Landtagswahl Wahlharzerin Ruth Fiedler von der Linken streitet für Veränderungen
Bei der Landtagswahl kämpfen am 6. Juni im Wahlkreis 16 (Wernigerode) acht Direktkandidaten um die Gunst der Wähler. Die Volksstimme stellt Kandidaten und ihre Ziele vor – heute: Ruth Fiedler (Die Linke).
Wernigerode - Wer Ruth Fiedler bei einer Stadtratssitzung in Wernigerode erlebt hat, weiß, wie vehement die Kommunalpolitikerin mitunter für ihre Anliegen eintreten kann. Sich durchsetzen, das habe sie in der Familie gelernt, sagt die 47-Jährige, die mit vier Geschwistern groß geworden ist. „Damit hat es zu tun, dass ich etwas forscher bin.“ Geboren und aufgewachsen ist sie im Kraichgau nahe Karlsruhe, in den Harz kam sie der Liebe wegen und will für ihre Wahlheimat etwas bewegen.
Zur Politik kam Ruth Fiedler auf Umwegen. Sie begann ein Studium der Psychologie, sattelte dann auf Lehramt um und entschied sich schließlich für eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Radiologie-Assistentin. „Das hat mir sehr gut gefallen, es war anspruchsvoll“, sagt Ruth Fiedler.
Im Anschluss arbeitete sie im Beruf, wollte irgendwann aber mehr. Sie schrieb sich an der Hochschule für Strahlenschutz ein – und sei dadurch zur Kritikerin der Technologie und zur Umweltschützerin geworden. „Ich war bestimmt die einzige Studentin der Radiologie in Karlsruhe, die Atomkraftgegnerin war“, sagt Ruth Fiedler. Parteipolitisch engagierte sie sich aber noch nicht. „Die Grünen haben mich nicht angezogen.“
An der Klinik lernte sie ihren Mann kennen, der nach dem Examen in Karlsruhe als Oberarzt arbeitete. Ihn zog es immer stärker zurück in seine Harzer Heimat. „Er hatte solches Heimweh, dass er es nicht mehr ausgehalten hat“, sagt Ruth Fiedler. Vor zehn Jahren folgte sie ihm nach Wernigerode, bewarb sich als Ingenieurin beim Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter. Kurz darauf kündigten sich jedoch in rascher Folge ihre beiden Kinder an.
Euro-Krise als Auslöser für politisches Engagement
Neben der Familie widmete sie sich zusehends der Politik. Initialzündung war die Euro-Krise. „Ich habe angefangen zu lesen und mich in kürzester Zeit politisiert“, sagt Ruth Fiedler. Sie wurde Mitglied in globalisierungskritischen und ökologisch orientierten Organisationen wie Attac und Campact. 2016 beschloss sie, in die Linke einzutreten. „Ich wollte etwas für die Gesellschaft tun.“
Das christlich geprägte Elternhaus wirke da fort, auch wenn sie selbst mit der Kirche nichts zu tun habe. „Ich bin so erzogen worden, dass man sich gegenseitig hilft und Toleranz übt“, betont die 47-Jährige und fragt: „Was ist Nächstenliebe anderes als Solidarität?“ Die Pfeiler ihrer politischen Überzeugung seien das Eintreten für soziale und ökologische Gerechtigkeit sowie Antifaschismus. Die Wurzel für die Verletzung dieser Prinzipien sei in ihren Augen der Kapitalismus, die Ausbeutung von Mensch und Umwelt. „Das ist untrennbar miteinander verbunden.“ Die Unzufriedenheit der Menschen wirke sich politisch aus und sei verantwortlich für rechte Tendenzen.
Der Umzug nach Sachsen-Anhalt, weg aus der wohlhabenden Technologieregion, habe ihren Blick für soziale Schieflagen zusätzlich geschärft, sagt Ruth Fiedler. „Wenn man in Baden-Württemberg lebt, muss man sich in aller Regel keine Sorgen machen.“ In Sachsen-Anhalt hingegen arbeite ein Drittel der Menschen im Niedriglohnsektor, mehr als sonst in Deutschland. Daher sehe sie ihre Aufgabe darin, diejenigen zu vertreten, bei denen das Geld am Monatsende knapp wird. „Politiker sehen vor allem sich selbst und ihr Umfeld“, sagt Ruth Fiedler. Das gelte für den Stadtrat ebenso wie für die große Politik. „Ich bin dafür, dass die Bevölkerung in den Vordergrund rückt.“
Mehr Geld für Weihnachtsmarkt, aber nicht für Schule?
In Wernigerode träfen Erhöhungen der Kosten für Bibliothek, Bürgerpark und Kita-Gebühren vor allem Familien mit niedrigem Verdienst. Und dass bei der geplanten Mensa der Diesterweg-Grundschule die Baukosten reduziert werden sollen, während zugleich Zuschüsse für den Weihnachtsmarkt kein Problem seien, verstehe sie nicht. „Es soll nicht immer da gespart werden, wo der normale Mensch profitiert.“
Im Ortsverband der Linken in Wernigerode kannte sie bis zu ihrem Parteieintritt niemanden, sei dort aber „nett aufgenommen“ worden und schnell angekommen, berichtet die Lokalpolitikerin. Als einziges Nicht-Ratsmitglied habe sie damals an allen Fraktionssitzungen teilgenommen. 2017 wurde sie als Beisitzerin in den Kreisvorstand der Partei gewählt, seit 2019 ist sie stellvertretende Kreisvorsitzende.
