Landtagswahl Neun Harzer ziehen ins Parlament ein
Insgesamt neun Abgeordnete werden den Harzkreis im nächsten Landtag vertreten. Neben vier Direktkandidaten rutschen fünf weitere über die jeweiligen Landeslisten ins Parlament.
Harzkreis - Es sind mehr als sieben Kandidaten: Über Nacht – also mit der Auszählung weiterer Wahlbezirke im Land und nach dem Redaktionsschluss in der Nacht zum Montag – haben sich die Zahlen noch einmal dahingehend verändert, dass insgesamt neun Harzer Politikern der Sprung in den Landtag gelungen ist. Neben den vier CDU-Leuten Angela Gorr, Thomas Krüger, Alexander Räuscher und Ulrich Thomas, die die vier Wahlkreise im Harzkreis direkt gewonnen haben, ist über die Listenplätze nicht nur Armin Willingmann (SPD), Andreas Henke (Die Linke) und Susan Sziborra-Seidlitz (Grüne) noch der Sprung in Landtag gelungen, sondern auch dem Halberstädter Christian Hecht (AfD) sowie der Hedersleberin Monika Hohmann (Die Linke).
Wahlkreis 16 (Wernigerode, Oberharz, Harzgerode)
„Ich freue mich sehr“, sagt Wahlsiegerin Angela Gorr (CDU). „Ich glaube, dass es weiter wichtig sein wird, mit den Bürgern über Politik, Probleme und Sorgen zu sprechen und politische Prozesse noch verständlicher zu machen.“ Das habe sie sich auf die Fahnen geschrieben. Gorr hat letztlich mit sechs Prozentpunkten Vorsprung vor ihrem SPD-Kontrahenten Armin Willingmann gewonnen. Der Sonntagabend sei für sie „spannend“ gewesen, weil Willingmann immer näher an sie heranrückte. „Als Minister und Ex-Rektor war er ein ernstzunehmender und wichtiger Gegenkandidat.“ Sie freue sich besonders, dass es gemeinsam gelungen sei, die AfD auf Platz drei zu stellen.
In Magdeburg gehe es nun an die Regierungsbildung. „Wie ich hörte, will sich die FDP zurückhalten“, so Gorr. „Das finde ich problematisch. Da werden viele Bürger enttäuscht sein.“ Die CDU biete jedenfalls Gespräche an. „Ich könnte mir schon eine andere Konstellation als mit den Grünen vorstellen. Das hat in den letzten Jahren manchmal geknirscht.“
Bestes SPD-Ergebnis im Land
24,4 Prozent für Armin Willingmann. Das ist das beste SPD-Ergebnis landesweit. „Ich habe mich über mein Abschneiden in der Stadt und im Kreis gefreut“, sagt Sachsen-Anhalts Noch-Wirtschaftsminister. „Ich werte das als eindrucksvolles Signal des Vertrauens und als Auftrag, weiter politisch zu arbeiten.“ Das landesweite Ergebnis dagegen sei „schlecht und kam unerwartet“, so Willingmann. „Wir haben uns in den vergangenen fünf Jahren politisch gut eingebracht.“ Das sei nicht in Stimmen umgemünzt worden. Er halte es aber persönlich für richtig, erneut politische Verantwortung in der Regierung zu übernehmen – gerne wieder als Minister. Das alles hänge nun von den anstehenden Sondierungsgesprächen ab. Was mögliche Konstellationen angeht, habe er keine Präferenz. „Wichtig ist ein belastbarer Koalitionsvertrag, um böse Überraschungen zu verhindern.“
„Das ist schade, hat mich aber nicht überrascht“, sagt Ruth Fiedler zum schlechten Ergebnis der Linken. Dass sie als Direktkandidatin herbe Verluste einstecken musste, kommt aus ihrer Sicht nicht von Ungefähr. „Ich habe das erste Mal für den Landtag kandidiert, bin eher unbekannt.“ 2016 seien es zudem vier Kandidaten gewesen und keine AfD, diesmal acht, auf die sich die Stimmen verteilt hätten.
