Teilnehmer der Zerbster Sprachwerkstatt erläutern die Bräuche am 7. Januar Das russische Weihnachtsfest ist eine Zeit der Versöhnung zwischen den Menschen
Heute ist Weihnachten. Nicht hier bei uns, aber in Russland, wo das Fest nach dem julianischen Kalender begangen wird. Die Teilnehmerinnen der Zerbster Sprachwerkstatt können etwas über die Bräuche dieses Tages erzählen.
Zerbst l Erst seit dem Ende der Sowjetunion würden die russischen Weihnachten wieder stärker begangen, meinen die Anwesenden. Die Frauen nehmen an der Sprachwerkstatt der Euro-Schule Bitterfeld/Wolfen in Zerbst teil. Sie sind Aussiedler aus deutschsprachigen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion. "Wir können uns nur über die Bräuche äußern, wie sie zu unserer Zeit waren, heute ist es wohl ein wenig anders", machen die Frauen deutlich. Die Traditionen unterscheiden sich von den unseren ein wenig. "Die deutschstämmigen Familien haben zu Zeiten der Sowjetunion sogar am gregorianischen 24. Dezember Weihnachten gefeiert", erzählt Alla Delderow. Allerdings sei dieser Termin nur in den Familien sehr heimlich begangen wurden. Offiziell durfte an diesem Tag nicht gefeiert werden.
Kinder singen am 7. Januar vor den Nachbarhäusern
Viel stärker an unseren Weihnachtsbräuchen orientiert sich das Fest am 31. Dezember und 1. Januar. Das ist der 25. Dezember nach dem julianischen Kalender. Beim sogenannten "Jolka"-Fest kommt auch nicht der Weihnachtsmann, sondern Ded Moros (Väterchen Frost) nebst seinem Enkelkind Snegurotschka (Schneeflöckchen) und legt die Geschenke für die Kinder unter den Weihnachtsbaum. Das Neujahrsfest ist das Hauptfest des Jahres und wird bereits Wochen vorher vorbereitet. Die Straßen werden geschmückt und in den Städten gibt es auf dem zentralen Platz eine große Haupttanne.
Das russische Weihnachtsfest wird erst am 7. Januar gefeiert. Eingeleitet wird das Fest durch einen Gottesdienst am späten Abend des 6. Januar, der mehrere Stunden dauern kann. Noch etwas ist am 7. Januar besonders. "Man hat dann keine Feinde", erklärt Olga Graz. Der Friede mit anderen Menschen stehe im Vordergrund. Wer sich mit seinem Nachbarn oder einem Arbeitskollegen gestritten habe, nutze die Zeit vor dem Fest, um sich zu entschuldigen.
"Man sagt dann, du musst mir bitte vergeben, denn ich möchte ein reines Gewissen zu Weihnachten haben", erläutert die 48-Jährige. An diesem Tag gibt es zudem eine große Festmahlzeit, nachdem oft in den Wochen vorher gefastet wurde. Üblich seien dann häufig Gänse- oder Entenbraten. "An diesem Tag gehen die Kinder von Haus zu Haus und singen Lieder", erzählt Elvira Wehrwein. Sie habe das auch getan. Dafür hätten die Kinder kleine Süßigkeiten, Plätzchen oder auch mal zehn Kopeken bekommen. "Zu Hause haben wir alles auf dem Tisch ausgebreitet und aufgeteilt", erinnert sich Wehrwein weiter. Sieben seien sie daheim gewesen und lachend fügt sie hinzu: "Die Älteren haben gern die Kleinen für sich zum Sammeln losgeschickt."
Den Frauen kommen noch mehr Besonderheiten dieses Tages in den Sinn. Ähnlich wie bei uns am Silvestertag, werde am 7. Januar darüber orakelt, was die kommende Zeit bringe. "Man liest im Kaffeesatz oder tröpfelt Kerzenwachs ins Wasser um an den Formen bestimmte Voraussagen zu treffen", erläutert Alla Delderow.
Vorhersagen über den zukünftigen Bräutigam
An einen weiteren Brauch erinnert sich Olga Mezler: "Man legt in der Nacht den Zimmerschlüssel unter das Kopfkissen und derjenige, der den Schlüssel im Traum nimmt, ist der künftige Bräutigam." Auch ein wenig unheimlich konnten die Bräuche sein. "Wenn man nach zwölf Uhr zwei Kerzen vor den Spiegel stellte und hineinsah, sollte ein Bild aus der Zukunft erscheinen", meint Mezler. Aber das habe sie nie gemacht, weil sie davor Angst hatte. Lustiger sei es, einen Stiefel zu werfen und darauf zu achten, wohin die Spitze zeige. "Aus dieser Richtung soll der Bräutigam kommen."
Die Frauenrunde lacht: "Das war ein Spaß." Da die Sprachwerkstatt nicht nur zum Lernen da ist, sondern auch zum Austausch kultureller Besonderheiten, war die Gruppe auch schon in Kitas und Schulen unterwegs. "Dort haben wir Väterchen Frost und seine Begleiterin präsentiert", erläutert Heike Richter, Fachbereichsleiterin für Deutsch und Zuwanderer in der Euroschule. Zu Ende ist die Weihnachtszeit in Russland übrigens am 14. Januar. Dann verschwinden auch der Schmuck und Weihnachtsbäume.