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Blitz löst Feuer aus Meitzendorf: Panik macht sich breit

Ein Inferno erschüttert die Gemeinde Meitzendorf. Ein Blitzeinschlag löst ein Feuer aus, dem fast das ganze Dorf zum Opfer fällt. Die ganze Geschichte.

Von Sebastian Pötzsch Aktualisiert: 06.08.2023, 16:05
Harry Seeger vom „Geschichtskreis Meitzendorf“ läutet die kleine Glocke der Sankt-Petri-Kirche.
Harry Seeger vom „Geschichtskreis Meitzendorf“ läutet die kleine Glocke der Sankt-Petri-Kirche. Fotos: Sebastian Pötzsch

Meitzendorf - Ein Tag, der so friedlich begann, sollte in einer beispiellosen Katastrophe enden. Nur die Kirche blieb verschont. Wie alles begann.

In der Kirche „Sankt Petri“ in Meitzendorf trudeln die ersten Gäste ein. Es ist gegen 9.45 Uhr. Mitglieder des Heimatvereines „Geschichtskreis Meitzendorf“ in ihren Trachten sind die ersten vor Ort. Auch Pfarrer Johannes Könitz kommt gerade aus Barleben von einem ökumenischen Gottesdienst. Gekleidet ist er in einen schwarzen Talar, wie ihn auch schon der Meitzendorfer Pfarrer Jakob Conrad Baldamus von rund 300 Jahren getragen haben muss.

Um 9.51 Uhr nahm das Unheil seinen Lauf

Dann ist es 9.51 Uhr. Barbara Gaebel drückt den Knopf, schon setzt sich die große Glocke im Turm von „Sankt Petri“ in Gang. Zeitgleich zieht Harry Seeger ein Stockwerk höher an einem Tau. Das dicke Seil ist verbunden mit der kleinerem Glocke unter der Turmhaube. Nun schellt das Geläut kilometerweit über die Feldmark und wird wohl auch in den benachbarten Orten zu hören sein.

Schließlich gilt die Uhrzeit als Beginn einer Katastrophe, die Meitzendorf vor 296 Jahren heimsuchte. Und so könnte sie sich zugetragen haben:

Es ist ein warmer Sommertag am 6. August des Jahres 1727. Doch gegen 9.30 Uhr braut sich ein heftiges Gewitter über der Ortschaft zusammen. Der Himmel verdunkelt sich gespenstisch bis es beginnt, in Strömen zu regnen. Es blitzt und donnert ohne Unterlass. Plötzlich - es ist Punkt 9.51 Uhr - erschüttert ein extrem lauter Knall den Ort. Ein Haus in Meitzendorf fängt Feuer. Hier hat ein Blitz eingeschlagen. Im Nu greifen die Flammen auf das gesamte Fachwerkgebäude über. Doch dabei bleibt es nicht. Auch die Häuser in der Nachbarschaft sind stark gefährdet. Die Anwohner laufen auf die Straßen und schlagen die Hände über ihren Köpfen zusammen. „Das ist die Strafe Gottes“, rufen einige aus voller Kehle.

Fast das gesamte Dorf wird Opfer der Feuersbrunst

Panik macht sich breit. Pferde wiehern ihre Angst heraus, Hunde bellen und Schafe blöken. Doch greifen die Flammen auf weitere Häuser, Scheunen und Darren über. Hier lagert die schon eingefahrene Ernte, die in Gefahr gerät, vollends zu verbrennen. Der Regen hat schon längst aufgehört. Doch die verbliebene Nässe vermag es nicht, das Flammenmeer aufzuhalten. Immer mehr der Fachwerkgebäude inmitten des Ortes geraten in Brand. Mit Wassereimern ist der Hölle längst nicht mehr beizukommen. Wenige können ihre Habseligkeiten retten. Nach nur zwei Stunden ist fast das gesamte Dorf abgebrannt.

