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Der Maler Bruno Griesel arbeitet an seinen Bildern für die nächste Ausstellung in Salzburg Ein Atelier in Straguth - abgeschieden und ruhig, doch kartografisch mittendrin

Von Petra Wiese 25.04.2012, 05:27

"Ich liebe die Kirchenglocken und das Hühnergegacker", sagt Bruno Griesel. Er wohnt gleich neben der Straguther Kirche. In dem ehemaligen Schulhaus hat er sein Atelier, hier lebt er seit einigen Jahren.

Straguth l Bruno Griesel ist Maler, freischaffender Künstler. Keine Hausmannskost, sondern große beeindruckende Kunst. Er schafft Gemälde á la Michelangelo oder Jean Antoine Watteau, Bilder, die in Galerien ihren Preis haben.

Wissen die Straguther, wer da in ihrem Dorf wohnt? "Die meisten wissen wohl, dass ich male", erklärt der Künstler. Mehr nicht. Bruno Griesel hat seinen Lebensmittelpunkt nach Straguth verlegt der Ruhe und Abgeschiedenheit wegen. Um ungestört arbeiten zu können. "Ich fühle mich wohl hier. Ich kann mich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren", so Griesel. Die wesentlichen Dinge sind "die Malerei, das Werk". Aus dem Weg geht er den Dorfbewohnern deshalb nicht. Die Tasse Kaffee trinkt er ab und zu mit Hilde. "Ich komme mit einfachen Menschen gut aus", sagt er und ist froh, dass niemand klingelt, um ihn zu bitten, Haus oder Garten zu malen.

Dass sich Bruno Griesel in Straguth niederließ, hat sich zufällig ergeben. Es hätte auch irgendein Ort in Thüringen sein können. Doch dort wäre es wohl schwerer geworden, die Strukturen sind festgefügter, die Menschen eigener. Hier ist es relativ "locker", ist Griesel froh, in Straguth gelandet zu sein. An diesem Ende der Welt schätzt er, dass es kartografisch mittendrin liegt. Berlin und Leipzig sind schnell zu erreichen.

"Leipzig ist, was die Kunst angeht, der Mittelpunkt für mich", erklärt Bruno Griesel, der 1960 in Jena geboren wurde. Er wuchs in Leipzig auf, studierte an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst von 1981 bis 1986 bei Volker Stelzmann, Wolfgang Peuker und Bernhard Heisig, dessen Meisterschüler er bis 1989 war. Er gehört zur Neuen Leipziger Schule, einer besonderen Strömung der modernen Malerei. Neo Rauch, dessen Name im Zusammenhang mit der Neuen Leipziger Schule wohl am bekanntesten ist, war einst Studienkollege Griesels.

"Ich wollte Maler werden", so Griesel. Zu DDR-Zeiten hatte der Beruf einen hohen Ansehenswert. Als Künstler habe man einen gewissen Freiraum gehabt. Seit 1986 ist Griesel freischaffend tätig. Gleich nach der Wende konnte er vom Ostbonus zehren. Seine Bilder wurden in der Kronberg-Galerie gezeigt. In den 90-er Jahren sei das Galeriewesen bedeutend gewesen. Heute würde der Kunstmarkt zum größten Teil über Messen geregelt. In den 90-ern und Folgejahren da war auch Bruno Griesel obenauf, Leidenschaft beherrschte die Kunst. "Ich hatte die besten Ateliers" - Bruno Griesel war im Specks Hof, Leipzigs ältester und renommiertester Ladenpassage, und im Barfußgässchen zu finden.

Das Leben, die Kunst alles war sehr dynamisch. Es gab ganz viele Bilder, Galerien, Ausstellungen im In- und Ausland, New York, Frankreich, Japan und ... Griesel spricht vom Karrierebruch, erzählt von seinem Krankheitsfall, mit dem er sich auseinandersetzte und den er künstlerisch umsetzte.

"Leipzig ist, was die Kunst angeht, der Mittelpunkt für mich."

