Sehenswürdigkeit Harz Warum Sanierung von Oberharzer Kirche zum Verlustgeschäft wird
Die Kirche in Stiege braucht dringend einen Anstrich. Die Arbeiten haben sich so sehr verzögert, dass das eigentlich eingeplante Fördergeld nun futsch ist.
Stiege - Sie gehört zur viel fotografierten Silhouette Stieges wie das Schloss, neben dem sie über dem See thront – die Kirche Zur Hilfe Gottes mit ihrer markanten braun-roten Holzfassade. Diese ist allerdings in die Jahre gekommen und braucht dringend eine Auffrischungskur. Dass diese so lange auf sich warten lassen würde, hätte aber in der Kirchengemeinde niemand erwartet – ebenso wenig, dass Geld, das dafür vorgesehen war, nun verloren ist.
Die Vorbereitungen für Anstrich und einige Reparaturen laufen schon lange. Insbesondere in finanzieller Hinsicht: Rund 40.000 Euro waren für das Sanierungsprojekt veranschlagt. In solchen Fällen ist es üblich, dass die Landeskirche Braunschweig, zu der die Gemeinde gehört, über ihre Baupflegestiftung die Hälfte der Summe übernimmt. Die andere Hälfte müsste die Gemeinde selbst aufbringen.
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Zwei Jahre lang habe sie für die Sanierung Kirchgeld und Spenden gesammelt und die Summe aufgebracht, berichtet Pfarrer Karsten Höpting. Er betreut den Pfarrverband, dem neben Stiege auch Hasselfelde und Allrode angehören. Dieser ist aber nicht für Planung und Ausführung der Fassadensanierung verantwortlich. Zuständig ist das Landeskirchenamt mit Sitz in Wolfenbüttel, das ein eigenes Baureferat unterhält.
Auswahl nach Dringlichkeit
Referatsleiter Lorenz Haselhorst skizziert auf Volksstimme-Anfrage, wie in der Regel bei derartigen Bauprojekten – und auch im Fall der Stieger Kirche – das Prozedere aussieht. Zunächst würden zum Jahresende die anstehenden Vorhaben aus den Kirchengemeinden gemeldet. Ende 2019 waren es 250 Anträge, von denen es 100 nach einem Auswahlverfahren auf eine Dringlichkeitsliste schafften, so Haselhorst – so auch der Antrag für die Kirche Zur Hilfe Gottes.
2020 begann die Planung, Gespräche wurden mit Restauratoren und den Denkmalbehörden geführt, erste Untersuchungen vorgenommen. Im Jahr darauf wurde die denkmalrechtliche Genehmigung erteilt und am 21. Juni 2021 der Auftrag an eine Malerfirma erteilt, die die Arbeiten übernehmen sollte.
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In der Stieger Kirchengemeinde, die ihren Eigenanteil bereits nach Wolfenbüttel überwiesen hatte, machte man sich derweil Gedanken, welche Fördermöglichkeiten man nutzen könnte – zum Beispiel das Leader-Programm für die Harzregion, das Geld unter anderem für Bauvorhaben vermittelt. Daher fragte Pfarrer Höpting, ob man für die Kirche Geld bekommen könne.
Die Antwort vom Leader-Management: Das könne man. Ein entsprechender Brief sei eine Woche nach der Auftragsvergabe im Juni 2021 in Wolfenbüttel angekommen, berichtet Lorenz Haselhorst. „Da haben wir gesagt: Stopp, alles wieder auf null.“ Denn für Arbeiten, die bereits beauftragt wurden oder gar begonnen hätten, hätte man nachträglich kein Geld mehr aus dem Leader-Topf erhalten.
Frist von sechs Monaten
Stattdessen habe das Landeskirchenamt am 12. August 2021 offiziell den Förderantrag gestellt. Die Zusage, die vom 24. März 2022 datierte, sei Anfang April im Baureferat angekommen. Das Problem war aber die Frist, die auf dem Bescheid stand: Bis 30. Oktober vergangenen Jahres solle das Projekt abgeschlossen werden.
Die spezielle Farbe, die für die Kirche bestimmt ist, könne jedoch nur bei Außentemperaturen von mindestens fünf Grad Celsius verwendet werden. „Besser sind zehn Grad“, so Haselhorst. Und im Harz dauere es länger, bis auch nachts kein Frost mehr herrsche. „Deshalb haben wir lediglich ein Zeitfenster von Anfang oder Mitte Mai bis maximal September“, so der Leiter des Baureferats.
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Daher habe man „schnellstmöglich“ Angebote eingeholt, aber keine Firma gefunden, die im Sommer Zeit hatte. Also habe die Landeskirche Fristverlängerung beantragt, die gewährt wurde – bis Ende Juni 2022. Das habe die Lage nicht verbessert, so Haselhorst. Man müsse allein acht Wochen einplanen, in denen die Farbe trocknen könne, und im Nachgang brauche man Zeit für die Formalitäten. „Normalerweise habe ich einen Zeitpuffer von drei Monaten dafür.“
Eine weitere Verlängerung sei auf Anfrage aber abgelehnt worden: Alle Leader-Projekte hätten beendet werden müssen, die einmalige Verlängerung habe es nur ausnahmsweise wegen Corona gegeben.
Daher habe man versucht, das knappe Zeitfenster zu nutzen. „Es hätte gerade so hineinpassen können“, so der Referatsleiter. Im Mai hätte es losgehen sollen, das Gerüst wurde aufgebaut, doch bis Mitte des Monats habe Nachtfrost geherrscht. Dann kam die Hiobsbotschaft von der Malerfirma: Es sei die falsche Farbe geliefert worden, die richtige müsse neu bestellt werden, was Zeit kostete und dem Leader-Projekt den Todesstoß versetzte.
Ärger in der Gemeinde
Das sei unschön, sagt Pfarrer Karsten Höpting – zumal der neue Anstrich nun wohl nur wenige Wochen nach Ablauf der Leader-Frist erfolgen werde. „Die Stieger ärgern sich sehr“, sagt er. Denn sie hätten ihren Eigenanteil gern auf 10.000 Euro halbiert und das Geld anderweitig investiert. In der Gemeinde habe man den Eindruck, dass die Landeskirche schneller hätte handeln sollen. „Wir haben seit September fast wöchentlich angemahnt, dass etwas passieren, Termine mit der Baufirma vereinbart werden müssten“, so Höpting. Das sei aber erst im April geschehen.
Nun müssen sie 20.000 von insgesamt 34.000 Euro zahlen – die Arbeiten kommen etwas günstiger als veranschlagt. Der Anteil der Baupflegestiftung verringere sich wegen des Solidarprinzips, erklärt Haselhorst – wer Geld habe und nicht den ganzen Zuschuss brauche, verzichte zugunsten ärmerer Gemeinden. Man habe alles versucht, sagt der Referatsleiter – doch mehrere Bitten um Fristverlängerung, auch nach dem Malheur mit der falschen Lieferung, seien abgewiesen worden.
Nun sollen der Anstrich und kleinere Tischlerarbeiten bis September erledigt werden. „Sobald die Farbe da ist, geht es los.“ Über das Fördergeld sagt er: „Es ist Fluch und Sehen zugleich. Es ist sehr gut, es zu bekommen – doch wenn am Ende alle unzufrieden sind, hilft es niemandem.“