Börde statt Berlin Mit Video: Brutale Apotheker-Szenen in Wolmirstedt - Dreharbeiten eines Spielfilms
Nicht viele kleine Städte können von sich behaupten, bei einem Filmdreh dabei gewesen zu sein. Wolmirstedt schon. Zwei Tage lang wurde die Stadt zum kleinen Babelsberg in der Börde. Warum das Filmteam sich für Wolmirstedt statt für Berlin entschieden hat.
Wolmirstedt - Das erste, was das Filmteam an diesem Sonntagvormittag an die Komparsen verteilt hat, sind Sonnencreme und Wasser. Trotz der fast 30 Grad Celsius reihen sich zahlreiche Menschen in langärmeliger Kleidung auf dem Boulevard in Wolmirstedt aneinander. Sie sind gekommen, um einmal im Leben dabei zu sein, wenn in ihrer Stadt ein Spielfilm gedreht wird.
Aus Magdeburg, Berlin und natürlich Wolmirstedt sind die Freiwilligen angereist. So auch Jana Pluschke, die als Büroangestellte arbeitet und die Dreharbeiten als Ausgleich dazu sieht. „Schauspielern ist meine absolute Leidenschaft. Für den Dreh heute habe ich sogar extra meinen Urlaub verschoben“, erzählt die Magdeburgerin. In etwa 100 Filmen hat sie bereits mitgewirkt. „Ich stand schon oft für den Polizeiruf und auch mit Til Schweiger oder sogar bei Hollywoodproduktionen vor der Kamera.“ Dafür reist sie auch durch ganz Deutschland.
Im Video: "In Gottes Namen" - Dreharbeiten in Wolmirstedt
Eine der Statistinnen ist auch Jutta Rosenbach aus Wolmirstedt. „Ich habe das zufällig in der Zeitung gelesen - und mich spontan entschlossen, dabei zu sein“, sagt die Seniorin. Worum genau es im Film geht, hat sie erst am Drehtag erfahren. „Das war mir aber auch nicht so wichtig, auch wenn ein Film schon ein bisschen Sinn und Verstand haben sollte.“
Film soll zur Diskussion über Frauenrechte anregen
Über die Geschichte des Spielfilms hat sich das Team aus Berlin lange Gedanken gemacht. „Ich arbeite selbst im Nachrichtenbereich und da hört man viel über die Frauenrechte und wie sie in manchen Ländern immer weiter eingeschränkt werden“, sagt Regisseur Lars Goerke, der beim Fernsehen als freier Regisseur und Autor unter anderem für den RBB arbeitet. Dabei soll es kein Film mit erhobenem Zeigefinger sein. „In Zeiten, in denen die Freiheit über den eigenen Körper zu bestimmen, weltweit abnimmt, da wollten wir einfach etwas zur gesellschaftlichen Diskussion beitragen“, erzählt Aufnahmeleiterin Lola Siebert.
So entstand innerhalb eines Jahres als Gemeinschaftswerk das Drehbuch zu „In Gottes Namen“. Inspiriert von den Geschichten „Die Tribute von Panem“ und „The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd“ lässt auch die unabhängige deutsche Filmproduktion einen Endzeitcharakter erkennen.
Im Film stehen strenge religiöse Gesetze und eine Regierung, die alles kontrolliert im Vordergrund. Mittendrin spielt die ungewollt schwangere und unverheiratete Johanna (Lucy Jo Petermann) die Hauptrolle. Um die Schwangerschaft abzubrechen, sucht sie sich Hilfe bei einem Apotheker. Und genau diese Szenen wurden nun in Wolmirstedt gedreht.
Apotheken in Wolmirstedt dienten als Drehorte
Bereiterklärt, daran mitzuwirken, haben sich gleich zwei Wolmirstedter Apotheken. Konrad Riedel, der die Adler-Apotheke lange geführt und inzwischen an seinen Sohn übergeben hat, stellte am Sonnabend bereits die Innenräume für die Dreharbeiten zur Verfügung. Dem guten Kontakt von Filmcrew-Sprecher Till Fritz zur Adler-Apotheke ist es auch zu verdanken, dass Wolmirstedt als Drehort für den Film infrage kam. „Aber auch die Stadt und die Rathaus-Apotheke, vor deren Türen wir die Außenaufnahmen drehen durften, waren sofort bereit, uns zu helfen“, sagt Fritz. Ein Grund mehr Wolmirstedt zukünftig als Klein-Babelsberg auf dem Schirm zu haben.
30 Drehtage hat die Filmcrew inzwischen hinter sich, etwa 40 sind insgesamt eingeplant. Wann und wo der Film erscheint, ist indes noch nicht hundertprozentig sicher. „Wir hoffen, dass wir in einem Jahr soweit sind, ihn auf verschiedenen Filmfestivals zeigen zu können“, sagt der Crew-Sprecher.
Im Kino wird er, wie viele Independent-Filme (siehe Infokasten), wohl nicht zu sehen sein. Denn weil er fast ausschließlich auf Spendenbasis produziert wird, fehlen die finanziellen Mittel, ihn professionell zu vermarkten. Dem Spaß der Komparsen haben die mangelnden Aussichten auf die große Welt-Berühmtheit allerdings keinen Abbruch getan. „Das Mitwirken am Film hat schon Spaß genug gemacht“, sagt Jana Pluschke.