Seit fast zehn Jahren arbeitet Bruno Griesel nun schon in Straguth, erst in Abständen, 2009 verlagerte er seinen Arbeitsort von Leipzig ganz nach Straguth. Auch das Lager in Gommern wurde aufgelöst. Der Dachausbau in Straguth soll nun Abhilfe schaffen, um das viele Material, die Bilder, endlich ordentlich unterzubringen. Es sieht ganz so aus, als ob Straguth nicht nur etwas vorübergehendes für Bruno Griesel ist. "Natürlich habe ich immer noch eine enge Bindung zu Leipzig, schon alleine weil meine Lebensgefährtin und unsere Tochter dort leben", so der Maler.

An der Wand des Ateliers lehnt ein Kunstwerk in etwa der Größe einer Tischtennisplatte, ein weiteres wartet auf der Staffelei auf den nächsten Pinselstrich. Ersteres zeigt eine Ballerina auf deren Stirn eine Zahl prangt - die 273. "Das Minuszeichen davor fehlt noch", erklärt der Künstler. Es ist eine Kälteprinzessin, es geht um Physik, die -273 symbolisiert den absoluten Nullpunkt, alle Atome sind in Ruhestellung. Quantenphysik. Newton. Aus der Leidenschaft der 90-er Jahre ist Analyse geworden, systematisches Herangehen, und es soll nach dem Willen des Künstlers noch sachlicher werden.

Bruno Griesel stellt dar, womit er sich beschäftigt, womit er sich auseinandersetzt, wie mit der Physik. Dazu kommt beispielsweise Goethes Farbenlehre. Die Farbtheorien des großen deutschen Dichters begleiten den Maler seit inzwischen fünf Jahren. Etwa genauso lange befasst er sich mit Schrödingers Katze, einem Gedankenexperiment aus der Physik, das 1935 von Erwin Schrödinger vorgeschlagen wurde. Diese und andere wissenschaftliche aber auch Themen aus der Theologie, die mehr als genug Stoff bietet, finden sich in Griesels Kunstwerken wieder. Viele seiner Arbeiten sind eine Hommage an das 18. Jahrhundert, Griesel bedient sich Varianten und Veränderungen bekannter Kunstwerke. Auch bringt er Dinge zusammen, die eigentlich nicht miteinander vergleichbar sind.

Griesel arbeitet derzeit an einer neuen Ausstellung. Im Juli werden seine Bilder in Salzburg zu sehen sein. Zwei große und fünf bis sechs kleinere Formate muss er bis dahin fertiggestellt haben. Alle Bilder hat er im Oktober begonnen, er arbeitet parallel an den Stücken. Bei den Stilleben geht es ihm um die Darstellung von Licht und die Abwesenheit von Licht. Relativ einfache Formen, einfache Dinge sind zu sehen, die ohne Licht jedoch nicht wahrnehmbar wären. "Die Bilder werden eine bestimmte Wirkung erzielen", ist der Künstler überzeugt.

"Die Bilder werden eine bestimmte Wirkung erzielen."

Dass diejenigen, die sich seine Bilder anschauen, immer verstehen, das erwartet Griesel nicht. Wer etwas wissen will, dem erklärt es der Künstler. Wer seine Bilder kauft, weil sie schön gemalt sind - auch gut. Geld, das ein Künstler verdient, schafft den nötigen Freiraum, damit er machen kann, was er möchte.

Ein bis zwei Ausstellungen im Jahr sind derzeit Griesels Pensum, drei Galeristen bedient er. Genug, um zufrieden zu sein. Sein Schaffen fordert ihn, ab und zu schafft der Künstler sich auch im Garten hinterm Haus.

Die Kunstmessen Art Miami, Art Fair in Köln und vor kaum mehr als zwei Wochen die Art Karlsruhe liegen zuletzt hinter ihm. Bei jeder neuen Ausstellung müsse man schon wieder die nächste im Kopf haben. Bruno Griesels Wandfries "Die Psychologie der Zeit" kann sich jeder im Specks Hof in Leipzig anschauen. "Der blaue Engel" hängt in Frankfurt, viele seiner Kunstwerke sind in Privatbesitz, einige in Übersee. Ein Bild ist in der Straguther Dorfkirche zu sehen, gleich nebenan.