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Historisches Kirchturm in Groß Ammensleben ist immer wieder auferstanden

Die Kirche „Sankt Peter und Paul“ in Groß Ammensleben blickt zurück auf eigene eine wechselvolle Geschichte. In derem Verlauf ging es dem einzigen Turm mehrmals „an die Spitze“. So auch im Jahr 1928, wie Historiker Wilfried Lübeck herausfand.

Von Sebastian Pötzsch 23.06.2021, 18:52
Die Turmspitze der Kirche "Sankt Peter und Paul" in Groß Ammensleben ist im Verlauf der Gescichte mehrmals zerstört und erneuert worden.
Die Turmspitze der Kirche "Sankt Peter und Paul" in Groß Ammensleben ist im Verlauf der Gescichte mehrmals zerstört und erneuert worden. Foto: Sebastian Pötzsch

Groß Ammensleben - Erhaben reckt sich der rund 65 Meter hohe Turm der ehemaligen Klosterkirche „Sankt Peter und Paul“ in Groß Ammensleben gen Himmel. Seine etwa 30 Meter hohe Spitzhaube thront majestätisch obendrauf, als könne sie da oben durch nichts erschüttert werden. Doch die Geschichte zeigt ein anderes Bild.

Ursprünglich erbaut wurde die Kirche im 12. Jahrhundert als querschifflose Basilika. Von den ursprünglich vier geplanten Türmen wurde lediglich der Nordwestturm fertig gestellt. Nach den umfassenden Umbauten in den Jahren von 1515 bis 1525 bildeten nunmehr zwei Türme, von denen der Nordwestturm verändert wurde, den Westabschluss der Kirche.

Spitzenbekleidung istüber acht Meter hoch

Doch keines der Bauwerke hat bis heute überlebt. „Im Jahr 1611 wurde der heute noch existierende Turm erbaut“, berichtet Historiker Wilfried Lübeck und fügt hinzu. „Das geschah während einer Zeit der wirtschaftlichen Blüte vor dem Dreißigjährigen Krieg.“ Abt jener Epoche war der geschäftige Casper Uhlenberg. Seine Pläne gingen über die Errichtung nur eines Kirchturms hinaus, ein zweiter sollte nämlich folgen.

Doch die kriegerischen Auseinandersetzungen um Religion, die Europa in den Jahren 1618 bis 1648 in Atem halten viele Tote fordern sollten, verhinderten die Vollendung der Pläne. „Das Kloster konnte sich den Bau einfach nicht mehr leisten“, bringt es der Groß Ammensleber auf den Punkt. Im Laufe der Jahrhunderte sei der verbliebene Turm immer mal wieder einer Renovierung unterzogen worden. „Laut der Ortschronik wurde etwa alle 100 Jahre an dem Bauwerk repariert“, hat Wilfried Lübeck herausgefunden.

Kugel, Wetterfahne und Kreuz, die bis heute das Bauwerk zieren, wurden neu gefertigt

Davon zeugt ein Zeitungsartikel, auf den der Historiker jüngst während seiner Recherchen im Regionalmuseum auf der Domäne in Wolmirstedt gestoßen ist. So berichtete der „Allgemeine Anzeiger für Wolmirstedt und Neuhaldensleben“ am 8. November 1928 über eine ganz besondere Aktion: „Am Dienstag und Mittwoch wurde an der Kirche in Groß Ammensleben seitens des Dachdeckermeisters Otto Gaede aus Barleben und von seinen Leute sowie einigen Klempnerarbeitern eine recht gefahrvolle und schwierige Arbeit erledigt.“ Demnach war eine neu angefertigte „Bekleidung“ der Turmspitze anzubringen. Gemeint waren Kugel, Wetterfahne und Kreuz, die bis heute das Bauwerk zieren. Aus dem damaligen Bericht des „Anzeigers“ geht hervor, dass allein die alles tragende eiserne Stange 8,5 Meter hoch ist.

Kugel, Kreuz und Wetterfahne waren laut der Zeitung von Klempnermeister Martin Joos von der Großen Diesdorfer Straße in Magdeburg angefertigt worden. „Von der Größe der Kugel und des Hahns kann sich der Untenstehende kaum einen Begriff machen. Ist doch der Hahn 1,80 Meter hoch, die Kugel hat einen Durchmesser von 95 Zentimetern, eine Höhe von 75 Zentimetern. Das auf der Kugel stehende Kreuz überragt den Hahn nochmals um 1,20 Meter“, heißt es in dem Bericht weiter. „Die Anbringung des zu diesem Zwecke nötigen Gerüstes“ sei „eine zeitraubende und technische Leistung“ gewesen.

Vor der Installation waren die in der alten Kuppel zuvor gefundenen sowie neue Dokumente eingefügt worden, darunter Zeitungen. Die alten Papiere stammten aus den Jahren 1501 und 1806. „Nach diesen ist die Kugel im Jahre 1806 von einem Verwalter der Domäne abgeschossen und auf dessen Kosten erneuert“ worden.

Orkan Quimburga setzte dem Kirchturm böse zu

166 Jahre später ging es der Kirchturmspitze erneut an den Kragen. Mit Böen von 160 Kilometer pro Stunde raste am 13. November 1972 der Orkan „Quimburga“ über Mitteleuropa und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. Von mehreren Augenzeugen war an diesem Montag über ein beängstigendes Schwanken des Turmes schon in den Vormittagsstunden berichtet worden. Es war kurz vor 12 Uhr, als mit einem riesigen Getöse plötzlich die 30 Meter hohe Spitzhaube vom Kirchturm stürzte und eine mächtige Staubwolke aufwirbelte.

Der Orkan hatte den Turmhelm aus der Verankerung gerissen, so dass dieser das Dach der Marienkapelle sowie einen Strebepfeiler und das Dach der Ursulakapelle durchschlug. Auch das nördliche Seitenschiff der Kirche war stark mitgenommen.

Erst 1979 waren die Sturmschäden beseitigt

Neben den Schäden am Kirchenschiff lag der Glockenstuhl auf dem Turm frei. Viele Groß Ammensleber halfen bei Aufräumarbeiten und ersten Reparaturen. Der Wiederaufbau der Turmhaube setzte sehr verzögert ein und begann 1977 mit finanzieller Unterstützung des Erzbistums Paderborn, zu dem die katholische Kirche damals über die Grenzen hinweg gehörte.

Am 9. September 1979 war es endlich soweit: Die Turmhaube war fertig aufgesetzt. Der alte Wetterhahn und die alte Kugelspitze konnten wiederverwendet werden. Nach sieben Jahren war der Turm aufgebaut und die Glocke Scholastica ertönte wieder.

Der Wiederaufbau der Turmhaube nach den Sturmschäden sollte sich über sieben Jahre hinziehen
Der Wiederaufbau der Turmhaube nach den Sturmschäden sollte sich über sieben Jahre hinziehen
Foto: Archiv Wilfried Lübeck
Die Kugel hat einen Durchmesser von 95 Zentimeteern, der han ist 1,80 Meter und das Kreuz 1,20 hoch.
Die Kugel hat einen Durchmesser von 95 Zentimeteern, der han ist 1,80 Meter und das Kreuz 1,20 hoch.
Foto: Sebastian Pötzsch