Straßenbau Händler sehen Existenz bedroht
Über den Bauverzug in der Breiten Straße in Wernigerode ärgern sich die Gewerbetreibenden.
Wernigerode l Die Breite Straße in Wernigerode wird seit März zur Flaniermeile umgestaltet. Schon jetzt – im ersten Abschnitt zwischen Grubestraße und Grüner Straße – verzögern sich die Arbeiten erheblich, wie Bauamtsleiter Jörg Völkel im Bauausschuss auf Nachfrage von Stadtratsmitglied Matthias Winkelmann (CDU) einräumte. „Der Aufwand beim Erneuern des Leitungssystems ist ähnlich groß wie in der Nöschenröder Straße“, so Völkel.
100 Jahre hätten keine Tiefbauarbeiten in diesem Teil der Stadt stattgefunden, die Rohre lägen sehr tief. Die Stadtecke sei zudem Tiefpunkt des gesamten Entwässerungsnetzes von Wernigerode. Das Hochwasser vom Juli habe dort besonders viel Schaden angerichtet und die Arbeiten im Zeitplan zurückgeworfen. Sein Fazit: „Es ist nicht schaffbar in einem Jahr.“
Deshalb habe sich die Verwaltung entschieden, die Bauabschnitte zu verkleinern, so Völkel. Der zweite Abschnitt werde 2018, der dritte 2019 und der vierte 2020 begonnen. „Die Behinderungen durch kleinere Bauabschnitte werden geringer“, ist er überzeugt. „Die Sperrungen werden kürzer, für die Gewerbetreibenden dadurch leichter zu überbrücken.“
Trotz Bauverzug werde die Verwaltung die Straße für den Weihnachtsmarkt herrichten können. „Wir haben erst vor Kurzem mit dem Straßeneinbau begonnen, werden es vor dem Weihnachtsmarkt nicht schaffen, zu pflastern“, so Jörg Völkel. „Die Straße wird stattdessen provisorisch mit einer zehn Zentimeter dicken Asphaltschicht geschlossen.“ Beide Gehwege sollen derweil fertiggestellt werden. Auch auf den folgenden drei Abschnitten soll die Fahrbahn zunächst asphaltiert werden. „Im Anschluss wird die Breite Straße auf der gesamten Länge gepflastert, nur so sieht das Pflaster am Ende aus wie aus einem Guss“, erläuterte der Bauamtsleiter.
Den ansässigen Gewerbetreibenden gehen die Arbeiten in der Geschäftsstraße deutlich zu langsam voran. Allen voran kritisiert Stephan Drube den „schneckengleichen Ausbau“, wie er gegenüber Volksstimme sagt. Dieser sei „existenzgefährdend“ für Geschäftsinhaber. Er hat einen offenen Brief an Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) verfasst und fordert, dass mehr Arbeiter auf der Baustelle eingesetzt werden. Die Umgestaltung begrüßt er jedoch ausdrücklich.
„Die Gewerbetreibenden der unteren Breiten Straße, die die Steuern erwirtschaften, womit derartige Verbesserungsarbeiten finanziert werden können, benötigen eine doppelt so schnelle Durchführung der Arbeiten“, schreibt der ehemalige Lehrer. Die Stadtverwaltung könne die Bauzeit durch geschickte Vertragsgestaltung verkürzen, schlägt er vor.
Weiter schreibt er: „Unbedingt muss eine größere Anzahl von Arbeitern eingesetzt und die Arbeiten besser geplant werden.“ Diese Anregung hatte Stephan Drube bereits in der vergangenen Stadtratssitzung Ende September in der Einwohnerfragestunde gegeben – und eine für ihn enttäuschende Antwort von Baudezernent Burkhard Rudo erhalten. Rudo sagte, er könne nicht bestätigen, dass mehr Personal dafür sorgen würde, dass es schneller geht.
Stephan Drube sieht die Verwaltung in der Pflicht, den betroffenen Gewerbetreibenden unter die Arme zu greifen. Er schlägt in seinem Brief vor, einen „Fonds zur Kompensation der zu erwartenden Ausfälle“ einzurichten. Denn neben den geringeren Einnahmen durch die fehlende Laufkundschaft hätten die Unternehmer mit den gleichbleibend hohen Mieten für die Ladengeschäfte zu kämpfen.
Dass nun auf insgesamt vier Abschnitten und damit länger gebaut wird, sieht Drube kritisch. „Potenzielle Kunden sehen die Baustelle aus der Ferne und drehen ab“, vermutet er. Um dem entgegenzuwirken, hat er einen Vorschlag: Passanten könnten durch eine Tafel am Beginn der Baustelle in der Breiten Straße sowie an der Stadtecke informiert werden, auf denen alle Händler und Unternehmen aufgelistet sind, die vom Ausbau betroffen sind.
Er habe seinen Brief den ansässigen Gewerbetreibenden gezeigt. „Ich habe viel Zustimmung erhalten, einige haben sich jedoch distanziert und wollen eigene Briefe schreiben“, so Drube. „Mir ist wichtig, dass die Verwaltung auf das Problem aufmerksam gemacht wird.“ Wie man auf den Brief im Rathaus reagiert, war am Dienstag nicht zu erfahren.
Zum Hintergrund: Der Baustart in der Breiten Straße war ursprünglich bereits für 2016 geplant, ist aber wegen Problemen bei der Beantragung von Fördergeld verschoben worden. Die Stadtwerke Wernigerode und der Wasser- und Abwasserverband erneuern im Zuge des Gemeinschaftsvorhabens ihre unter der Straße verlaufenden Leitungen. Die Stadtverwaltung kümmert sich um die Erneuerung der Fahrbahndecke sowie um die Nebenanlagen mit Gehsteigen und Beleuchtung.
Optisch soll sich der 320 Meter lange Straßenabschnitt der Fußgängerzone angleichen. Die Parknischen fallen weg. Die Fahrbahnbreite wird auf 4,75 Meter reduziert, Überholen ist dann nicht mehr möglich. Die Fußwege werden breiter und barrierefrei. Statt zwei Busstopps wird es nur noch einen geben. Was bleibt, ist die Tempo-20-Zone.
Ziel ist, die Attraktivität der Straße zu erhöhen, das Verkehrsaufkommen zu verringern und Konflikten zwischen Auto-, Radfahrern und Fußgängern vorzubeugen.