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Interview So bekam Zielitz ein Theater

Sigrid Vorpahl erzählt von Proben im Wohnzimmer und warum die Gemeinde in Zielitz ein Theater baute.

Von Norma Deneke 29.12.2023, 16:09
Szene aus „Schieß mich doch zum Mond“.
Szene aus „Schieß mich doch zum Mond“. Foto: Holzhaustheater Zielitz

Zielitz - Nicht nur die Kalimandscharo-Festspiele ziehen das Publikum nach Zielitz. Wenn Sigrid Vorpahl ein Stück auf die Bühne bringt, dann ist ein ausverkauftes Haus fast sicher. Doch wie hat eigentlich alles angefangen? Die Volksstimme fragt nach:

Wie kamen Sie zum Holzhaustheater?

Sigrid Vorpahl: Mit zwei zehnjährigen Mädchen fing alles an. In den Schulferien hatten Franziska Vorpahl und Jenny Müller eine Szene aus Goethes „Urfaust“ einstudiert. Anfang September 1994 führten sie die „Schülerszene“ in Zielitz auf: Auf der Terrasse vor dem Holzhaus, in dem eine von ihnen wohnte. Die Nachbarn sahen zu und waren so begeistert, dass sie von da an auch Theater spielen wollten. Und der Name für die neue Gruppe ergab sich logisch: Holzhaustheater Zielitz.

Die bunte Truppe bestand schon damals aus Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die zuvor noch nie auf einer Bühne gestanden hatten. Unter Anleitung von professionellen Theaterleuten probte das kleine Liebhabertheater im Wohnzimmer oder, wenn es das Wetter erlaubte, auch im Garten vor dem Haus. Einmal im Jahr gab es dann auf der Terrasse oder auf einem selbst gezimmerten Podest eine Vorstellung. Weil die Stühle nicht reichten, brachten die Besucher selbst welche mit und alle hatten Spaß an diesen amüsanten und unkonventionellen Theaterabenden.

Sommertheater mit „Der Prinz von Schricke“

Im Jahr 2000 kam eine neue Idee ins Spiel: Sommertheater auf dem Salzberg. Das war schon eine ganze Nummer größer und ohne finanzielle Unterstützung nicht zu stemmen. Aus dem Liebhabertheater wurde ein gemeinnütziger Verein, der von Anfang an von der Gemeinde Zielitz gefördert wurde. Auch die Werkleitung der K+S Kali GmbH Werk Zielitz fand Gefallen an der Sommertheateridee und sagte Unterstützung zu. So erlebte am 25. August 2000 die Komödie „Der Prinz von Schricke“ ihre Uraufführung auf der Kalihalde II. Der Erfolg überraschte alle Beteiligten, motivierte aber auch zum Weitermachen.

Die Truppe wuchs und das Wohnzimmer wurde für die Proben zu klein. Da kam das Angebot der Gemeinde Zielitz, die ehemalige SeRo-Annahmestelle als Vereinstreff zu übernehmen, gerade recht. Aus dem Ziehharmonikagebäude, in dem früher Flaschen, Gläser und Altpapier gesammelt wurden, machten die Vereinsmitglieder in wochenlanger ehrenamtlicher Arbeit ein richtiges kleines Theater. Und weil es nun schon mal da war, nutzten sie es nicht nur für Proben: Auf dem sieben Meter breiten und fünf Meter tiefen Bühnenpodest spielten die Holzhaustheatermimen von nun an auch außerhalb der Festspielsaison Märchen, Komödien und kleine Programme. Der Anfang war nicht leicht, doch mit der Zeit erspielten sich die Mimen ein Stammpublikum, das nicht nur die Aufführungen, sondern auch die besondere Atmosphäre im kleinsten Theater Sachsen-Anhalts liebte.

Schauspielschule für Kinder gegründet

Immer mehr Kinder wollten mitmachen und da es nicht so viele Stücke mit Kinderrollen gibt, gründeten die Theaterleiter Sigrid und Bernd Vorpahl 2002 die Schauspielschule für Kinder und Jugendliche Zielitz. Mittlerweile erlernen hier rund 40 Schüler in die Grundlagen der Schauspielkunst. Die engagierte Jugendarbeit des Vereines wird ebenfalls von der Gemeinde Zielitz unterstützt.

Noch kleiner als die Bühne im Holzhaustheater war der Raum dahinter, der als Garderobe, Maske und Requisite diente. Auf den 14 Quadratmetern Hinterbühne standen auch noch Regale, Schränke und Stühle. Bei manchen Inszenierungen mussten sich dort 18 Darsteller umziehen. Das war nicht nur zu eng, sondern gefährdete auch den Ablauf der Aufführungen, weil Kostüme oder Requisiten in dem unvermeidlichen Durcheinander oft einfach nicht zu finden waren.

