Tierschutz Aufregung in Harz-Dorf wegen junger Luchse
Zwei junge Luchse sorgen in Heimburg für Aufregung. Auf Nahrungssuche landeten sie zunächst in einem Ziegenstall.
Heimburg l „Wir haben seit 20 Jahren Ziegen, aber so etwas haben wir noch nie erlebt“, ist Karin Otto immer noch erstaunt über zwei seltene Besucher auf ihrem Grundstück in Heimburg. Als sie allmorgendlich ihre Tiere füttern wollte, saß ein kleiner Luchs im Heu, der augenscheinlich nach Frischfleisch Ausschau gehalten hatte. Zu allem Überfluss hatte das kleine Raubtier ja reichlich Auswahl: Und mit Zicklein Tata erwischte es das jüngste Tier im Stall. „Sie hat von der Begegnung ein paar kleine Bisswunden davongetragen, und die Nase hat geblutet“, erzählt Karin Otto, die sofort Tierarzt Dr. Karl-Heinz Kaulfuß und Ole Anders, den Koordinator des Luchsprojektes im Nationalpark Harz, über den Vorfall informierte.
Währenddessen hatte der Luchs schnell das Weite gesucht. Dass er überhaupt auf das Grundstück am Ortseingang gelangen konnte, war einem Zufall geschuldet, wie Karin Otto und Tochter Claudia Keye erklären: Ausgerechnet an diesem Tag war der Elektrozaun ausgefallen, der die große Koppel umgibt. „Wir haben hier Rehe, Füchse, auch Wildschweine und mal einen Waschbären“, erzählen die Heimburgerinnen. „Aber wer rechnet denn mit einem Luchs?“
Da sich am Tag darauf ein weiteres, aber etwas größeres Jungtier im Heu versteckt hatte, vermuten sie, dass auch die Mutter nicht weit weg gewesen sein könnte. Denn bereits im Vorfeld hatte es Beobachtungen gegeben, dass sich drei Luchse in Heimburg aufhalten.
Seit Donnerstag, 21. Januar, verzeichneten Karin Otto und Claudia Keye aber keine Luchs-Besuche mehr auf ihrem weitläufigen Grundstück unterhalb der Altenburg. Und auch die von Ole Anders angebrachten Wildkameras brachten bislang keinen weiteren Aufschluss: „Außer einem Bussard war nichts drauf. Wir können jetzt nur abwarten, ob weitere Sichtungen gemeldet werden“, erklärte der Luchs-Experte, der sich sicher ist, zu wem die Jungtiere gehören: „Die Mutter können wir sehr gut identifizieren: Sie ist blind auf einem Auge. Aber sie kommt damit wohl gut klar“, so Anders.
Allerdings sei er schon etwas in Sorge, dass solch junge Tiere in die Orte ziehen. „Aber es ist für sie oft die einzige Chance, um am Leben zu bleiben. Dort finden sie zum Beispiel gefüllte Katzennäpfe, einen Hühner- oder auch einen Kaninchenstall.“ So, wie am vergangenen Wochenende, als in der Elbingeröder Straße drei Hühner gerissen wurden. Ein von einer Kamera eingefangenes Bild zeigt eindeutig einen Luchs, der an jenem Grundstück vorbeistreift.
„Wenn wir Glück haben“, so Anders, „löst sich die Sache auf, weil die Luchsin in der Nähe ist und ihre Jungen einfach nur einen Streifzug machen“, erläutert er. Wenn nicht, könnte es für die jungen Raubkatzen eng werden. „In der Regel werden sie im Mai geboren und bleiben dann etwa zehn Monate bei der Mutter“, erklärt Ole Anders. Die in Heimburg gesichteten Tiere könnten also gerade acht Monate alt sein. „Sie würden sich also erst im Februar/März von der Mutter trennen. Wenn sie in gutem Zustand sind, hätten sie eine Chance, durchzukommen“, sagt der Experte.
Allerdings hat er gerade in jüngster Zeit relativ viele verwaiste Jungtiere registrieren müssen. „Es betrifft insgesamt vier Tiere. Sonst haben wir gerade mal eins pro Jahr“, berichtet Anders, der deshalb von einer „ernstzunehmenden Größe“ spricht. Drei dieser Tiere versuchen die Mitarbeiter der Wildtier- und Artenschutzstation in Sachsenhagen bei Hannover wieder aufzupäppeln. Das vierte Luchsbaby war über die Weihnachtstage eingegangen. „Deshalb sind wir immer alarmiert, wenn solche Tiere unterwegs sind, von denen wir nicht wissen, ob sie Anschluss haben“, so Anders. Zumal die Beschreibung der Heimburgers Luchse darauf hindeutet, dass sie noch recht klein sind.
Deshalb rät er auch möglichst schnell Kontakt zu ihm aufzunehmen, um die Situation zu klären und wenn möglich die Jungtiere mit einer entsprechend präparierten Falle einzufangen. Das soll nun auch in Heimburg passieren. „Aktiv nach den Tieren zu suchen“, so der Experte, „klappt meistens nicht.“
Übrigens sammelt die Nationalparkverwaltung Harz jegliche Luchsnachweise aus der Region, nimmt alle Meldungen entgegen und wertet sie aus. Hinweise zu Rissen, Beobachtungen und Spuren können hier gemeldet werden.