Ohrestadt liegt bei den Anträgen zur Einsicht weit über dem Landesdurchschnitt Sachsen-Anhalts Wolmirstedter haben auch 23 Jahre nach der DDR großes Interesse an Stasi-Akten
Auch mehr als 20 Jahre nach dem DDR-Ende reißt das Interesse an Stasi-Akten nicht ab. Deshalb müssen Wolmirstedter, die gestern auf dem Beratungstag im Landratsamt einen Antrag zur Akteneinsicht gestellt haben, etwa drei Jahre auf ein Ergebnis warten.
Wolmirstedt l "Ich hatte gute Westkontakte, ich bin mir sicher, dass über mich eine Stasi-Akte existiert", erklärt ein Wolmirstedter, während er ein Formular zur Einsicht der Stasi-Akten ausfüllt. Es ist nicht sein erster Antrag. Vor etwa 20 Jahren hatte er bereits eine Anfrage gestellt. Viel sei damals nicht herausgekommen. Mit seinem zweiten Antrag hofft er nun mehr Informationen zu erhalten, was die Stasi-Mitarbeiter damals über ihn gewusst haben. Der Wolmirstedter war einer von vielen, die den Beratungstag des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes gestern im Landratsamt genutzt haben. Alle zwei Jahre besuchen die Mitarbeiter der Behörde die Ohrestadt, um die Wolmirstedter in Sachen Akteneinsicht und Rehabilitierung von Ex-Häftlingen zu beraten.
Bearbeitung der Anträge ist sehr zeitaufwendig
Das erste Mal war Wolfgang Laßleben, Mitarbeiter der Behörde des Landesbeaufragten, 2007 für einen Beratungstag in der Ohrestadt. Ein Jahr zuvor hatte die Behörde einen Informationstag in den Magdeburger Einwohnermeldeämtern angeboten. Die Resonanz war groß. Deshalb wurde entschieden, auch in Wolmirstedt solch eine Beratung einzuführen.
"Wir waren überrascht über die Nachfrage", erinnert sich Laßleben noch heute. 115 Menschen suchten bei den Mitarbeitern damals Hilfestellung.
2009 waren es sogar 167 Antragsteller. "Der Anstieg lässt sich aber mit dem Jahrestag des DDR-Endes erklären", so Laßleben. Da sei die Anzahl der Nachfragen bundesweit "explodiert". 2011 beruhigte es sich wieder. 107 Wolmirstedter nutzten damals das Angebot im Landratsamt. Zum Vergleich: Der Besucherdurchschnitt liegt landesweit bei 42 Besuchern. Die Zahlen zeigen folglich : Auch nach über 20 Jahren DDR-Ende hat das Interesse an Stasi-Akten in der Ohrestadt keinen Abbruch genommen. "Das häufigste Anliegen der Ratsuchenden ist die Akteneinsicht. Etwa 90 Prozent der Leute wollen ihre Akten einsehen", erklärte Wolfgang Laßleben. Das Ausfüllen des Formulars dauert selbst zwar nur zehn Minuten. Auf das Ergebnis muss dann aber doch etwa drei Jahre gewartet werden. Nur bestimmte Personenkreise würden schneller bearbeitet werden, unter anderem Menschen, die älter als 75 Jahre sind. "Wer keinen Grund auf Eilbedürftigkeit hat, muss sich hinten anstellen", erklärt Laßleben. Als Gründe für diese Zeitspanne nennt er zum einen das gestiegene Interesse der Menschen an den Stasi-Akten und zum anderen fehlendes Personal zur Bearbeitung der Anfragen.
Erkenntnisse aus Stasi-Akten von befreundeten Personen
Falls keine Stasi-Akte existiert, erhält der Antragssteller nach etwa einem halben Jahr Bescheid. Wer sich aber trotzdem sicher ist, dass über ihn Stasi-Informationen existieren, hat noch eine Möglichkeit: Die Stasi-Akte einer Person aus dem Umfeld auf Informationen über sich selbst durchsuchen zu lassen. Ein Verfahren, das beispielsweise Hans-Peter Schulze genutzt hat. Der Mitarbeiter des Caritasverbandes für das Bistum Magdeburg hat Laßleben bei dem Beratungstag in Wolmirstedt unterstützt. Seine eigene Akte habe nach der Wende nicht mehr existiert, deshalb habe er über Dritte ausfindig gemacht, was die Stasi über ihn alles wusste. Etwa 40 Seiten kamen damals zusammen, das Ergebnis hätte ihn aber nicht überrascht. "Ich habe damit schon gerechnet." Die Antragstellung über Dritte ist möglicherweise auch eine Option für den Wolmirstedter, der nach 20 Jahren seinen Antrag ein zweites Mal gestellt hat. Ob dieser Versuch erfolgreich, wird er allerdings erst in etwa drei Jahren erfahren.