Mit „Bündnis Bunter Harz“ gegen Corona-Spaziergänger
Im gleichen Jahr wurde sie in den Wernigeröder Stadtrat gewählt, 2020 folgte die Wahl zur Ortsvorsitzenden, nun die Kandidatur für den Landtag. Eine „Theorie-Linke“ sei sie nicht, sagt Ruth Fiedler, sie wolle „nicht nur reden, sondern machen“. Daher habe sie etwa das Bündnis „Bunter Harz“ ins Leben gerufen, das ein Gegengewicht zu den sogenannten Corona-Spaziergängen in Wernigerode bilden soll – und das ausdrücklich über Parteigrenzen hinweg, wie sie betont. „Es war von Anfang an nicht als linkes, sondern als überparteiliches Bündnis angelegt.“ Wenn die Klimaschutz-Bewegung „Fridays for Future“ Demonstrationen organisiert, sei sie ebenfalls dabei. „Das finde ich total klasse, das ist ganz wichtig.“
Sie weiß, dass ihr Elan manche überfordert. „Ich bin so aktiv und motiviert, dass es für manche anstrengend ist“, sagt Ruth Fiedler. Bremsen werde sie das aber nicht, weder im Wernigeröder Stadtrat noch in der Kreispolitik oder nun im Wahlkampf um das Landtagsmandat. Das Ziel sei, dass die Dinge nicht so bleiben, wie sie sind: „Hauptsache, es ändert sich etwas.“
Kliniken sollen in öffentlicher Hand sein
Die Daseinsvorsorge und das Gemeinwohl zu stärken, das steht für sie ganz oben auf der politischen Agenda. Im Fokus stünden dabei die Krankenhäuser des Landes und der Region. Sie fordert: „Alle Krankenhäuser sollten in öffentlicher Hand sein.“
Privatisierungen von Kliniken seien ebenso abzulehnen wie die alleinige Verantwortung der Kommunen, die oftmals finanziell mit der Aufgabe überfordert seien. Das zeige sich auch im Harz: „Es kann nicht sein, dass der Harzkreis Abteilungen schließt, weil das Geld fehlt“, sagt Ruth Fiedler mit Blick auf die Debatte um die Geburtshilfe am Harzklinikum: Wurde diese bisher an beiden Standorten angeboten, soll sie künftig in Wernigerode konzentriert werden.
Gegen Schließung von Schulen
Wie bei den Krankenhäusern liege auch bei den Schulen vieles im Argen. Ruth Fiedler verweist auf Volksbegehren für mehr Lehrer in Sachsen-Anhalt, das der Linke-Landesverband zusammen mit Gewerkschaften und Verbänden auf die Beine gestellt habe. „Wir sind selbstverständlich gegen die Schließung von Schulen“, sagt die Landtagskandidatin weiter.
Es sei keine Lösung, wenn freie Schulen das Vakuum füllen, das geschlossene staatliche Bildungseinrichtungen hinterließen, so die Kandidatin weiter. Es müsse sichergestellt sein, dass es überall ein neutrales und kostenloses Bildungsangebot gebe.
Ein weiteres wichtiges Theman ist für Ruth Fiedler der öffentliche Nahverkehr. Dieser solle für die Nutzer kostenlos sein und „massiv ausgebaut“ werden, sowohl bei der Taktung der verfügbaren Linien als auch bei der Zahl der Haltestellen. „Das ist ein Punkt, der sowohl sozial als auch ökologisch ist“, so die Linke-Politikerin. Man dürfe aber die beiden Aspekte nicht gegeneinander ausspielen und die Ökologie über die soziale Komponente stellen. Der Ausbau des Nahverkehrsangebots sei die Voraussetzung für weitere Schritte. „Erst dann kann man die Spritpreise erhöhen.“
Massive Förderung für ländlichen Raum in Sachsen-Anhalt
Weiterhin benötige der ländliche Raum die Aufmerksamkeit der Politik. „Es muss massiv Geld in den ländlichen Raum fließen, nicht nur für den Tourismus, sondern auch für die Einwohner“, so Ruth Fiedler – obwohl der Tourismus für die Region große Bedeutung habe. Es gelte die Infrastruktur zu stärken.
Grundsätzlich sei Sachsen-Anhalt bei Errungenschaften häufig Schlusslicht und in puncto Problemlagen Spitzenreiter. Das sei nur durch einen Führungswechsel zu ändern, sagt Ruth Fiedler. „Die Probleme rühren von der Landesregierung her.“ Namentlich die CDU als stärkste Kraft sei verantwortlich.