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Kultur Wie der Abbau der Stabkirche bei Stiege voranschreitet und welche Schritte geplant sind

Der Abbau der Stabkirche am Albrechtshaus bei Stiege schreitet voran. Die ersten Bohlen gezogen worden. Am neuen Standort der Kapelle steht eine mobile Werkshalle bereit.

Von Katrin Schröder Aktualisiert: 11:15

Albrechtshaus/Stiege. Bohrer heulen, Hämmer klopfen, lautes Rufen hallt durch das Kirchenschiff: Auf der Baustelle mitten im Wald läuft die Arbeit auf Hochtouren. Stück für Stück wird die hölzerne Kapelle an der früheren Lungenheilanstalt Albrechtshaus abgebaut, um im Anschluss in den Ortskern von Stiege umzuziehen. Das seit Jahren geplante Projekt kommt sichtlich voran: Am Querschiff konnten Regina Bierwisch und Vivien Pförtner vom Verein Stabkirche Stiege die symbolische erste Bohle ziehen.

Damit ist die nächste Etappe eingeläutet – die Demontage der Fassade und der Abbau des Kirchenkorpus. Der Überbau ist bereits verschwunden: „Es wurde alles heruntergenommen, was schwer von oben drückt“, sagt Vivien Pförtner vom Verein Stabkirche Stiege. Der Turm und die Dachziegel wurden demontiert, die Balken der Tragkonstruktion folgen. Damit es nicht in den Kirchenraum hineinregnet oder schneit, wurde ein Notdach darüber aufgespannt.

Die Vereinsmitglieder organisieren den Umzug in den Stieger Ortskern, um das Gotteshaus vor Vandalismus zu schützen, der zunehmend die Substanz des Gebäudes in Mitleidenschaft zog. Seitdem Anfang Dezember erneut Schmierereien aufgetaucht sind, habe es aber keine weiteren Vorkommnisse gegeben, sagt Vivien Pförtner und klopft dreimal auf Holz.

Das könnte auch an der großen Aufmerksamkeit liegen, die der ungewöhnliche Umzug auf sich zieht: Medien aus der Region und darüber hinaus berichten laufend über das Projekt, zahlreiche Neugierige statten dem Bauwerk vor und während der Versetzung einen Besuch ab. An den Wochenenden und über die Osterfeiertage habe stets Betrieb geherrscht, berichtet Vivien Pförtner. „Die Leute sind interessiert und schauen, wie es weitergeht.“

Deshalb versuchen die Vereinsmitglieder, jeweils sonntags vor Ort zu sein, um zu erklären und Fragen zu beantworten. Am Ostersonntag habe sie fünf Stunden lang am Bauzaun das Projekt vorgestellt, berichtet Monika Uecker mit einem Lachen. „Ich hatte schon Fransen am Mund.“ Für die stellvertretende Vereinsvorsitzende ist das aber kein Problem – im Gegenteil: „Die Aufmerksamkeit hilft uns“, sagt die Bauingenieurin, die bei den Kirchenrettern für Baubegleitung und Fördergeld zuständig ist.

Gerade erst war Restaurator Torsten Arnold vom Landesamt für Denkmalpflege vor Ort, um mit Verein, Planern und Holzgutachtern über die künftige Fassadenfarbe für die hölzerne Kapelle zu beraten. Der gelblich-beige Anstrich, den die Kirche seit knapp 30 Jahren getragen hatte, ist nämlich keineswegs historisch, sondern das Werk von ABM-Kräften, die 1991/92 das Bauwerk instandgesetzt haben – damals ohne fachkundige Beratung durch den Denkmalschutz, so Monika Uecker.

Nachdem Holzrestauratoren den alten Anstrich in mühevoller Arbeit von den Holzbohlen entfernt hatten, kam nicht nur die ursprüngliche, rotbraune Fassadenfarbe wieder zum Vorschein, sondern rote und grüne Farbfelder an den Faschen, die die Fenster der Sakristei einfassen, und den Halbstützen außen am Gebäude. „Man hat damit versucht, den nordischen Stil dezent nachzuvollziehen“, erklärt Monika Uecker.

