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Schierke Winterberg: Jenseits der roten Linie?

Kosten, Hürden im Genehmigungsverfahren, Forderungen für Planungen: Wernigerodes Oberbürgermeister geht in die Defensive.

Von Ivonne Sielaff 19.05.2019, 04:00

Wernigerode l Für den Bau der Erlebniswelt am Schierker Winterberg muss die Stadt tiefer in die Tasche greifen als angenommen. Wernigerode will das Seilbahn-Projekt mit Investor Gerhard Bürger und seiner Winterberg Schierke GmbH realisieren. Die Stadt ist für den Aufbau der Infrastruktur zuständig. Rund 9,7 Millionen Euro wurden bislang für Skipistenbau, Speicherteich, Ver- und Entsorgungsmedien und die Wasserfassung kalkuliert. Inzwischen rechnet die Stadt mit rund 11,49 Millionen Euro – also 1,8 Millionen Euro mehr. Ein Großteil der Summe – etwa 9,76 Millionen Euro – soll mit Fördergeld finanziert werden, das das Land in Aussicht gestellt hat. Die restlichen 1,72 Millionen Euro müssen aus der Stadtkasse beglichen werden. Eingeplant waren bisher lediglich 970 000 Euro.

„Ich will das nicht schön reden, aber wir kennen die Entwicklung in der Baubranche“, so Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) in der Sitzung des Stadtrats. „Die ursprünglichen Planungen liegen einige Zeit zurück.“

Dass die Stadtverwaltung plötzlich mit neuen Zahlen rausrückt, kommt nicht von ungefähr. Matthias Winkelmann (CDU) hatte nach der Kostenexplosion beim Bau der Einsatzzentrale für Feuerwehr, Bergwacht und Bauhof in Schierke eine neue Kalkulation für den Winterberg verlangt. Erst daraufhin hatte die Verwaltung geliefert.

Die schriftliche Antwort aus der Feder von Ordnungsdezernent Christian Fischer weist noch weitere Baustellen finanzieller Art aus. So geht aus dem Papier hervor, dass die Kosten für den Ausbau der verkehrlichen Infrastruktur, für den Schallschutz und den geplanten Parkplatz überhaupt noch nicht in die Rechnung einbezogen wurden. „Das ist kein Inklusivpaket“, so Fischer gegenüber der Volksstimme. „Ich habe das deshalb fairerweise mit rein geschrieben.“ Für den Bau des Parkplatzes könne man sich eventuell eines „Dritten bedienen“. Die Finanzierung für den Ausbau von Wegen und Straßen sowie die „absehbar notwendigen Schallschutzmaßnahmen“ sind laut Fischer noch nicht abschließend geklärt.

Und noch ein anderes offenbar schwerwiegendes Problem beschäftigt die Verwaltungsspitze. Im Rathaus wird geprüft, ob der Stadt die Nutzung von Planungsunterlagen der Winterberg Schierke GmbH in Rechnung gestellt werden könnte. Die Stadt habe die Planungen weder in Auftrag gegeben noch finanziert, verwende sie aber mit Erlaubnis des Investors in den laufenden Verwaltungsverfahren, stellte Dezernent Fischer in der Sitzung klar. Bisher habe es keine Forderung der GmbH in Richtung Wernigerode gegeben. „Aber die Kosten stehen im Raum. Da sind noch Gespräche zu führen.“

Sollte für die Stadt eine Rechtspflicht zum Ersatz der Planungsleistungen bestehen, könnte es teuer werden. Allein für die notwendigen Umplanungen der Seilbahntrasse wären 310 000 Euro fällig. Investor Bürger hatte diesen Anteil von der Stadt gefordert, aber nicht erhalten. Weil abzusehen war, dass die entsprechende Beschlussvorlage keine politische Mehrheit findet, hatte OB Gaffert sie Ende 2018 vor der Abstimmung zurückgezogen. Bürger ließ dennoch weiter planen, ohne dass Geld von der Stadt floss. Und das ist nicht alles. Es ist kein Geheimnis, dass seine GmbH auch davor schon Planungen für die Stadt verauslagt hat. „Das Thema liegt auf meinem Tisch“, so Fischer zur Volksstimme. „Ich prüfe auf eventuelle Prozessrisiken.“

Derweil muss die Stadt in Sachen Raumordnungsverfahren nacharbeiten. Das hatte jüngst die vom Verkehrsministerium anberaumte zweitägige Erörterung ergeben. „Für uns ist deutlich geworden, dass die Kritik am Projekt sehr substantiell ist“, so ein sichtlich zerknirschter Oberbürgermeister. Die umweltrechtlichen Belange würden dabei eine große Rolle spielen. „Wir sind aufgefordert, bis zum 22. Mai zu einigen Punkten nachzuarbeiten. Wir arbeiten daran, dass der Termin gehalten werden kann.“ Aufgrund der langen Laufzeit des Projektes stehe die Stadt ständig vor neuen Herausforderungen, „deren Komplexität nicht vorherzusehen war“, so Gaffert. Die Hürden seien „unglaublich hoch. Man hat es uns wirklich nicht leicht gemacht.“

Dennoch werden Gaffert wie auch der Investor den Ausgang des Raumordnungsordnungsverfahrens abwarten. Danach will der OB das weitere Vorgehen mit den Stadträten besprechen. „Wegen einer Million Euro Mehrkosten müssen wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.“ Er sehe durchaus Potenzial in der Verwaltung. „Aber wir sollten Risiken abwägen und schauen, was möglich ist“, so Gaffert ganz ohne die gewohnte Euphorie. „Wir müssen Prioritäten setzen. Wenn das Geld nicht reicht oder der Winterberg keine Priorität hat, müssen wir das Projekt nach hinten schieben oder abspecken.“ Die rote Linie lege der Stadtrat fest, so Gaffert. Es sei eine politische Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Stadt weiter Geld in das Projekt stecke.Kommentar/Seite 21