Wernigerode l So attraktiv die HSB mit ihrem 140 Kilometer langen meterspurigen Netz bei Touristen sind, so schwierig gestaltet sich die Personalsituation. Heizer, Lokführer und Zugbegleiter zu finden, sei und bleibe extrem schwierig, räumt Unternehmenssprecher Dirk Bahnsen ein. Zwar gibt das Land dem Unternehmen 2019 erstmals 1,5 Millionen Euro mehr an Zuschüssen, damit das HSB-Lohnniveau dem marktüblichen Rahmen angepasst und so ein Wettbewerbsnachteil bei der Personalsuche abgestellt werden kann. Ob dieser Plan aufgeht, bleibt abzuwarten.
Eine Folge der akuten Personalsituation wird mit dem Sommerfahrplan ab 27. April und zuvor bereits ab 6. April bei Fahrten hinauf zum Brocken deutlich. Mit dem Sommerfahrplan werden die täglichen Fahrten von den sonst üblichen elf Zugpaaren (rauf/runter) auf neun reduziert. Nur in bestimmten Zeitabschnitten bleibt es bei elf Zugpaaren, dann jedoch mit einem großen Aber: Gezogen werden die Züge dann von auf Meterspur umgebauten Dieselloks der Baureihe V 100.
Die HSB wirft mit diesem Schritt einen Grundsatz der Unternehmensphilosophie aus den 1990er Jahren über Bord. Demnach sollten Personenzüge stets von Dampfloks gezogen werden. Eigentlich. Später gab es schon Kompromisse, indem Dieseltriebwagen eingesetzt wurden. Nun aber sogar die einst für die Regelspur (1435 Millimeter) konzipierten und vergleichsweise wuchtigen Maschinen der Baureihe V 100 vor die meterspurigen Züge zu spannen, ist eine gänzlich neue Perspektive, ein Notnagel, wie Bahnsen sagt.
Und nach seinen Worten ein Kompromiss, der vor allem dem Personalengpass geschuldet sei. „Wenn wir regulär mit Dampflok fahren, brauchen wir pro Zug mindestens drei Beschäftigte: Lokführer, Heizer und Zugführer. Bei Dieseltraktion reichen hingegen Lokführer und Zugführer.“
Letztlich, so Bahnsen, haben sich die HSB – nachdem im Herbst 2018 erste Brockenzüge sporadisch mit Dieselloks gefahren wurden – für diesen Schritt entschieden. Und das, ist der Firmensprecher überzeugt, sei ja keine absolute Katastrophe. „Natürlich wollen die Touristen, die in den Harz kommen, Dampfloks sehen“, stellt der 54-Jährige klar. Er sieht aber auch beim Dieseleinsatz Alleinstellungsmerkmale: „Es gibt viele Diesellok-Fans, die V 100 sind mittlerweile auch 40 Jahre alt und wir sind deutschlandweit die einzige Bahn, die solche Loks planmäßig vor Personenzügen hat.“
Ob diese Argumente die Touristen und Bahnfans überzeugen werden, bleibt abzuwarten. Hinzu kommt: Die Ausdünnung des Dampfbetriebs ist laut HSB-Sprecher auch technisch alternativlos. Grund sind Probleme beim Fuhrpark, die immer akuter würden. Die Dampfloks sind alt – die ältesten Mallet-Loks der Baureihe 99.59 wurden zwischen 1897 und 1901 gebaut. Und auch die 17 Mitte der 1950er Jahren in Babelsberg gefertigten Neubau-Dampfloks, mit denen heute insbesondere die Brockenfahrten absolviert werden, sind längst in die Jahre gekommen.
Die Folgen: Planmäßige Reparaturen und Untersuchungsintervalle und obendrein immer mehr Havarien. „Wir verzeichnen viele Schäden an den Loks“, sagt Bahnsen. Das Problem: Für die regulären Untersuchungen sei die Dampflokschmiede in Meiningen fast immer alternativlos. Dort aber würden die Werkstattintervalle immer länger. „1994 hat eine Untersuchung acht Wochen gedauert und 250 000 Mark gekostet. Heute müssen wird acht Monate und 750 000 Euro dafür einplanen“, sagt Bahnsen.
Hinzu komme das generelle Ersatzteilproblem. „Die Teile kann man ja nicht wie bei Autos im Katalog bestellen.“ Zwei Mallet-Loks warteten seit Monaten auf neue Antriebskurbeln – die Hersteller seien voll ausgelastet. Teilweise müsse zwei Jahre auf Ersatzteile gewartet werden.
Zwar erhofft sich die HSB mit ihrer neuen, zehn Millionen Euro teuren Lokwerkstatt eine gewisse Entspannung, weil dann mehr Reparaturen in Eigenregie möglich werden. Allerdings kann die Werkstatt – optimistisch betrachtet – frühestens 2020/21 in Betrieb gehen. Soll dann mehr in Eigenregie realisiert werden, müssten auch mehr Fachleute her. Und selbst dann bleibe Meiningen für bestimmte Arbeitsschritte alternativlos, so Bahnsen.
Alternativlos – das sei letztlich auch mit Blick auf finanzielle Möglichkeiten das Stichwort. Mehr Geld in die Hand zu nehmen, um Personal mit höheren Löhnen zu locken und zu halten, dürfte aufgrund der hohen Gesamtdefizite der HSB illusorisch sein. Zwar fährt die Brockenbahn nach Bahnsens Worten schwarze Zahlen ein – nur dank dieser Erlöse sei jedoch der Betrieb auf anderen, defizitären Streckenabschnitten überhaupt möglich. „Letztlich erwirtschaften wir einen Kostendeckungsgrad von 55 bis 60 Prozent. Die Defizite gleichen Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie die neun Gesellschafter gemeinsam aus.“
Carola Schmidt, die Geschäftsführerin des Harzer Tourismusverbandes (HTV), plädiert dafür, der „gewiss nicht leichten Entscheidung der HSB“ eine Chance zu geben und in Ruhe zu schauen, wie die Fahrgäste darauf reagieren und die Dieselzüge nutzen.