Entsetzen über Anti-Wessi-Kampagne
Den Vorwurf, sie habe mit ihren „plakativen Protestaktionen“ nicht punkten können, weist Fiedler von sich. „Ich stehe aus Überzeugung auf dem Markt und nicht, um Wählerstimmen zu generieren.“ Kritik übt sie an der „Anti-Wessi“-Wahlkampagne ihrer Partei. „Das hat mich entsetzt“, sagt die gebürtige Baden-Württembergerin. Die Kampagne sei „rückwärtsgewandt“. „Das funktioniert nicht mehr.“
Oliver Mehne ist vom Abschneiden der AfD sehr enttäuscht. „Wir haben uns da viel mehr versprochen.“ Er selbst kam nur auf den dritten Rang. Die AfD lag im Wahlkreis 16 deutlich hinter der CDU. Das Abschneiden der CDU im Land bezeichnet er als „Erdrutschsieg“. „Das hat uns sehr überrascht.“
Wiedereinzug geschafft
Für die FDP sei es ein gutes Ergebnis, sagt Markus Leßmann. „Wir haben den Wiedereinzug in den Landtag geschafft, sieben Mandate errungen, die Fünf-Prozent-Hürde deutlich übersprungen.“ Auch auf das Abschneiden der FDP im Harz sei er stolz. „Damit liegen wir etwa im Landesschnitt.“ Gerade auch weil die SPD mit Armin Willingmann als Kandidat der CDU im Wahlkreis 16 kräftig etwas entgegengesetzt hat.
Denis Mau (Bündnis 90/Die Grünen) ist enttäuscht und erleichtert zugleich. „Ich habe mir 1000 Stimmen als Ziel gesetzt.“ Das habe er mit 967 Stimmen nicht ganz geschafft. Auch landesweit hätte er sich ein besseres Wahlergebnis für seine Partei erhofft, um Themen wie Umweltpolitik weiter voranbringen zu können. Froh und erleichtert sei er aber, dass die AfD Stimmen verloren habe. „Das ist mein Trostpflaster“, sagt Mau. Er wolle sich politisch nun weiter auf den Wernigeröder Stadtrat konzentrieren. „Ich gebe nicht auf.“
Ziel erreicht
André Weber (Freie Wähler) ist mit seinem Abschneiden zufrieden. „Ich hatte mir 1000 Stimmen vorgenommen. Das Ergebnis war mit 1124 Stimmen besser als erhofft.“ „Die Zweitstimme ist mit 2,6 Prozent sicher noch ausbaufähig. Da hatten wir mehr erwartet.“ Aus seiner Sicht habe sich der Wahlkampf zuletzt auf CDU oder AfD zugespitzt. „Da mussten alle anderen Parteien Federn lassen.“ Dazu komme, dass die Freien Wähler eine relativ junge Partei seien. „Da fehlt es noch an der Mitgliederbasis und der flächendeckenden Struktur.“ Dennoch sehe er das Ergebnis als „gute Grundlage“ für die nächsten Wahlen.
„Für mich ist es ein sehr gutes Ergebnis“, sagt Skadi Helmert (dieBasis), auch wenn sie die wenigsten Stimmen auf sich vereinen konnte. „Für den ersten Versuch ist es okay.“ Ihre Partei bleibe weiter dran, versichert sie. Auch mit Blick auf die im September anstehende Bundestagswahl. Es sei wichtig, den Leuten ein bisschen mehr Gehör zu verschaffen. Das vermisse sie bei den etablierten Parteien.
WK 15 (Blankenburg, Ilsenburg, Nordharz, Osterwieck)
Auch wenn die Erwartungshaltung seiner Partei höher war, zeigte sich AfD-Kandidat Christian Brandt persönlich mit seinem Ergebnis sehr zufrieden. Der Cattenstedter erreichte im Wahlkreis 15 mit 20,2 Prozent das zweitbeste Resultat der sieben Bewerber. „Als Unbekannter ist das für mich ein Riesenerfolg“, so Brandt, der nun weiter seine berufliche Karriere bei der Bundeswehr verfolge. Der Wahlabend selbst verlief bei ihm fast schon wie ein normaler Sonntag: mit Freunden beim Grillen. Politisch werde er sich weiter engagieren: „Ich hoffe, es wird ein nächstes Mal geben. Ich werde auf alle Fälle darauf hinarbeiten, 2026 wieder mit von der Partie zu sein“, so Brandt. Aktuell gelte es aber, alle Wahlplakate wieder abzunehmen.
Nicht viel Zeit zum Feiern blieb CDU-Wahlsieger Alexander Räuscher. Nach einem Notartermin am Montagmorgen in Wernigerode ging es für ihn zur ersten von zwei Fraktionssitzungen nach Magdeburg. Persönlich habe er sich sehr über das Ergebnis gefreut, das für ihn in der Höhe überraschend war: „Als ich die erste Prognose gesehen habe, hab ich zuerst gedacht: ,Wer hat sich denn die ausgedacht’?“, bekannte der Osterwiecker Unternehmer. Insgesamt habe sich ausgezahlt, im Wahlkampf nicht zu polarisieren, sondern auf Sachthemen zu setzen.
