Corona Testzentrum statt Festivalzelt: Was Corona und Lockdown für Veranstaltungsprofis wie Christian Legler aus Wernigerode bedeuten
Halberstadt/Wernigerode. Was macht ein Veranstalter, wenn es keine Veranstaltungen geben darf? Vor dieser Frage stehen Christian Legler und sein Team seit mehr als einem Jahr, beinahe durchgängig. Die Hoffnung, dass ihr Job irgendwann mal wieder so sein wird wie vor Corona, hat der Eventprofi von Studio D4 nicht mehr. „Ein Veranstaltungsleben, so wie wir es kennen, wird es nicht mehr geben“, ist sich der Wernigeröder sicher.
Sein Know-how, das er sich seit der Firmengründung vor 21 Jahren angeeignet hat, nutzt der 41-Jährige aktuell nicht, um große Stadtfeste im Harz und darüber hinaus mitzuorganisieren, sondern im Kampf gegen die Pandemie. Studio D4 betreibt drei Testzentren: in den Rathauspassagen in Halberstadt, in der Ilsenburger Harzlandhalle und auf der Angerspitze in Wernigerode. „Wir helfen aber auch anderen Städten im ganzen Landkreis, die Testzentren aufbauen. Es besteht ein enges Netzwerk zum Informationsaustausch“, berichtet Legler. „Uns fällt es als Eventer natürlich viel leichter, so etwas zu organisieren und die Logistik dafür zu stemmen, als etwa einer Apotheke, die so etwas noch nie gemacht hat.“
Neue Mitarbeiter eingestellt
Sein Team kümmere sich um die administrativen Aufgaben in den Testzentren. „Proben entnimmt nur medizinisch ausgebildetes Personal“, betont Legler. Etwa Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) oder der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG).
20 Mitarbeiter habe er für Testzentren eingestellt – viele aus der Eventbranche, die derzeit in ihren eigentlichen Jobs nicht arbeiten können. Dennoch sind einige der ebenfalls 20 Mitarbeiter von Studio D4 in Kurzarbeit. Nicht jeder könne in einem Testzentrum arbeiten, etwa aus gesundheitlichen Gründen, erläutert der Chef.
Die Resonanz der Bürger auf die Testzentren sei sehr unterschiedlich. In Wernigerode seien es – je nach Wetter – schon mal 170 Personen am Tag, in Ilsenburg und Halberstadt etwas mehr als die Hälfte. Der Prozentsatz der Menschen, die vor Ort positiv auf das Virus getestet werden, sei dagegen ähnlich. „Im einstelligen Prozentbereich“, schätzt Legler. „Und die, die es trifft, sind meist überrascht.“ Das liege daran, dass in die Testzentren von Studio D4 nicht die Leute kommen, die einen Ansteckungsverdacht haben – diese suchen eher eines der Fieberzentren, den Arzt oder eine Apotheke auf. Wer in Leglers Zentren kommt, wolle vielmehr im Anschluss eines der Restaurants und Cafés besuchen, deren Außengastronomie im Rahmen des Modellprojekts im Landkreis Harz geöffnet ist.
Jede öffentliche Veranstaltung ist eine, die nicht heimlich in irgendeiner Garage stattfindet.
Christian Legler unterstützt das Modellprojekt nicht nur, es geht ihm sogar nicht weit genug. „Meine Ansicht ist eine krasse“, räumt er ein. „Wenn es noch mir geht, sollte so viel Gastronomie und Veranstaltungen wie möglich zugelassen werden“, sagt er. Seine Ansicht rühre nicht daher, dass er die Existenz oder Gefährlichkeit des Virus in Abrede stelle. Sondern: „Jede öffentliche Veranstaltung ist eine, die nicht heimlich in irgendeiner Garage stattfindet.“
Nach mehr als einem Jahr Corona und den damit einhergehenden Einschränkungen seien die Leute müde, verzichten zu müssen. Ein Beleg dafür seien die Schlagzeilen in den Medien von illegalen Feiern – von Familienfesten bis hin zu großen Partys, zu denen Leute aus mehreren Bundesländern anreisen. „Mit strengeren Regeln wird sich die Situation noch deutlich verschlimmern. Druck erzeugt Gegendruck“, sagt der Wernigeröder.
