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Orgelbau Gutensweger Orgel überlebte Jahrhunderte

Gutenswegen hat erst vor wenigen Wochen seine Orgel zurückerhalten - allerdings in Einzelteilen, die in der Kirche „Sankt Katharina“ verwahrt sind. Was es damit auf sich hat.

Von Sebastian Pötzsch 22.08.2023, 15:03
Mit viel Herzblut wurdenTeile der Orgel in der Gutensweger Kirche gesichert, so auch das  Manual mit Tasten.
Mit viel Herzblut wurdenTeile der Orgel in der Gutensweger Kirche gesichert, so auch das Manual mit Tasten. Foto: Sebastian Pötzsch

Gutenswegen - Erbaut wurde die Orgel von Johann-David Tiensch, der Jüngere, im Jahr 1764. Der Meister seines Faches entstammte einer Orgelbau-Dynastie und wurde am 17. Oktober 1732 in Eilsleben als Sohn von Johann-David Tiensch, den Älteren, geboren, ebenfalls Orgelbauer. Ihre Vorfahren prägten bereits seit Mitte des 17. Jahrhunderts den Landorgelbau im Saalkreisgebiet um Halle. So ist es der wissenschaftlichen Studie von Michael Behrens aus dem Jahr 1986 zu entnehmen. Demnach hat Johann-David Tiensch, der Jüngere, um 1759 sogar die Werkstatt des bedeutenden Magdeburger domkapitularischen Orgelbauers Johann-Georg Hartmann übernommen, wohl durch Heirat von dessen Witwe Johanna-Sophia.

Eines der wenigen Instrumente von Orgelbauer Tiensch

Die Gutensweger Orgel hatte Tiensch 1764 eigentlich für die Hundisburger Kirche gebaut und aufgestellt. Im Jahr 1835 wurde sie jedoch nach Gutenswegen verkauft. Das Instrument ist wohl eines der wenigen von Orgelbaumeister Tiensch, das die Jahrhunderte überdauerte – wenn nicht sogar das einzige.

Doch das Instrument hat in den vergangenen 50 Jahren eine kleine Odyssee hinter sich gebracht. Am 13. November 1972 begann das große Leiden. An diesem Tag hatte ein Sturm Teile des Daches der Kirche „Sankt Katharina“ zerstört. Seither war Wasser in das Kirchenschiff eingedrungen und zerstörte, was immer mit ihm in Berührung kam.

1986 in Einzelteilen nach Hundisburg „umgebettet“

Teile der Orgel konnten gerettet werden, deren Reste zerlegt zunächst in Hillersleben eingelagert wurden. Im Jahr 1986 waren die Einzelteile dann in die Patronatsloge der Hundisburger Kirche „umgebettet“ worden. Ein Jahr später wurde das Holz durch Begasung vom Holzwurm befreit und fristete seither ein kaum beachtetes Dasein – bis vor wenigen Wochen die Hundisburger Kirchengemeinde die Auslagerung der Gutensweger Orgel forderte.

Der „Wohnstube“ der Orgel erging es derweil noch schlechter. Weil in den 1970er und 1980 Jahre die Gutensweger Kirche nur stiefmütterlich behandelt und die Sturmschäden nicht beseitigt wurden, brach im Januar 1994 das stark von Nässe geschädigte Dachgebälk zusammen.

Wiederaufbau 1994 begonnen

Diese Katastrophe leitete jedoch den Wendepunkt in der Leidensgeschichte des Gotteshauses ein. Durch den Verkauf des Pfarrhauses konnte die Kirchengemeinde 1994 der Wiederaufbau des Daches an Angriff nehmen.

Aber auch die Gutensweger selbst wurden aktiv. Eine Spendensammlung im Dorf im Jahr 2000 ermöglichte den Einbau neuer Kirchenfenster. Und auf Eigeninitiative von Gemeindemitgliedern und weiteren Helfern konnte im Jahr 2003 ein neuer Fußboden verlegt werden. Seit Oktober desselben Jahres engagieren sich die Mitglieder des Fördervereines für Instandsetzung und angemessene Nutzung des Baus, der zur Kulturkirche entwickelt werden soll. Seither wird über Straßensammlungen, Spendenaktionen und Konzerten Geld für die Sanierung akquiriert.

1.000 freiwillige Arbeitsstunden geleistet

Inzwischen ist viel passiert: Die gesamte Elektroanlage ist fertiggestellt. Anfang 2004 wurden historische Kirchenbänke von der Gemeinde Espelkamp bei Bielefeld geholt. Die gab es kostenlos.

Im April 2010 wurden neue Schallluken eingebaut und ein Jahr später der jahrhundertealte Turm saniert. Danach bekam der Innenraum einen neuen Putz. Diese Arbeiten dauerten über mehrere Jahre und verschlangen rund 1.000 freiwillig geleistete Arbeitsstunden. Der Einbau einer Toilette und einer Teeküche im unteren Teil des Turmes wurde ebenfalls durch ehrenamtlichen Helfer realisiert.

Auch der Rahmen des Orgeltisches konnten gerettet werden und soll später einmal in neuem Glanz erstrahlen.
Auch der Rahmen des Orgeltisches konnten gerettet werden und soll später einmal in neuem Glanz erstrahlen.
Foto: Sebastian Pötzsch

Vor kurzem wurde die Empore im Kirchenschiff fertiggestellt. Auch dieses Holzbauwerk aus dem Ende des 19. Jahrhunderts ist für Kunsthistoriker etwas Besonderes. Errichtet hat es nämlich Holzbildhauer Gustav Kuntzsch, ein namhafter Meister der damaligen Zeit.

Mit der Sicherung der Kirche war es nun möglich, den Bitten aus Hundisburg zu entsprechen und die Orgel zurück nach Gutenswegen zu holen. Dass sie wieder erklingt, ist der große Traum von Verein und Kirchgemeinde. Doch dafür ist noch viel zu tun – und eine Menge an Spendengeldern zu sammeln. Doch vielleicht ist ja mit der Veranstaltung am 6. Oktober ein Anfang gemacht.