Konkurrenzkampf CDU gegen AfD
Mit ihrem Erststimmen-Ergebnis zeigte sich auch Stefanie Riedel zufrieden. „Als Partei hätten wir uns natürlich mehr erhofft“, so die Kandidatin der Freien Wähler. Als größtes Handicap wertete sie, dass sie aufgrund der Corona-Lage nur schwer mit Wählern in persönliche Gespräche kommen konnte und sich der Wahlkampf letztlich auf den Konkurrenzkampf zwischen CDU und AfD zugespitzt hatte.
Überrascht, dass es landesweit nur acht Prozent waren, zeigte sich Florian Fahrtmann. „Das hat die SPD nicht verdient. Wir haben inhaltlich einen sachlichen Wahlkampf gemacht - ohne Stimmungsmache“, so der Ilsenburger, der für die SPD in seinem Wahlkreis beachtliche zwölf Prozent erzielte und mit 18 Prozent der Erststimmen das drittbeste Ergebnis aller SPD-Kandidaten in Sachsen-Anhalt. Nach einem kurzen Abstecher am Wahlabend nach Magdeburg kam er mit seinem Team in Ilsenburg zusammen, wo er sogar CDU-Kandidat Alexander Räuscher auf Platz zwei verwiesen hatte. „Für uns war es ein Riesenerfolg. Wir haben eine tolle Wahl hingelegt, sind positiv aufgetreten und haben mit eigenen Themen gepunktet“, so Fahrtmann, der seinem Team mit Melanie Böttcher, Christina Lüdtke-Dittmar und Christian Werner ein Riesenkompliment machte.
Wenig Gehör für soziale Gerechtigkeit
„Enttäuscht und traurig“, dass die gerade während der Corona-Pandemie offen zutage getretene Probleme wie fehlende Lehrer und schlechte digitale Infrastruktur an Schulen zur Wahl kaum eine Rolle gespielt hätten, zeigte sich Michael Körtge. Dass er und seine Partei Die Linke solch ein schlechtes Ergebnis einfahren, hätte er nicht vermutet. „Ich bin grundsätzlich enttäuscht, dass unsere Vorschläge und Vorstellungen für mehr soziale Gerechtigkeit so wenig Gehör gefunden haben“, bekannte er. Zwar habe die Linke im Harzkreis „einen sehr guten Wahlkampf geführt“, doch seien viele Wähler durch ein von einigen CDU-Bürgermeistern und dem Landrat gezeichnetes Untergangszenario verunsichert worden.
Die von guten Umfrageergebnissen in anderen Teilen Deutschlands getragenen Bündnis-Grünen sind im Wahlkreis 15 wieder auf den Boden der Realität geholt worden. Kandidat Jens Kiebjieß aus Osterwieck wertete das Ergebnis als „durchwachsen“, wobei er selbst schlechter abschnitt als noch vor fünf Jahren. Als einen möglichen Grund dafür nannte er das zwischenzeitliche Umfragehoch der AfD: „Das hat vielleicht viele Wähler wach gerüttelt, die dann doch der CDU ihre Stimme gegeben haben, weil sie damit auf Nummer sicher gehen wollten.“ Nun schaue er nach Magdeburg. „Ich gehe davon aus, dass die CDU mit der SPD eine Koalition eingeht - eventuell auch noch mit der FDP“, so Kiebjieß. Ob die Grünen bei einer Regierungsbildung noch eine Rolle spielen, werde sich zeigen. „Mein Gefühl sagt mir aber: Wir sind raus.“
Grund zur Freude hat dagegen Robert Möbius aus Blankenburg. „Ich bin mit meinem Ergebnis zufrieden“, sagte der FDP-Kandidat, der den Wahlabend im engen Familienkreis verfolgt hat. „Ich war aber ständig mit Magdeburg verbunden und habe von dort die positive Stimmung aufgenommen. Es war wichtig, dass wir wieder in den Landtag gekommen sind“, so Möbius, der sichtlich froh darüber ist, als „Neuling“ im Landesschnitt geblieben zu sein. Er blickt zudem schon optimistisch voraus: „Beim nächsten Mal können wir vielleicht noch etwas drauflegen.“