Nur die Kirche und zwei Katen blieben verschont

Übrig geblieben sind eingestürzte Fachwerke. Rußgeschwärzt ragen sie wie faule Zähne gen Himmel. An allen Ecken und Enden steigen dicke Rauchschwaden in Richtung des wolkenverhangenen Firmaments. Die Einwohner - Bürger, Groß- und Kleinbauern sowie Knechte und ihre Angehörigen - haben sich fassungslos an der Kirche eingefunden und hoffen auf himmlischen Beistand. Der Sakralbau mit seinen vier Fuß dicken Mauern aus Feldsteinen bietet Schutz vor dem Höllensturm. Tatsächlich scheint Gott die Gebete erhört zu haben. Wie durch ein Wunder bleibt die Kirche unversehrt, nebst zwei Höfen und zwei Katen. Die Kirchenchronik berichtet von dem Inferno und den wenigen Gebäuden, die verschont geblieben sind, „wobey die göttliche Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue klärlich zu erkennen“, kommentierte der damalige Pfarrer Baldamus.

Dieser Feuersbrunst wollen die am Sonntagvormittag in der Kirche Anwesenden gedenken. Doch Pfarrer Johannes Könitz erinnert an zwei weitere Höllenfeuer, ausgelöst durch Atombomben, abgeworfen am 6. August 1945 auf Hiroshima und drei Tage später auf Nagasaki. „Diese Namen stehen für eine schreckliche Premiere, für eine monströse Grausamkeit“, sagt Könitz. Doch verweist der Pfarrer auf das mit den Abwürfen einhergehende Ende des japanischen Eroberungsfeldzuges durch Asien „mit einer ebenfalls erschreckenden Bilanz“. Zwischen 1931 und 1945 fielen dem Krieg rund 15 Millionen Menschen zum Opfer.

Umliegende Dörfer spenden Getreide, Butter und Bier

„Demütig und dankbar erinnern wir an den großen Brand von 1727, und dass Meitzendorf dennoch eine Zukunft hatte“, sagt der Pfarrer. Schließlich sein kein einziger Mensch den Flammen zum Opfer gefallen. Und dankbar sei der Ort noch heute gegenüber jenen Dörfern in der Umgegend, die Meitzendorf mit Spenden unterstützt und somit das Überleben gesichert haben. Tatsächlich ist die Hilfsbereitschaft einer alten Chronik zu entnehmen, die erst vor einigen Jahren zufällig bei Aufräumarbeiten hinter dem Altar gefunden wurde, wie der Pfarrer berichtet. Darin ist überliefert, dass Olvenstedt 59 Brote und 94 Pfund Fleisch nach Meitzendorf gab. Groß Ottersleben spendierte unter anderem zehn Scheffel Roggen, das Kloster Groß Ammensleben ein Fass Bier und Hohenwarsleben sieben Pfund Butter. Doch auch Samswegen, Barleben, Meseberg, Lindhorst und Gutenswegen spendierten etliche Scheffel Getreide und dergleichen.

Heute symbolisieren in Heimatstube Säckchen mit Aufschriften an die Gaben der umliegenden Dörfeer.
Heute symbolisieren in Heimatstube Säckchen mit Aufschriften an die Gaben der umliegenden Dörfeer.
Archivfoto: Sebastian Pötzsch

Und diese Hilfsbereitschaft vor fast 300 Jahren veranlasst die Meitzendorfer, auch dieses Jahr wieder Dank zu sagen. So haben sich am Sonntagnachmittag auf dem, „Alten Schulhof“ verschiedene Akteure zusammengefunden, um bei Kaffee und Kuchen der Musik des Barleber Posaunenchors zu lauschen. Auch Editha ist zu Gast. Die erste Gemahlin Ottos des Großen berichtet aus ihrem Leben bei Hofe.

So gedenken die Meitzendorfer nun schon seit Jahren einem der schwärzesten Tage in der Geschichte ihres Ortes und der Weltgeschichte. Und sie werden es im kommenden Jahr wieder tun.