2014 begann der Bau des Theaters

Der Verein bat deshalb bei der Gemeinde um Unterstützung für den Anbau eines kleinen Gartenhauses aus Holz. Der Zielitzer Bürgermeister, Dyrk Ruffer, sah sich die Situation vor Ort an und sagte: „Gartenhaus? Da bauen wir etwas Richtiges.“ „Etwas Richtiges?“ Die Vereinsmitglieder wagten nicht zu denken, dass damit ein richtiges Theater gemeint sein könnte. Doch tatsächlich beschloss der Gemeinderat, Planungen für einen Theaterbau in Auftrag zu geben. Später entstand die Idee, die ehemalige Sporthalle neben der Schule zu einem Theater umzubauen. Die Idee war gut, doch das Gebäude schon so marode, dass an einen Umbau nicht zu denken war: Es musste völlig abgerissen werden. Dadurch wurden wieder neue Pläne benötigt und der Bau verzögerte sich. Doch Bürgermeister und Gemeinderat bewiesen Rückgrat und hielten an dem Bauvorhaben fest. Am 30. Juni 2014 war Baubeginn und ab Oktober 2015 konnten die Mimen das neue Theater nutzen.

Voller Begeisterung stürmten die Schauspielschüler schon am Umzugstag die große Bühne, um für ihre Szenen zu proben. Und auch bei den Besuchern sieht man ungläubiges Staunen in den Gesichtern, wenn sie zum ersten Mal das Foyer betreten: Ein richtiges Theater in so einem kleinen Dorf – das hatte wohl niemand erwartet.

Der Dank der Holzhaustheatermimen gilt dem Gemeinderat, der mit seinem Beschluss den Bau des Theaters möglich gemacht hat.

Was macht für Sie das Zielitzer Theater so besonders?

Im Holzhaustheater Zielitz stehen Kinder, Jugendliche und Erwachsene gemeinsam und gleichberechtigt auf der Bühne. Oft sind sogar ganze Familien vertreten. Sie werden von professionellen Theatermachern angeleitet und zeigen deshalb bemerkenswert gute schauspielerische Leistungen. Alle Darsteller und Helfer engagieren sich ehrenamtlich. Die Truppe bezeichnet sich selbst als „große Theaterfamilie“.

Aus Ihrer Feder stammt ein erfolgreiches Stück nach dem nächsten, Woher nehmen Sie Ihre Ideen?

Ich würde die Ideen gern irgendwoher aus dem Schrank oder Regal nehmen. Leider muss ich warten, bis sie irgendwann von allein zu mir kommen. Davor liegt eine lange Zeit des Grübelns und der schlafarmen Nächte. Ich suche stets Ideen, die zum Ensemble passen und die möglichst auch noch einen lokalen Bezug haben. Neu und amüsant sollten die Geschichten natürlich auch noch sein. Die Ideenfindung dauert meist sechs bis acht Wochen. Danach rund vier Wochen Recherche, sowie zwölf Wochen Schreiben und Überarbeiten.

Nach der Premiere ist immer auch vor der Premiere, denn schon kurz nach dem Ende der Uraufführung muss ich die Frage beantworten: „Und, was gibt es im nächsten Jahr?

Gibt es ein Theaterstück, das Sie gern einmal in Zielitz aufführen würden?

Meine Lieblingsstücke sind immer die, an denen wir aktuell gemeinsam arbeiten. Neue Stücke sind immer große Herausforderungen: Noch nie sind sie aufgeführt worden; es gibt keinerlei Erfahrungen damit; die Schauspieler müssen mir vertrauen, obwohl sie mitunter zweifeln, ob das alles funktionieren wird. Die Mühen der Ebene liegen eben vor dem Erfolg. Aktuell proben wir bereits für die Märchenkomödie „Der gestiefelte Kater“. Die neue Komödie „Minirock und Rambazamba“ ist in den Grundzügen fertig. Ich muss nur noch sämtliche Dialoge überarbeiten und die Textbücher ausdrucken. Anfang Januar 2024 werden die Proben dafür beginnen. Das sind die beiden Stücke, die ich im nächsten Jahr gern auf die Bühne bringen möchte.

Meine Lieblingsstücke bislang sind: „Schieß mich doch zum Mond“ und „Das Gespenst von Canterville“ – letztere Inszenierung nehmen wir mit neuen Besetzungen gerade wieder auf. Die nächste noch nicht ausverkaufte Vorstellung mit neuem Darsteller für das Gespenst „Sir Simon“ ist für den 13. Januar 2024 um 19 Uhr im Theater Zielitz geplant.

Was ist Ihr größter Wunsch für die Zukunft des Holzhaustheaters?

Ich habe auch an verschiedenen anderen Theatern gearbeitet. Überall gab es Grüppchen, welche sich nicht so richtig „grün“ waren, kleine und große Intrigen, oft Missgunst und Neid. Das ist im Holzhaustheater nicht so und ich wünsche mir, dass die Truppe auch weiterhin so gut zusammenhält und zusammenarbeitet. Und natürlich wünsche ich mir, dass unser Publikum dem Holzhaustheater die Treue hält und auch, dass viele neue Besucher den Weg ins Theater Zielitz oder auf den Salzberg finden werden.