Wetterseite stark in Mitleidenschaft gezogen

Nach der Entfernung zeigte sich zudem, dass die Bohlen von Wind und Wetter binnen eines Jahrhunderts unterschiedlich stark in Mitleidenschaft gezogen worden sind. „An der Wetterseite ist das Holz stark verwittert, teils roh“, sagt die Vizevorsitzende. Die abgewandte Seite sei wesentlich besser erhalten. Fest steht nun, dass die Bohlen mit Leinöl behandelt und eine farbliche Angleichung zwischen den unterschiedlich stark beanspruchten Teilen erreicht werden soll.

Die Festlegungen seien wichtig, damit die Gestaltung der Fassade nun ausgeschrieben werden könne, sagt Monika Uecker. Diese solle erfolgen, wenn die Kirche am neuen Standort wieder aufgebaut wurde. Doch so weit ist es noch nicht: Bis Mitte Mai soll die Kapelle vom alten Standort verschwunden sein – zwei Wochen später als ursprünglich geplant. „Wir liegen aber dennoch gut im Rennen“, sagt Monika Uecker.

Das bestätigt Steffen Behrens, Zimmererpolier bei den Werkstätten für Denkmalpflege aus Quedlinburg, die den Abbau vorantreiben. In dieser Woche wurden die ersten Holzbohlen der Fassade entfernt. Einige von ihnen sind nur 1,50 Meter lang, andere kommen aber auf acht Meter – so breit ist die Kirche, wie Behrens erklärt. „Ein bisschen Spannung“ bestehe bei der Aussicht darauf, wie sich die großen Bauteile verhalten, wenn sie voneinander gelöst werden, sagt der Polier.

Klar ist aber, was mit ihnen geschieht, sobald sie aus der Wand gelöst wurden. „Jede Bohle wird mit einer Nummer versehen“, sagt Behrens und zeigt die am Holz angebrachten Plaketten. Diese gibt es in vier Farben und in hundertfacher Ausfertigung. Das ist nötig, um den Überblick zu behalten: Aus 2500 bis 3000 Bauteilen ist die Kirche zusammengesetzt, schätzt der Polier. Die Aufgabe von Vorarbeiter Frank Habenreich und seinen Mitarbeitern ist es, die Puzzleteile voneinander zu lösen und dann ordnungsgemäß wieder zusammenzusetzen. „Das ist wie ein riesengroßes Legospiel.“

Im Stahlkorsett und per Kran auf den Lkw

In einem Stück sollen die Empore, die Kanzel und die Kamine an den neuen Standort nahe dem Stieger Bahnhof transportiert werden. Geplant ist, jedes Teil mit einem Stahlkorsett zu versehen und dann per Kran auf den Lkw zu hieven, der es wegbringt. Das werde allerdings erst dann geschehen, wenn die Wände soweit abgebaut seien, dass der Kran problemlos hineingreifen könne, erläutert Monika Uecker.

Am Bauplatz in Stiege wurde derweil eine mobile Werkshalle errichtet – „mit Dachluke für die Turmspitze“, erklärt Vivien Pförtner. Der Turmaufbau ruht neben dem mit Planen abgedeckten Gerüst, ebenso wie der Glockenstuhl. Die Glocke selbst ist eingelagert worden. Sie sei zwar nicht besonders wertvoll, aber gut erhalten, sagt das Vereinsmitglied. „Es muss nur ein neuer Klöppel her, damit man sie läuten kann.“ Dies müsse aber vorab mit der Kirchengemeinde in Stiege abgesprochen werden.

Derweil läuft die Patenschaftsaktion für die Sitzplätze in der Kirche weiter (die Volksstimme berichtete). 70 von 100 Plätzen seien bereits vergeben, sagt Vivien Pförtner – damit helfen die Paten, das Umzugsprojekt zu finanzieren. Beteiligen können sich Freunde und Unterstützer auch mit guten Ideen: Per Flugblatt wollen die Vereinsmitglieder wissen, wie das künftige Außengelände der Stabkirche mitten in Stiege gestaltet werden könnte. Einige Vorschläge sind bereits eingegangen: Holzbänke, eine Schaukel mit Drachenköpfen und Informationen zur Geschichte des Gotteshauses stehen bereits auf der Wunschliste.