Wernigerode l Sturmtief "Friederike" pfeift über den Harz, wie vom Wetterdienst vorhergesagt - von 14 bis 19 Uhr. Gleich mit Beginn ist Schierke von der Außenwelt abgeschnitten.
"Friederike" lässt Bäume fallen wie Streichhölzer, selbst die Winterdienstfahrzeuge steckten fest. Polizei und Kreisverwaltung sperren zahlreiche Straßen und raten von jeglichen Fahrten ab. "Wer jetzt dort oben unterwegs ist, begibt sich in Lebensgefahr", so Michael Scholz von der Straßenmeisterei in Wernigerode. Wie riskant Einsätze werden können, erleben beispielsweise die Heimburger Feuerwehrleute, die im Trecktal unterwegs sind und von umgekippten Bäumen eingeschlossen werden.
"Friederike", die auf den Tag genau elf Jahre nach dem verheerenden Orkan "Kyrill" über den Harz hinweg zieht, ist nach Einschätzung des Wernigeröder Kristenstabes nicht so heftig, doch toppt einen Fakt. Am Mittag werden auf den Brocken Windspitzen von 205 Kilometer pro Stunde gemessen. "Das ist der höchste Wert seit 1991", so Wettertechniker Marc Kinkeldey. Er harrt mit Ingo Nitschke auf dem Harzgipfel aus, sie sind die einzigen. Das Brockenhotel und Brockenhaus sind geräumt, die Harzer Schmalspurbahn startet erst gar nicht, das Eisstadion bleibt geschlossen, alle Termine in Schierke werden abgesagt.
Im Stadtzentrum von Wernigerode wird der Verkehr für fast zwei Stunden lahm gelegt. Auf der Westertorkreuzung fällt einen riesige Kastanie, in der Rindstraße wird ein Dach abgedeckt. Schlimm sieht es in Hasserode aus. "Alles im allen ist niemand verletzt worden. Das ist das Wichtigste", resümiert Volker Friedrich, der den Krisenstab leitet. 47 Einsätze stehen um 19 Uhr zu Buche, 80 Kameraden sowie 15 Bauhof-Mitarbeiter arbeiten die größten Schäden ab.
In Elbingerode haben die Schüler der Sekundarschule heute frei. Wegen der Sturmschäden werde es keinen Unterricht geben, teilte Schulleiter Hans-Georg Arndt mit. Grund ist die Unsicherheit bei der Anfahrt der Schulbusse - Infos zu Schulbussenheute über hvb-harz.de
Ein Drama erlebt Postbotin Ines Schweinefuß bei Sorge. Sie hat gerade Briefe zu Bewohnern an der früheren Johanniter-Heilstätte gebracht, wird gegen 13.30 Uhr bei der Rücktour von umbrechenden Bäumen auf verschneiter Straße eingeschlossen. Die Benneckensteinerin fährt geistesgegenwärtig zwischen zwei Holzstapel, verlässt das Auto nicht. "Ich habe nur zu den schwankenden Baumwipfeln geschaut und bin immer hin- und hergefahren, um ihnen bei einem Fallen ausweichen zu können", berichtet Ines Schweinefuß. Sie hat nach eigenen Aussagen furchtbare Angst.
Über die Zentrale der Post in Wernigerode wird die Feuerwehr alarmiert. Die Kameraden finden ihr Auto und befreien die Frau, die in ihren Dienstjahren so etwas noch nie erlebt hat. "Und um Gottes Willen will ich das auch nicht nochmal erleben", sagt sie mit einem dicken Dankeschön an ihre Retter der Feuerwehr Tanne/Sorge. Die werden kurz darauf schon zum nächsten Einsatz gerufen.
Feuerwehren aller zehn Oberharzorte sind im Einsatz. Besonders an der Bundestraße 81 um Hasselfelde sowie bei Elend und Schierke sind Bäume wegzuräumen. Auf der Straße Königshütte-Tanne fallen Bäume auf ein Auto, die Fahrerin wird daraus befreit. In Rübeländ fallen Bäume vors Haus von Rüdiger Sorge im Kreuztal.
Blankenburgs Stadtwehrleiter Werner Greif spricht von weit über 60 Einsätzen im Stadtgebiet, wobei bis auf die Wehr in Timmenrode alle Ortsfeuerwehren im Einsatz waren, um sturmtypische Schäden zu beseitigen.
Während es in und um Ilsenburg relativ ruhig ist, werden im Nordharz die Kameraden alarmiert, um Wege und Straßen von umgestürzten Bäumen zu befreien.