Kirchenverkauf Stiftung will alle Register ziehen
Mit der Umnutzung der Liebfrauenkirche zum Konzertsaal wird das Wernigeröder Gotteshaus für die Zukunft gerettet.
Wernigerode l Der erste Schritt ist getan. Die Liebfrauenkirche ist verkauft. Neuer Besitzer ist die Kulturstiftung Wernigerode mit Rainer Schulze an der Spitze. Und der Buchhändler hat große Pläne, will die Kirche zu einem Konzertsaal umbauen. „Die Gelegenheit ist günstig, die Kirche zu erhalten, einer langfristigen Nutzung zuzuführen und die Burgstraße damit deutlich aufzuwerten“, so Schulze im Gespräch mit der Harzer Volksstimme.
Die Idee ist nicht neu, wie Siegfried Siegel vom Gemeindekirchenrat St. Sylvestri und Liebfrauen bestätigt. „Vor 20 Jahren haben wir angefangen, uns mit dem Thema Umnutzung zu befassen.“ Die Kirchgemeinde stand vor einem Problem: stetig sinkende Mitgliederzahlen und mit der Sylvestrikirche, der Liebfrauenkirche und der Theobaldikapelle drei Gotteshäuser, die zu unterhalten und zu erhalten waren. Die Gemeinde geriet an die Grenze ihre wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Was folgte, waren intensive Planungen und Gespräche mit Landkreis, Stadt sowie Kammerorchester und Musikschulen als Nutzer der neuen Veranstaltungsstätte. Weil sich die Denkmalbehörde querstellte, wurden die Pläne auf Eis gelegt. Vorerst.
Denn die Probleme der Gemeinde sind nicht kleiner geworden. 1600 Gemeindemitglieder, nur ein Teil davon besucht die Gottesdienste regelmäßig. „Drei Kirchen können wir uns auf Dauer nicht leisten“, so Siegel. Die Überlegungen zur Umnutzung seien 2016 wieder aufgenommen worden. Vor allem weil sich die Rahmenbedingungen für den großen Schritt verbessert hatten. Die Zukunft des Philharmonischen Kammerorchesters sei für die nächsten Jahre gesichert. Zudem habe die Kirchengemeinde mit Rainer Schulze und seiner Kulturstiftung einen Partner an der Seite. „In den vergangenen anderthalb Jahren haben wir das Projekt mit potentiellen Partnern, staatlichen und kirchlichen Behörden beraten und weiter entwickelt“, sagt Siegel. Der Kaufvertrag zwischen Gemeinde und Stiftung sei am 9. Januar unterzeichnet und notariell beglaubigt worden.
„Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen“, blickt Siegfried Siegel auf die letzten Monate zurück. Über Jahrhunderte seien Wernigeröder in dem Gotteshaus getauft worden, hätten ihrer Toten dort gedacht. „Die Kirche ist mit dem Leben der Wernigeröder verbunden. Da hängen Emotionen dran.“ Dennoch hofft der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, dass „aus dem Verlust etwas Gutes für die Stadt und die Gemeinde wächst“.
Dessen ist sich Rainer Schulze sicher. Etwa 550 Zuschauerplätze habe die Kirche nach ihrer Umgestaltung, das sei eine Größe, die im Umkreis von 50 Kilometern fehlt. Ilsenburgs Harzlandhalle habe zwar 2.000 Plätze, das sei wiederum zu groß, so Schulze. Und das KiK in Wernigerode mit 400 Plätzen habe nicht die optimale Akustik.
Die wertvolle Sauer-Orgel bleibt im Besitz der Kirchgemeinde und kann für Konzerte genutzt werden. Das Gebäude habe beste akustische Voraussetzungen, das hätten Experten herausgefunden. Die Stiftung sei sich mit dem Kammerorchester einig, es hätte in der Kirche einen 1a-Probenraum und würde im benachbarten Pfarrhaus Domizil beziehen. Mit den Besitzern sei man im Gespräch. „Orchesterchef Christian Fitzner ist begeistert. Die neuen Bedingungen werden die Qualität der Musiker verbessern, öffentliche Proben und große Konzerte sind denkbar.“
Um die Veranstaltungsstätte zu betreiben, hat Schulze eine GmbH gegründet. Mit der Hochschule Harz werde ein Betreiberkonzept erarbeitet. „Ziel ist es, dass sich der Konzertsaal selbst trägt. Das ist außergewöhnlich. Normalerweise kostet Kultur immer Geld.“ Die Finanzierung der Bauarbeiten sei größtenteils gesichert. Rund 5 Millionen Euro sind für den Umbau notwendig. Knapp 4 Millionen kommen als Förderung vom Land. Bedingung: Der Umbau müsste bis Ende 2021 erfolgt sein.
Knackpunkt ist die fehlende Million Euro, wie sich bei Schulzes Präsentation im Kulturausschuss zeigte. „Das sind etwa 300.000 Euro pro Jahr kommunaler Eigenanteil“, fasste Sozialdezernent Christian Fischer zusammen, „damit jeder das Preisschild kennt“. Zu dieser Summe müssten sich Stadtverwaltung und Stadträte bekennen.
Für alle Fälle hat sich die Kirchgemeinde ein Hintertürchen offen gelassen. Sollte die Finanzierung innerhalb von fünf Jahren nicht stehen, fällt die Liebfrauenkirche an die Gemeinde zurück.