Barbyer Zeitung Wie aus dem „Elb- und Saal-Boten“ die „Barbyer Zeitung“ wurde
Vor 153 Jahren erschien die Barbyer Zeitung „Elb- und Saal-Bote“. 1899 wurde das Blatt in „Barbyer Zeitung“ umbenannt. Die Geschichte der Zeitung.
![Expedition des Elb- und Saal-Bote in der Schloßstraße gegenüber der Johanniskirche. Unter „Expedition“ verstand man damals die Annocenannahme. Das Foto entstand um 1890.](https://bmg-images.forward-publishing.io/2023/08/28/8b2063a1-de45-4d59-bad5-373629a8e1c3.jpeg?rect=0%2C0%2C1962%2C1312&w=1024&auto=format)
Barby - In der Premiere-Ausgabe beantworten die Redakteure unter der Überschrift „Was wir wollen?“ die damaligen Fragen vieler Barbyer, die mit einer Tageszeitung noch nichts anfangen konnten. War sie nur etwas für den gebildeten Stand oder auch für den Normalverbraucher? Sprachen die Themen alle Menschen an? Was kosteten die Anzeigen? Wie weit durfte man Privates kund tun?
„Wenn jemand etwas Neues erblickt, so wird stets die erste Frage, welche er sich vorlegt, die sein: welchen Zweck dasselbe hat, welchen Nutzen es gewährt. Auch an unseren ’Elb- und Saal-Boten’, der heute zum ersten Male in die Welt tritt, wird diese Frage gerichtet werden ...“
So beginnt der Leitartikel in Barbys erster Zeitung, deren Premiere-Ausgabe am 15. Juni 1870 erschien. Macher waren die Redakteure Carl Scharnke und Cüppers. Die beiden Blatt-Verantwortlichen stellten klar: „Unsere Aufgabe wird sein, unsere Leser zu belehren und zu unterhalten!“
Ich warne hiermit alle jungen Damen ...
Unbekannter Freizeit-Casanova
Wobei das Verb „belehren“ damals noch nicht so negativ besetzt war, wie heute. Dass weder Datenschutz noch der Ruf von Personen vor 153 Jahren eine große Rolle spielten, will das folgende Beispiel aufzeigen.
Bereits in der zweiten Ausgabe des „Elb- und Saal-Bote“ steht im Anzeigenteil eine Warnung. „Ich warne hiermit Jeden, dem Schmiedegesellen Johann Gentz auf meinen Namen etwas zu borgen, indem ich keine Zahlung leiste. Wittwe Elisabeth Gentz“
Freizeit-Casanova veröffentlicht Humbug
Wobei es sich vermutlich um den Sohn der Witwe handelte, der im Namen seiner Mutter ohne Ende Schulden machte. So etwas machte die öffentliche Schande komplett und sorgte für Getuschel hinter vorgehaltener Hand, wenn der Bloßgestellte irgendwo in Erscheinung trat.
Oder in derselben Ausgabe: „Warnung!!! Ich warne hiermit alle jungen Damen, welche nicht von ganz sicheren Nachbarn umgeben sind, sich dadurch zu schützen, daß sie ihre Fenster regelmäßig Abends schließen, damit nicht ein nächtlicher Überfall ihre Ruhe störe.“
Was in Wirklichkeit offensichtlich keinen ernsten Hintergrund hatte, sondern der Gag eines Freizeit-Casanovas war. Dieser veröffentlichte Humbug sorgte aber für Gesprächsstoff. Man kann sich lebhaft vorstellen, welche Resonanz derartige Anzeigen hervorriefen. Sie müssen der Ursprung aller Boulevard-Blätter gewesen sein. Tratsch gehört zu den menschlichen Schwächen ebenso lange, wie dessen Kulturgeschichte.
Die Barbyer machten besonders in den ersten Erscheinungsjahren von solchen Anzeigen gerne Gebrauch. Auch öffentliche Wünsche zu Geburtstagen oder Ehejubiläen verstanden neben den Schreiber oft nur die Adressaten, weil der Wortsinn sehr verschleiert wurde. Wer sich für intellektuell hielt, setzte mehr oder weniger richtige lateinische Sprüche in die Zeitung.
Sonderausgaben im Krieg
Ein „Glücksfall“ für das Erscheinen des Blattes war der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges am 19. Juli 1870.
Das Blatt hielt die Leser ständig auf dem Laufenden; Extrablätter (Sonderausgaben) erschienen regelmäßig. Bereits einen Tag später wurde in Barby verkündet, dass im „Reichstag die offizielle Kriegserklärung Frankreichs eingetroffen ist“. Es dauerte nur Wochen, als in Barby die ersten Traueranzeigen gefallener Söhne der Stadt erschienen.
Der „Elb- und Saal-Bote“, musste sich 1899 aus rechtlichen Gründen in „Barbyer Zeitung“ umbenennen. Warum das geschah, ist unklar.
Das Original-Material für die historischen Veröffentlichungen und Fotos stellte dankenswerterweise Hans-Otto Huhn 1992 zur Verfügung, der bis kurz nach der Wende jene Druckerei betrieb, in der auch der „Elb- und Saal-Bote“ gegenüber der Johanniskirche erschien.