Kein Gehör bei der Politik
Und während bei diesen heimlichen Festen ein hohes Ansteckungsrisiko bestehe, könnte dieses bei professionell organisierten Veranstaltungen gering gehalten werden. „In der Öffentlichkeit müssen sich die Leute an Regeln halten. Es gibt peinlich genaue Hygiene-Regeln und -Konzepte, die wir erarbeitet haben und wir haben Ordner, die die Einhaltung kontrollieren.“
Mehrfach habe die Veranstaltungsbranche solche Argumente der Politik vorgestellt – jedoch ohne Gehör zu finden. „Die Reaktion der Regierung ist hilflos, wenn sie nach einem Jahr noch immer keine andere Lösung findet als pauschale Lockdowns.“ Er würde sich wünschen, dass Politiker sich intensiver mit den Vorschlägen der Event-Branche auseinandersetzten. Zumal die Politik im Augenblick auf deren Kompetenz setze. „Wer baut den jetzt die Impf- und Testzentren im Land? Da sind die Veranstalter wieder gefragt, die Kohlen aus dem Feuer zu holen – weil sie es können.
Die Reaktion der Regierung ist hilflos, wenn sie noch immer keine andere Lösung findet als Lockdowns.
Er glaube nicht, dass sich die Situation für Veranstalter bald bessere. „Vor dem 30. Juni passiert nichts“, befürchtet er. Die Pläne, die Studio D4 für Veranstaltungen in der ersten Jahreshälfte geschmiedet hatte, seien deshalb schon wieder gestrichen oder verschoben worden. „Ich kenne Kollegen, die planen gar nichts mehr“, berichtet Legler. Andere hätten der Branche bereits ganz den Rücken gekehrt. „Und die werden nie zurückkommen.“
Veranstaltungstechniker etwa, die Allrounder (Alleskönner) und deshalb auch in anderen Branchen gefragt seien. Diese Entwicklung, so befürchtet Legler, könnte zu einem Fachkräftemangel führen und das wiederum dazu, dass Veranstaltungen deutlich teurer werden. „In dem Preis von Konzertkarten macht die Gage der Band nur einen Teil aus. Zu Buche schlagen vor allem die Kosten für die Leute, die das Konzert auf die Beine stellen.“
Event-Pläne für die zweite Jahreshälfte
Ein Fakt, der für Veranstaltungen, die ausverkauft waren und coronabedingt verschoben werden mussten, auch dem Organisator teuer zu stehen kommen könnte. „Für das Open-Air in Goslar mit Roland Kaiser zum Beispiel haben wir die Karten längst verkauft. Aber wer weiß, ob das Eintrittsgeld noch in Relation zu den Konditionen steht, die am Markt herrschen, wenn es stattfinden darf, oder wir uns damit ruinieren“, sagt Christian Legler und zuckt mit den Schultern.
Trotz allem planen er und sein Team weiter – Konzerte im Harz, den Weihnachtsmarkt Wernigerode, Reitturniere, TV-Produktionen, den Semper Opernball in Dresden, neue Formate für Festivals wie „Rocken am Brocken“. Solche Events können nicht von einem auf den anderen Tag aus dem Boden gestampft werden. „Es ist schwierig für die Mitarbeiter, motiviert zu bleiben. Alles, was sie jetzt planen, könnte in der Tonne landen“, gibt Legler zu bedenken. Es ist ihm anzusehen, wie sehr ihn dieser Gedanke trifft. „Aber wir haben die Hoffnung, dass es irgendwann weitergeht, und dann sind wir vorbereitet.“