Bis zum 30. November noch gibt es Gebrauchtes zum halben Preis Die Börse für gebrauchte Möbel schließt nach neun Jahren für immer die Türen
Die Wolmirstedter Möbelbörse im Bleicher Weg schließt. Nur bis zum 30.November werden dort Einrichtungsgegenstände den Besitzer wechseln, ab sofort zum halben Preis. Der Bedarf an gebrauchten Möbeln und Haushaltsgegenständen war in jüngster Zeit stark zurückgegangen.
Wolmirstedt l In den Augen von Ingo Brach liegt die Wehmut. "Diese Börse war neun Jahre lang mein Leben", sagt der 49-Jährige, "aber bevor wir noch weiter ins Minus rutschen, musste ich die Notbremse ziehen." Am 30. November schließen sich die Türen der Gebrauchtartikelbörse für immer. Damit verlieren auch sieben Männer und eine Frau ihre Beschäftigung.
Die Gebrauchtartikelbörse gehört zum Projekt "Ü 50 - aktiv zur Rente". Hier arbeiten Menschen, die bis zur Rente einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen wollen, statt Hartz IV zu beziehen. Träger ist die Umwelt- und Landschaftssanierung Beetzendorf. Im November wäre die Maßnahme ohnehin zu Ende gegangen. "Aber unter den gegebenen Umständen verzichte ich darauf, eine Verlängerung bis März zu beantragen", sagt Ingo Brach. Er rechnet ohnehin nicht mit einem Weihnachtsgeschäft. "Das gab es bei uns noch nie. Diejenigen, die bei uns kaufen, müssen ihr Geld für all die Abbuchungen zusammenhalten, die im Januar anstehen."
Die Waren der Gebrauchtartikelbörse stehen vor allem Bedürftigen zur Verfügung. Die Schrankwände, Sofas oder Lampen stammen ausschließlich aus Spenden und werden zu moderaten Preisen verkauft. Es hat Zeiten gegeben, das hat Ingo Brach händeringend nach Möbelspenden gesucht. Die Nachfrage ließ sich kaum decken. Und es hat Zeiten gegeben, da wurden so viele Spenden angeboten, dass die Mitarbeiter mit dem Abholen kaum nachgekommen sind. Doch nun hat sich das Blatt gewendet. Es gab immer weniger Spender und immer weniger Käufer.
"Ich kann auch nicht jede Möbelspende annehmen", sagt Ingo Brach. Rustikale Möbel waren einst sehr beliebt und oftmals sehr teuer, sind aber heute nicht mehr gefragt. "Unsere Bedürftigen sind vor allem junge Leute", sagt Ingo Brach, "und die möchten gerne moderne Möbel." Auch abgewetzte und durchgesessene Sofas nimmt er nicht an. "Manchmal verstehen die Spender nicht, dass wir die Möbel nicht mitnehmen wollen", sagt Ingo Brach, "aber auch Bedürftige haben Bedürfnisse."
Die Mitarbeiter wollen nicht mit ihrem Noch-Chef aufs Foto. "Ich muss ja sowieso gehen", sagt einer, "es ist ja Schluss." In den Gesichtern steht die Verbitterung. Viele sind seit Jahren dabei.
"Es ist für alle nicht leicht", sagt Ingo Brach. Sie alle sind gut zehn Jahre älter als er, um die 60 und erwarten Hartz IV. "Das Geld, das sie für diese Arbeit bekommen haben, haben sie gut gebrauchen können", weiß der Projektleiter. Andererseits war das dauernde Möbelschleppen auch immer schwerer geworden. Selbst starke Männer können mit um die 60 nicht mehr so zupacken wie Arnold Schwarzenegger in seinen besten Zeiten. "Wir haben in der letzten Zeit nur noch Möbel heruntergetragen", sagt Brach, "das Hochtragen war nicht mehr drin."
Nun hat der Ausverkauf begonnen. In der ehemaligen Fabrikhalle stehen Küchen, Schrankwände, Tische, ein geblümtes Ess-Service, Wäschekörbe oder Teppiche. Ingo Brach hofft, dass alles verkauft wird und Geld in die Kasse kommt. "Wir geben alles zum halben Preis ab", sagt der Projektleiter. Alles Übrige müssen die Mitarbeiter entsorgen. Die Halle ist gekündigt, muss leergeräumt werden.
Ingo Brach weiß noch nicht, was er tut, wenn er kein Projektleiter mehr ist. Er steht für seine kleine Familie in der Pflicht. "Mal sehen", sagt er.