Koma-Patientin Anteilnahme überwältigt Familie Ferchland
Während der Geburt ihres Kindes hat Michelle Ferchland eine Fruchtwasserembolie erlitten. Fast neun Monate lag sie im Koma.
Barleben l Der 11. Juli 2017 hat das Leben von Michelle Ferchland und ihrer ganzen Familie für immer verändert. An diesem schicksalhaften Dienstag vor zwei Jahren hat die damals 23-Jährige ihrem Sohn Liam das Leben geschenkt – und dafür ihr eigenes beinahe verloren.
Zunächst verlief alles ganz normal, erinnert sich Monique Ferchland. In den Abendstunden fährt sie ihre Tochter nach Magdeburg ins Krankenhaus. Michelle liegt bereits in den Wehen, als ihre Fruchtblase platzt. Und dann geht alles ganz schnell. „Sie bekam plötzlich keine Luft mehr“, erzählt Monique Ferchland. Mit der Erinnerung füllen sich ihre warmen Augen mit Tränen.
Michelle erleidet unter der Geburt eine Fruchtwasserembolie. Bei dieser unvorhersehbaren und seltenen, aber lebensbedrohlichen Komplikation gelangt Fruchtwasser samt seiner festen Bestandteile über die Gebärmutter in den mütterlichen Blutkreislauf. Dort kann es Blutgerinnsel auslösen, die zu Organ- und Kreislaufversagen führen können. So ist es auch bei Michelle. Die Ärzte müssen die junge Frau reanimieren, auch ihr Baby muss wiederbelebt werden. Während die Mediziner das Kind zurück ins Leben holen können, fällt Michelle ins Koma.
Das Schicksal der jungen Mutter aus Barleben löst eine Welle der Anteilnahme und Hilfsbereitschaft aus. Der Schützenverein, in dem Monique Ferchland und ihr Mann Olaf aktiv sind, richtet ein Spendenkonto ein, damit die Familie ihr Heim so umbauen kann, dass Michelle irgendwann zuhause gepflegt werden kann. Die Wochen verstreichen, Monate vergehen – doch Michelle wacht nicht auf.
Anfang März 2018 beschleicht Mutter Monique am Morgen jedoch so ein Gefühl. „Ich habe zu meiner Familie gesagt: Heute ist der Tag, heute wacht sie auf“, erzählt die 46-Jährige. Ihre Intuition sollte sie nicht enttäuschen. „Plötzlich hat Michi ihre Augen geöffnet und an die Decke gestarrt“, erinnert sich ihre Mutter.
Einige Zeit später konnten Monique und Olaf Ferchland ihre Tochter aus dem Neurologischen Rehazentrum in Magdeburg tatsächlich nach Hause holen. Dort wartete neben dem kleinen Söhnchen Liam auch Michelles jüngerer Bruder Joel auf ihre Rückkehr.
Mithilfe von Spendengeldern und vielen unentgeltlichen Arbeitsstunden von der Familie, Freunden, Bekannten und Unternehmen aus der Region haben die Ferchlands einen ehemaligen Bungalow auf ihrem Grundstück sanieren und barrierefrei umbauen können. Zuletzt wurde die Terrasse zum Garten hin gepflastert, um den Rollstuhl nach draußen schieben zu können, nur eine Markise fehlt noch. „Wir sind fassungslos über so viel Anteilnahme und sehr, sehr dankbar für die Unterstützung, besonders auch von der Familie“, betont Michelles Mutter. Ob ihre Schwester, Cousine oder Tante – alle würden ihnen zur Seite stehen.
Sehr dankbar sind die Ferchlands auch für ihren Enkelsohn Liam. Der kleine Sonnenschein bereite der Familie so viele schöne Momente und gebe Michelle Kraft, sich zurück ins Leben zu kämpfen.
Ein Team aus mehreren Pflegekräften kümmert sich rund um die Uhr um die 25-Jährige, die in Folge der Fruchtwasserembolie schwere neurologische Schäden erlitten hat. Doch sie macht immer mehr Fortschritte, sagt Monique Ferchland, auch wenn es nur kleine seien. „Wir wissen, dass wir nur kleine Schritte erwarten können. Aber viele kleine sind irgendwann doch ein großer“, sagt die Barleberin.
Im Liegen sei Michelle damals nach Hause gekommen. Durch die fast täglichen Therapieeinheiten ist sie inzwischen so weit, dass sie ihre Beine anwinkeln und ihren Oberkörper etwas bewegen kann. Seit drei Wochen benötigt sie keinen zusätzlichen Sauerstoff mehr. Spezielle Beinschienen sollen verhindern, dass Michelles Fußgelenke versteifen. Etwa ein Jahr lang hatte ihre Mutter bei der Krankenkasse für diese Schienen gekämpft. „Ich mache alles, um das Beste für Michi zu bekommen.“
Mit Hilfe ihrer Augen kommuniziert Michelle mit ihren Liebsten – einmal blinzeln bedeutet „ja“, zweimal „nein“. Per Augensteuerung kann sie auch einen speziellen Sprachcomputer bedienen. Um dem Gehirn neue Impulse zu geben, wird sie mithilfe eines Stehtrainers zudem einmal pro Woche in eine aufrechte Position gebracht. „Wir möchten, dass sie mobilisiert wird“, erklärt ihre Mutter. Doch die Übungen kosten Michelle viel Kraft und sind deshalb immer nur für einige Minuten möglich.
Als nächstes möchten ihre Eltern spezielle Bewegungsschienen für den Stehtrainer beantragen. Und auch dafür möchten sie kämpfen – für ihre Tochter.