Schmalspurbahn Grünes Licht für gläserne Werkstatt
Für die geplante gläserne Werkstatt in Wernigerode liegt den Harzer Schmalspurbahnen (HSB) die Genehmigung vor. 2020 soll der Bau starten.
Wernigerode l Es gibt Momente und Themen, da sind die Vertreter der HSB-Chefetage alles andere als amüsiert. Beispielsweise wenn es um den dampfbetriebenen Fuhrpark und damit um das Herzstück und Aushängeschild der Schmalspurbahn geht. Aktuell fehlen im betriebsfähigen Bestand der HSB zwei Dampfmaschinen. Der Grund: Die Experten in der Dampflok-Schmiede im thüringischen Meiningen kommen mit den Arbeiten für die turnusmäßig fälligen Haupt- untersuchungen der beiden Maschinen nicht hinterher. Der daraus resultierende zeitliche Verzug nötigt die Verantwortlichen der HSB zu einem Schritt, der einem Tabubruch gleichkommt: Auf der Brockenbahn – Glanzstück und Touristenmagnet der HSB gleichermaßen – müssen in diesem Sommerfahrplan erstmals auch Dieselloks eingesetzt werden.
Ein Schritt, den die Manager an der Spitze der HSB besser heute als morgen korrigieren möchten. Allein: Die jetzigen baulichen und technologischen Möglichkeiten in der betagten, 1936 gebauten Lokwerkstatt am Bahnhof Wernigerode-Westerntor setzen ihnen Grenzen. Eine Dampflok in ihre 4000 bis 5000 Einzelteile zu zerlegen, scheitert bereits am fehlenden Platz.
Deshalb soll auf dem vis à vis gelegenen Ochsenteichgelände eine entsprechend großzügig geschnittene gläserne Lokwerkstatt gebaut werden. Nun hat das Projekt mit 10,5 Millionen Euro Investitionsvolumen die nächste entscheidende Hürde genommen: Nach Angaben von HSB-Sprecherin Heide Baumgärtner liegt seit wenigen Tagen die Baugenehmigung vor.
Damit, so die Unternehmenssprecherin, seien nun die Weichen für die europaweite Ausschreibung und Vergabe der Bauleistung gestellt. Wenn hierbei alles planmäßig laufe, könne der praktische Part des Werkstattneubaus Anfang kommenden Jahres starten.
Dann soll binnen anderthalb Jahren auf dem Areal des Ochsenteichgeländes eine rund 70 mal 30 Meter große Werkstatt mit direkter Anbindung ans HSB-Streckennetz gebaut werden. „Wir planen dort vier Werkstatt-Gleise mit den entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten und Hebetechnik“, skizziert die Unternehmenssprecherin die Pläne. Hinzu komme ein Gleis mit Prüf- und Abnahmetechnik im Außenbereich. Und besagter gläserner Bereich für Gäste: Interessierte Besucher sollen die Möglichkeit bekommen, den HSB-Mechanikern von einem gläsernen Gang aus erhöhter Perspektive bei der Arbeit zuzuschauen.
Jene Transparenz ist nur ein Aspekt, gewissermaßen ein I-Tüpfelchen des Gesamtvorhabens, an dem die HSB-Manager bereits seit 2007 feilen. Insbesondere wollen sie mit diesem Schritt unabhängiger werden von externen Dienstleistern wie besagter Dampflok-Schmiede in Meiningen.
In der thüringischen Stadt befand sich zu DDR-Zeiten das auf Wartung und Instandsetzung von Dampfloks spezialisierte Reichsbahnausbesserungswerk. Es hat die Wendejahre nicht nur überlebt, sondern sich als Dampflok-Schmiede über Ländergrenzen hinweg einen Namen gemacht.
Jenes Renommee hat freilich seinen Preis: Die Mechaniker sind wegen ihres Fachwissens nicht nur bundesweit gefragt, die Verweildauer für eine alle acht Jahre fällige Hauptuntersuchung (HU) der Dampfrösser ist deshalb deutlich länger geworden. Während früher die einsatzarmen Monate des Winterfahrplans ausgereicht hätten, zwei Maschinen zur HU zu schicken, sei das heute leider nicht mehr der Fall, berichtet Heide Baumgärtner.
Daher die aktuellen Engpässe beim Fuhrpark und der Zwang, auch mit Dieselmaschinen auf den Brocken zu fahren. Hinzu komme die Kostenexplosion: Habe eine Hauptuntersuchung Anfang/Mitte der 1990er Jahre noch mit 125.000 Mark zu Buche geschlagen, müssten dafür heute zwischen 800.000 und eine Million Euro hingeblättert werden.
Nicht nur diese beiden Aspekte haben die HSB-Manager schon vor Jahren motiviert, die Planungen für eine moderne, großzügige Werkstatt voranzutreiben. Letztlich wollen die Verantwortlichen die Rahmenbedingungen rund um die Dampfmaschinen in ihrer Hand behalten. „Die Dampfloks sind heute wie auch künftig unser Pfund. Und unsere Zukunft wollen wir mit unseren eigenen Mitarbeitern selbst sichern“, betont Heide Baumgärtner. Letztlich gehe es bei der Millionen-Investition auch darum, von Meiningen und der dortigen Entwicklung unabhängig zu werden.
Jene Investition stemmt die HSB übrigens aus eigener Kraft. Fördermittel oder Zuschüsse gebe es nicht, so die Unternehmenssprecherin. Die Bauzeit für die gläserne Werkstatt werde auf ein bis anderthalb Jahre veranschlagt. Folglich sei – bei einem Baustart Anfang kommenden Jahres – mit einer Einweihung im Jahr 2021 zu rechnen.
Gänzlich unabhängig von Meinigen – gewissermaßen der Uniklinik für Dampfrösser in Europa – werde man damit allerdings nicht. Auch künftig gebe es einige Arbeitsschritte, die allein dort realisiert werden könnten. Aber: Allein mit dem weitgehenden Lösen vom Monopolisten in Thüringen lassen sich nach Angaben von HSB-Betriebsleiter Jörg Bauer jährlich rund zwei Millionen Euro einsparen.