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Kirche Wie Wolmirstedter Kirchengemeinden ohne Pfarrer funktionieren

Die Wolmirstedter Katharinenkirche muss immer wieder ohne Pfarrer auskommen. Trotzdem läuft das Gemeindeleben weiter. Nachwuchs fehlt auch in anderen Kirchen.

Von Gudrun Billowie Aktualisiert: 11.08.2021, 10:51
Taufen gehören zu den liebsten Tätigkeiten des Pfarrers Johannes Könitz, Taufbecken gibt es in jeder Kirche.
Taufen gehören zu den liebsten Tätigkeiten des Pfarrers Johannes Könitz, Taufbecken gibt es in jeder Kirche. Foto: Gudrun Billowie

Wolmirstedt - Eine Kirche ohne Pfarrer - diesen Zustand erlebt die Wolmirstedter Katharinenkirche immer wieder. Zuletzt hat das Pfarrerehepaar Ina und Sven Lambert die Koffer gepackt, ist nach Berlin zurückgekehrt. Seither ist die Pfarrstelle frei, ein Bewerberpaar aus Thüringen hat in letzter Minute abgesagt. Wer betreut jetzt Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen, wer kümmert sich um das Leben der Kirchengemeinde?

Zurzeit hält Pfarrer Johannes Könitz den Betrieb in den Wolmirstedter Kirchen aufrecht, ist als Vakanzverwalter eingesetzt. Er kümmert sich um die Seelsorge, sorgt dafür, dass notwendige Reparaturen angeleiert werden, die evangelischen Kita arbeiten kann, begleitet die Arbeit der Gemeindekirchenräte.

Mit Kantor Noetzel musikalisch unterwegs

Die Arbeit mit den Menschen fällt Johannes Könitz nicht schwer. Er ist seit 30 Jahren Pfarrer in der Nachbargemeinde Barleben, hat eine Zeit lang die Glindenberger Gemeinde mitbetreut, ist unter dem Namen „Supcooltour“ zusammen mit dem Superintendenten Uwe Jauch, dem ehemaligen Pfarrer Andreas Nestler und dem Kantor Gerhard Noetzel musikalisch unterwegs. „Die Wolmirstedter wissen, wer ich bin.“

Pfarrer sind Seelsorger, müssen sich aber auch mit den Kirchenmauern und -dächern gut auskennen. Ein Wasserschaden in der evangelischen Kita „St. Katharinen“ konnte schnell behoben werden. Doch das undichte Dach der Katharinenkirche bereitet Sorgen. Es regnet durch, dem Gotteshaus kann nur notdürftig geholfen werden, doch die ganz große Summe für die Reparatur steht auf der Kippe. Nach derzeitigem Stand wird es keine Gelder aus dem europäischen Leader-Programm der aktuellen Förderperiode geben. Die nächste Periode startet noch in diesem Jahr. „Wir werden neue Anträge stellen.“

Die nächste große Baustelle wird das Glindenberger Pfarrhaus sein. Das ist verkauft worden und muss besenrein übergeben werden. Vor dieser Arbeit fürchtet sich der Pfarrer nicht: „Ich weiß, wen ich ansprechen kann, viele werden helfen.“

Kirchengemeinden arbeiten sehr eigenständig

Das Prinzip der Vielen ist das, worauf sich Pfarrer Könitz stützt. „Ich sehe, dass die Kirchengemeinden gut selbst arbeiten.“ Als besonders aktiv gilt die Elbeuer Gemeinde. „Dort“, weiß Pfarrer Könitz, „kommen sogar regelmäßig fünfzig Prozent aller Mitglieder zum Gottesdienst.“ Doch auch Kornelia Wesemann, die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates von Wolmirstedts St. Katharinen bestätigt: „Wir haben uns die Aufgaben gut aufgeteilt.“

Das bedeutet aber auch, auf ehrenamtlich arbeitenden Gemeindekirchenräten lastet Verantwortung. Sie sind dabei, wenn Baumaßnahmen angeschoben und beendet werden, sie kümmern sich um die Ausgestaltung der Kirche für den Gottesdienst, das Gemeindeleben, bieten Gespräche an. Die Arbeit in der Kirche muss auch laufen, wenn gerade kein Pfarrer vor Ort ist.

Unbesetzte Stellen gibt es nicht nur in Wolmirstedt. „In der gesamten Landeskirche gibt es mehr offene Stellen als Bewerber“, weiß Dieter Lomberg. Der Glindenberger ist Präses der Landessynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), der etwa 680 000 evangelische Christen angehören. Die meisten leben in Thüringen und Sachsen-Anhalt, einige in Brandenburg und Sachsen. Aus diesem großen Blickwinkel heraus bezeichnet Dieter Lomberg die Wolmirstedter Pfarrstelle als attraktiv. Verglichen mit Kirchengemeinden in ländlichen Regionen wie der Altmark, wo sich eine Gemeinde mitunter auf 25 Orte verteilt, sind die Wolmirstedter Gemeinden vergleichsweise nah beieinander.

Trotzdem: Es gibt zwar wieder Interessenten für die Wolmirstedter Pfarrstelle, doch weil Seelsorger überall rar sind, sucht die Kirche Wege, wie sie mit diesem Personalmangel generell umgehen kann. „Wir haben das Projekt Regionalmanager angeschoben“, berichtet Dieter Lomberg. Dieser Regionalmanager soll Pfarrer bei Verwaltungsaufgaben entlasten und dazu beitragen, dass Pfarrer ihren Gemeinden gerecht werden, ohne dabei selbst auszubrennen.

Auch der offenen Kirche gehört die Zukunft. Glindenbergs „St. Nikolai“ wird schon lange nicht mehr abgeschlossen. Manchmal suchen Menschen eine Bank zum ausruhen, einen Platz für ein Gebet, manche erinnern sich in der Kirche ihrer Kinderzeit. „Auch Jugendliche kommen, weil die Kirche attraktiver ist, als die Bushaltestelle.“ Das hat Dieter Lomberg anhand der Eintragungen ins Buch erkannt.

Ebenso schätzt er die starken Gemeinden, die sich sehr engagiert selbst um kirchliches Leben kümmern. Der Präses betont: „Sie haben keine Notnagelfunktion.“ Kirchengemeinden seien starke Akteure vor Ort.

Menschen müssen wissen, wer ihr Pfarrer ist

Der Pfarrernachwuchs fehlt nicht nur der evangelischen Kirche. Auch Wolmirstedts katholische Gemeinde „St. Josef“ kann ein Lied singen. Zuständig ist der Pfarrer Christian Kobert, der in Haldensleben residiert.

Die kirchliche Arbeit vor Ort erledigen vor allem Peter Zülicke, der 83-jährige Pfarrer im Ruhestand, und Gemeindereferent Karlo Türling. Beide arbeiten vor allem in der Seelsorge und halten das Gemeindeleben aufrecht. Sind Bauarbeiten an der Kirche zu erledigen oder muss St. Josefs Glockenanlage repariert werden, melden sie das in der Haldensleber Pfarrei an.

„Wichtig ist“, sagt Präses Dieter Lomberg, „dass die Menschen wissen, wer ihr zuständiger Pfarrer ist, wen sie ansprechen können.“ Das wird gern genutzt, bestätigt Johannes Könitz, der vor 30 Jahren aus Thüringen in die Börde kam und auf eine eher verschlossene Mentalität traf. Doch recht bald lernte er diesen Typ Menschen schätzen. „Wenn man wirklich angekommen ist, stehen sie voll hinter einem, hinter ihrem Pfarrer.“