniken zu jenen Bereichen, die bisher gut durchgekommen sind“, so Andreas Ebert. Die Auftragslage im Hochbau sei im vergangenen Jahr sogar leicht angestiegen. Auch für 2021 gebe es einen guten Vorlauf, der ihn weiterhin optimistisch stimme. Aktuell sind die orangefarbenen Baufahrzeuge mit dem blauen Firmenlogo natürlich auch in Blankenburg weiterhin aktiv: beim Ausbau der Herzogstraße.